Letzten Samstag war in Berlin CSD-Parade. Mein Freund und ich standen am Rand und schauten dem bunten Treiben zu. Um uns herum, trotz weniger Meter Entfernung zum Nollendorfplatz, dem Zentrum des Schöneberger Schwulenkiez, vorwiegend Heteros. Zumindest deutete das Verhalten der gemischtgeschlechtlichen Paare für uns darauf hin: Sie hielten Händchen, küssten und befummelten sich. Man kann bekanntermaßen trefflich darüber streiten, ob dieses Verhalten in der Öffentlichkeit sein muß, ob also die Zuschauer ihre sexuelle Orientierung wirklich so unbedingt zur Schau stellen müssen. Vielleicht war ihr Verhalten auch Resulatat einer Ansteckung durch die zum Teil freizügige Atmosphäre der Parade.
In der Parade sahen wir ein paar in Lack, Leder und Gummi gekleidete Fetischisten, einige Tunten, ein paar mehr Männer mit nackten Oberkörpern, freigelegten Hintern und sogar drei ganz Nackte. Der Rest waren ganz normale Männer, zumindest wirkten sie so auf uns.
Die Berliner Zeitung muss auf einer anderen Veranstaltung gewesen sein. Zumindest berichtet sie in ihrer Ausgabe vom Montag auf Seite 15 in einem Hinweis auf die CSD-Berichterstattung im Lokalteil:
Gegen die Hochhäuser am Potsdamer Platz wirkten die Homosexuellen in ihren Stöckelschuhen winzig. Dabei hatten sich 400.000 am Sonnabend vom regnerischen Wetter nicht abhalten lassen und ihren 29. Christopher Street Day in Berlin gefeiert.
Wie? 400.000 Homosexuelle? Das glaubt ihr doch selber nicht. Das waren 400.000 Besucher, Schätzekens.
400.000 Homosexuelle in Stöckelschuhen ist allerdings noch besser.
Da weiß ich beim nächsten Mal, wenn ich mich bei einem Kunden oute, warum der sagt „Sie? Sie sehen aber gar nicht so aus.“ Auch warum der Blick danach stets auf meine Schuhe fällt, ist mir jetzt klar.
Danke, Berliner Zeitung, für diese Frontberichterstattung!
Die CSDs leben mittlerweile zu einem Großteil von heterosexueller Unterstützung.
Letztes Jahr gab es in Mannheim einen CSD, dessen Zuschauer und Spontan-Mitläufer zum überwiegenden Teil aus heterosexuellem Publikum bestand. Man kam sich bei all den Omas, Familien mit Kindern usw. fast etwas verloren vor auf dem CSD. Eigentlich hätten wir uns bei den Mannheimern in einer großen Zeitungsanzeige bedanken sollen.
Heterosexuelle schämen sich nicht mehr, sich auf einem CSD sehen zu lassen, Homosexuelle lassen sich gar nicht mehr sehen.
Ich wolte zum letzten CSD, hier in Kiel, hatte aber verschlafen!! ^^ -> Wurde dann vom Umzug geweckt.. Echt übel! ^^
Nunja, dass nur so am Rande.. *Welch sinnfreier Kommentar* 😀
… stelle mir gerade eine Armada von 400.000 Homosexuellen in Stöckelschuhen vor… *loooool*
Hallo, unser Team hat zum CSD einige Schnappschüsse in 360° geschossen:
http://www.panoramanews.de
Ich persönlich bin zwar hetero, finde die Veranstaltung aber bereichernd für die kulturelle Szene. Ein Hoch auf die Stöckelschuhe 😉
wozu soll das ganze denn gut sein? Als Eigendemo mit Hetis-bitte-draussen-bleiben-Veranstaltung? Klar ist das ganze auch ein touristisches Event, aber der Zug selbst wirkte auf mich durchaus noch stark schwul geprägt. Dass die Presse in Berlin nun mal nicht differenzieren kann, ist ein echter Standortnachteil. Anderswo könnte einen das ja direkt zur Verzweiflung treiben – aber in Berlin kann man ja glücklicherweise immer raus ins wirkliche Leben und die Zeitung in die Tonne drücken 🙂
@ Michael: Mein Beitrag war beileibe nicht Ausdruck eines Wunsches nach einer Parade ohne Hetero-Zuschauer. Mir geht es an dieser Stelle ausschließlich um den Faux-Pas in der Berichterstattung und ich halte diesen für symptomatisch. Nicht umsonst ist eben leider auch in Berlin die übliche Reaktion auf ein Coming-Out: „Was, Du? Das hätte ich ja nie gedacht!“. Man kann den Leuten in so einer Situation, wenn man sich stark genug dafür fühlt, ihre Klischees um die Ohren hauen. Und man sollte die Klischees jederzeit, wenn sie einem begegnen, entlarven. Es gibt noch viel zu tun…
Falls jemand die 400.000 stöckelbeschuhten Homosexuellen kennt: Die sollen bitte am 21. Juli nach Leipzig kommen! Zumindest dann, wenn irgendein sächsisches Gericht den eben von der Stadt verbotenen Nazi-Aufmarsch wieder erlaubt. Der liefe dann nämlich parallel zur CSD-Demo, was den CSD-Organisatoren nicht gefällt, obwohl gerade das die Chance gäbe, aus einem Stöckelschuhfest, eine politische Veranstaltung zu machen.