Penisneid pervers

6 Jun

Nun haben sie es geschafft: Das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Homosexuellen wird im Rahmen einer Video-Installation nicht nur zwei sich küssende Männer zeigen, sondern in – das ist jetzt ganz wichtig! – regelmäßigem Abstand ebenso zwei sich küssende Frauen. Wer die Vorgeschichte auch nur ein wenig verfolgt hat, kommt nicht umhin dieses Ergebnis für mehr als zweifelhaft zu halten. Schließlich mussten sich selbst die emsigsten Erforscherinnen der Verfolgung von Lesben im NS bei ihrer Beweisführung, dass damals auch Lesben massenhaft als Lesben verfolgt wurden, auf solch alberne Indizien stürzen:

Aber für sie begann, wie die Historikerin Claudia Schoppmann in ihrem gleichnamigen Buch schreibt, eine ‚Zeit der Maskierung‘. „Bloß nicht auffallen!“ heißt nun die Devise. „Ich hab meine Haare wachsen lassen und meist Kleider getragen“, erzählte Margarete Knittel, eine der Zeitzeuginnen, die die Forscherin befragt hat.

Damit mich hier niemand falsch versteht. Ich finde es klasse, wenn jeder seine Haare so lang oder kurz tragen kann, wie er will und selbst entscheiden kann, ob er lieber Röcke oder Hosen trägt. Ausgerechnet mit diesem Beispiel aber die Verfolgung von Lesben im NS auf eine Stufe zu stellen mit der tausendfachen Ermordung von Schwulen deutet auf einen veritablen Komplex hin. Da im nationalsozialistischen Deutschland „weibliche Homosexualität offiziell nicht einmal strafbar ist“ machte frau sich auf die Suche, um die Verfolgung von Lesben anderweitig zu belegen. Das geht dann zum Beispiel so:

Nach Ausbruch des Krieges konnten die Nazis weitere Vorwände finden, um lesbische Frauen ins KZ zu bringen: Die 16-jährige Gertie war zur Arbeit in einer Rüstungsfabrik eingesetzt und hatte dort mit einer Frau geflirtet. Aus einem Metallstück hatte die burschikose Verliebte einen Ring gedreht. Sie wurde mit dem Schwarzen Winkel ins KZ Oranienburg eingeliefert. Begründung: „Sabotage“.

Ihr Lieben, glaubt Ihr wirklich, dass eine heterosexuelle Frau für diese Tat nicht bestraft worden wäre? Was hat das denn mit der Verfolgung von Lesben als Lesben zu tun? Oder das hier:

Die Lesben wurden – streng von den anderen Frauen getrennt – unter SS-Bewachung zur Arbeit geführt und bekamen das übliche KZ-Essen (Wassersuppe ohne Fleisch und Fett mit verfaulten Kohlblättern udgl.).

Ja was um alles in der Welt hätten sie sonst bekommen sollen? Buchweizengrütze mit rosa Pfefferkörnern? Der Versuch, nachzuweisen, dass frau genauso verfolgt wurde wie andere Opfergruppen, kann ganz offensichtlich gar sonderliche Blüten treiben. Dazu gehört auch, wenn man schon keine massenhafte Verfolgung lesbischer Frauen im NS beweisen kann und vermutlich auch selbst nicht daran glaubt, ein anderes Problem zu entdecken, was dann aber vermutlich irgendwie dasselbe sein soll wie die tausendfache Ermorderung schwuler Männer:

Am Ende der Naziherrschaft steht die völlige Auslöschung homosexueller Frauen aus dem öffentlichen Bewusstsein.

Und während sich der geneigte Leser noch fragt, ob denn wenigestens diese Aussage stimmt, folgt das Dementi der Autorin sogleich:

Die Ansätze einer kollektiven lesbischen Lebensform und Identität, die sich vor allem während der Weimarer Republik gebildet hatten, waren gründlich zerstört worden.

Fassen wir also kurz zusammen: Weibliche Homosexualität war im Nationalsozialismus nicht unter Strafe gestellt. Lesben im NS durften ihre Haare nicht kurz und gar keine Hosen tragen. Bei der Verfolgung sogenannter „Sabotage der Kriegsproduktion“ wurden Lesben wie bei der Ernährung in den KZ gleichberechtigt. Lesben wurden völlig ausgelöscht, jedenfalls aus dem öffentlichen Bewußtsein, zumindest als kollektive Lebensform. Und deshalb haben ganz tapfere Feministinnen jetzt die Gleichberechtigung bei der Erinnerung an die nationalsozialistische Verfolgung erkämpft.

Und jetzt noch einmal ganz kurz: Schämt Ihr Euch nicht?

6 Antworten zu “Penisneid pervers”

  1. denkmal anders 11. Juni 2007 um 08:26 #

    Mich hat leider niemand nach meiner Meinung gefragt aber ich geb sie trotzdem zum Besten.
    Wieso muss jede Opfergruppe ihr Denkmal bekommen, ich behaupte nicht das Schwule nicht im dritten Reich drangsaliert wurden, aber es ist ja nicht gerade so als ob 90% der europäischen Schwulen in Konzentrationslagern ermordet wurden.
    Sich dann noch über die gewünschte Teilhabe einer weiteren interest-group zu beschweren ist schon peinlich.

    Meine Idee für ein Denkmal wäre übrigens der Nachbau eines Autobahnrastplatzes mit öffentl. Toilette gewesen.

  2. Adrian 11. Juni 2007 um 10:34 #

    Ziemlich geschmacklos dein Vorschlag…

  3. denkmal anders 11. Juni 2007 um 15:38 #

    Es geht doch darum den speziellen Opferstatus deutlich zu machen, da Schwule sich nur durch ihre Orientierung von Heten unterscheiden liegt es doch nahe ein sexuell besetztes Thema zu wählen. Außerdem könnte man dann auf teure Bildschirme verzichten wenn das Denkmal eine cruising-area ist, sozusagen ein lebendiges Denkmal.
    Wirft docch auch ein interessantes Bild auf Schwule Lebensrealitäten in der BRD nach dem Krieg.
    Wenn schon ein Denkmal, und hier sage ich bewußt, nur für schwule Opfer, dann doch eins das die Öffentlichkeit zwingt sich mit ihren Vorurteilen auseinanderzusetzen,
    denn im dritten Reich ist man ja nicht für schwulen Lifestyle sondern für schwulen Sex in KZ gekommen.

    mfg

  4. Pavel 18. Juni 2007 um 20:09 #

    Man kann es sich auch einfach machen und sagen – „Wir waren mehr Opfer als ihr! nänänänä“, hätte ungefähr die selbe Wirkung wie dieser Beitrag, ist auch kürzer. Sich nur die Schokoladenstellen des Artikels auszusuchen und sich dann möglichst naturalistisch zu empören – so kommt man weiter. Es macht sich auch gut, dass man Beispiele der Trennung von Lesben von heterosexuellen Frauen im KZ gewissenhaft ignoriert – zur Arbeit abgeführt, „streng von den anderen Frauen getrennt“ – aber Hauptsache, alle Frauen bekamen „das übliche KZ-Essen“. Was im Artikel sonst noch an unpassenden Beispielen angeführt wird, das ixen wir einfach weg und sind die größeren Opfer.

    „Und jetzt noch einmal ganz kurz: Schämt Ihr Euch nicht?“

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