Die in diesem Blog ansonsten durchaus geschätzte und daher auch verlinkte Initiative Queer Nations scheint sich zur Umsetzung ihres pluralistischen Ansatzes für 2007 ein neues Motto gesetzt zu haben: Pluralismus bedeutet demnach, dass man auch den Allerdümmsten die Möglichkeit gibt, zu Wort zu kommen. Anders jedenfalls lässt sich die Einladung von Dr. Volker Woltersdorff zum Vortrag im Rahmen der von der Initiative veranstalteten Queer Lectures am kommenden Dienstag nicht erklären. Unter dem Titel Coming-Out: Die Inszenierung schwuler Identität zwischen Auflehnung und Anpassung will Woltersdorff, alias Dore Diarrhoe, Verzeihung, Lore Logorrhoe, das „verbindliche kulturelle Muster“, dem das Coming-Out folgt, „historisch und kritisch“ ergründen.
Die Publikationsliste Woltersdorffs, seines Zeichens Literatur- und Kulturwissenschaftler an der FU Berlin, dessen Mailadresse den ungemein originellen Namen punkpoet@chaos.in-berlin.de trägt, legt zwar die Vermutung nahe, er habe sich in seinem Leben schon so manchen Gedanken gemacht, doch leider scheint das Ergebnis eher minimal. Denn die „Erkenntnis“, dass der „Wunsch nach Anerkennung und Zugehörigkeit (…) mit der Sehnsucht nach Befreiung und Selbstverwirklichung“ wetteifere, ist keine solche, sondern Ausweis der ideologischen Voreingenommenheit des Vortragenden. Diese, antikapitalistisch grundiert, führt ihn folgerichtig zu der bedauernden Feststellung, „der schwule Mann“ habe sich „zum Musterknaben der Konsumgesellschaft gemausert“. Seine Voreinstellung reflektiert er, in der üblichen linken Manier, gar nicht mehr mit, sondern setzt sie als selbstverständlich und einzig vernünftig denkbare voraus. Nur deshalb kann er einen Satz schreiben wie „Was es bedeutet, schwul zu sein, und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, war und ist umstritten“, ohne dabei rot zu werden. Denn natürlich ist er nicht als Forscher unterwegs, der vorbehaltlos überlegen würde, was denn nun für allgemeingültige Konsequenzen aus dem Schwulsein zu ziehen wären. Vielmehr steht für ihn längst fest, welche die erste Pflicht eines Schwulen ist: Die Hinwendung zur revolutionären und revolutionierenden Theorie und Praxis. Individuelle Freiheit, die Privatheit der eigenen Sexualität, bleiben da auf der Strecke. Denn das Private ist ja bekanntlich politisch und schließlich geht es um „machtpolitische Konjunkturen“, die auch „Ausschlüsse und Einsprüche“ hervorrufen.
Mit Ausflüssen, Entschuldigung, Ausschlüssen kennt man sich in dem politischen Umfeld, dem Logorrhoe entstammt, bestens aus. Auf dem „queer-autonomen“ etuxx findet sich in einer Beschwerde über die Besitzer des sogenannten Tuntenhauses, die in Zukunft das Dachgeschoss ihres Hauses statt der bisher dort residierenden Ex-Hausbesetzer selbst bewohnen möchten, zu eben diesem Vorgang der folgende bisher unwidersprochene und unkommentierte Eintrag: „in dieses geistige Zentrum hinein soll ein kapitales Krebsgeschwür implantiert werden“. In der Folge ist noch die Rede von „metastasieren“ und „verdeckter Übernahme“. Mit diesen vielsagenden Metaphern kommt auch der schwule Antikapitalist zu seinem Kern und kann sich dem Wunsch nach Ein- und Ausschlüssen hemmungslos ergeben. Ein- und Ausschlüsse scheinen auch Herrn Doktor Woltersdorff ein zentrales Anliegen zu sein. In einem Beitrag für die Zeitschrift „UTOPIE kreativ“ macht er die „fortschreitende Institutionalisierung der Lesben-, Schwulen- und Frauenbewegung“ verantwortlich für die „Hinwendung ihrer Funktionäre zur Lobby-Politik“. Mehr noch: Führende schwule Aktivisten versuchten, Schwule und Lesben als „ethnische Identität“ zu verkaufen und damit in die us-amerikanische Verteilungspolitik zu integrieren. Sie stellten Schwule als assimilationswillige großstädtische Einkommenselite dar, die sich nach Anerkennung durch den Mainstream sehnt. Ein Ergebnis dieser Ausrichtung war die Kommerzialisierung und Entpolitisierung der CSD-Paraden. All dies förderte eine homogenisierte Darstellung nichtheterosexueller Lebensformen, die stillschweigend ihre weißen, mittelständischen und männlichen Vertreter zur Norm machte.
Herr Woltersdorff weiß es natürlich besser: Schwule sehnen sich nicht nach Anerkennung, schon gar nicht durch den Mainstream, sie wollen die Revolution. Die „Kommerzialisierung der CSD-Paraden“, womit er vermutlich die Entdeckung von schwulen Männern durch die Werbung meint, findet nur auf Anordnung von Funktionärscliquen statt? Gut, dass das mal einer gesagt hat. Sonst hätte man noch den Eindruck gewinnen können, die Teilnehmer und Zuschauer beim CSD würden sich wohl fühlen beim Feiern. Was die „homogenisierte Darstellung nichtheterosexueller Lebensformen“ betrifft, scheint es sich um einen klassischen Fall von Projektion zu handeln. Woltersdorff unterstellt anderen das, was tatsächlich für ihn gilt: Die eigene Definition von Schwulsein soll zur Norm werden.
Schau so ist der Foucault von Kreuzberg auf dem Niveau von Energiebällchenpeter angekommen…
Aber, andererseits hatte zum Erscheinungszeitpunkt des besagten Etuxx-Beitrages schon der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Eckart von Klaeden erklärt „Hisbollah ist das Krebsgeschwür des libanesischen Staates, und der ist anerkanntermaßen kein projizierender Antikapitalist.
Vielleicht hätte Dr. Logos formulieren sollen die Wohlstandsinvestoren sind die HizbAllah des Tuntenhauses – aber das würde dann doch erfordern dem ollen Foucault seine Idee von Antipolitik zu dekonstruieren.