Nazi-Evangelikale

26 Aug

Queer.de macht mit der Schlagzeile „Evangelikaler warnt vor Nazi-Schwulen“ auf. Stephen Green, Chef der Gruppe „Christian Voice“, erklärte demnach in einer Pressemitteilung:

Im Regelfall sind Schwule keine Asiaten oder Schwarze sondern überwiegend weiß. Daher sind sie faszinierend aus dem Blickpunkt der Nationalen Front. Vielleicht ist der Geist der Homosexualität immer noch untrennbar verbunden mit dem Nationalsozialismus. Immerhin begann die NSDAP ihr obszönes Leben in einer Münchener Schwulenbar.

Nun könnte man den Herrn darauf hinweisen, dass die NSDAP im Februar 1920 im Münchner Hofbräuhaus gegründet wurde, welches – wenigstens bisher – nicht als Schwulenbar galt.

Man könnte ihn auch darauf hinweisen, dass der Topos der mit dem NS verbundenen Homosexualität eine typische Denunziation der Linken ist, die auch nicht dadurch wahrer wird, dass sie von Rechten wiederholt wird.

Vor allem sollte man dem Herrn den Satz um die Ohren schlagen, wonach Schwule im Regelfall keine Asiaten oder Schwarze sind, weil Schwule im Regelfall zuerst einmal Menschen sind, egal welcher Hautfarbe oder Herkunft.

Die größte Aufklärung aber verspricht eine Beschäftigung mit den politischen Zusammenhängen, in denen sich Evangelikale bewegen. Da mir keine Informationen zu britischen Evangelikalen vorliegen, beschränke ich mich auf solche über deutsche Evangelikale, in der Annahme, dass ihr politischer Hintergrund ausreichend Ähnlichkeiten aufweisen dürfte. Konkret geht es mir um die „Evangelische Notgemeinschaft in Deutschland“ (ENiD), eine Organisation die vorwiegend aus Pfarrern – zum Teil bei Polizei, Militär und Bundesgrenzschutz – besteht.* Vier ihrer Mitglieder seien im Folgenden kurz skizziert:

  • Werner Petersmann engagierte sich in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts bei den faschistischen Deutschen Christen (DC). In den 60er Jahren trat er der NPD bei, für die er bei den Bundestagswahlen 1969 auf Platz 1 der niedersächsischen Landesliste kandidierte. Im Oktober 1970 unterstützte er die Aktion Widerstand, einen der größten faschistischen Zusammenschlüsse nach 1945.
  • Ernst Anrich hatte bereits eine NSDAP-Karriere hinter sich, als er Anfang der 70er Jahre stellvertretender NPD-Bundesvorsitzender wurde.
  • Alexander Evertz gehörte während des NS dem deutschnationalen Flügel der Bekennenden Kirche an. In den 60er Jahren schrieb er bspw., die Offenbarung Gottes treffe das „blut- und bodengebundene Geschöpf Gottes“.
  • Johannes Ferdinand Barnick, Schriftsteller, schrieb in Bezug auf den ersten und den zweiten Weltkrieg, die Deutschen seien „zu friedlich, zu arglos, zu anständig“ gewesen.

Wenig überraschend freute sich der NPD-Bundesvorstand über die ENiD-Gründung als „ein ermutigendes Zeichen im Kampf um die nationale Selbstbestimmung des deutschen Volkes“, die Nationalzeitung druckte die Beitrittserklärung ab.

Die Referentenliste der ENiD-Studientagungen spricht für sich, neben Günther Rohrmoser finden sich noch weitere Mitglieder des Kuratoriums des Studienzentrums Weikersheim.

Pikant sind auch Kontakte der ENiD mit den Republikanern. Deren enge Verbundenheit wurde immer wieder deutlich, wenn Mitglieder der Reps, die kirchliche Funktionen innehatten, wegen ihrer Parteizughörigkeit angegriffen wurden. Regelmäßig trat dann die ENiD als Unterstützer der inkriminierten Reps auf und setzte sich für ihren Amtsverbleib ein.

Über Erneuerung und Abwehr, das ENiD-Monatsblatt, stand in Nation und Europa, einer rechtsextremen Monatszeitschrift, es hebe

sich immer wieder auf erfreuliche Weise von anderwärts gepflegter Kirchentags-Seligkeit ab. Während dort vorzugsweise über Homo-Ehe und Drogenfreigabe debattiert wird, kommen in ‚Erneuerung und Abwehr‘ die wirklich wichtigen Fragen der Zeit zur Sprache …

… wie zum Beispiel die der Notwendigkeit von Kampagnen gegen die Gleichberechtigung Homosexueller in Kirche und Gesellschaft.

Wobei man sich angesichts dieser Gemengelage fragt, ob der Evangelikale Green noch ganz nüchtern war, als er seine Pressemitteilung zusammen schrieb. Vielleicht ist es auch ausreichend, Mister Green die Bedeutung des Abwehrmechanismus der Projektion zu erklären.

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Alle folgenden Informationen sind der Broschüre „Rechte ChristInnen“. Die Evangelische Notgemeinschaft in Deutschland, ihr politisches und kirchliches Umfeld entnommen, herausgegeben vom AK Konservatismus in Theologie und Kirche Marburg (o.J.).

7 Antworten zu “Nazi-Evangelikale”

  1. Demokrat 2. September 2007 um 14:22 #

    Aber der Chef der Nazis SA Röhm war bekennender Schwuler und im Bund deutscher Schwuler. Die Schwulen wurden auch während der Nazis Zeit nicht verfolgt. Die Schwulengesetze stammen noch aus der Zeit vor 1933, nur wurden sie von den Nazis verschärft.
    Im Gegensatz zu den Euthanasieprogrammen wurde die Schwulen nie von den Nazis verfolgt. Ein Schwulendenkmal ist daher für mich eine Beleidigung der Naziopfer.

  2. straightie 2. September 2007 um 14:30 #

    @ Demokrat
    Boah ey, voll das krasse Rede.

  3. Damien 2. September 2007 um 14:33 #

    Der „Bund deutscher Schwuler“ ist Deine Erfindung, den gab es nie. Und was willst Du damit beweisen, dass Röhm schwul war? Niemand hat das Gegenteil behauptet.
    Wenn Du ernsthaft glaubst, die Nazis hätten keine Schwulen verfolgt, lies zum Beispiel mal: „Nationalsozialistischer Terror gegen Homosexuelle“ von Jellonnek/Lautmann oder „Homosexualität in der NS-Zeit“ von Grau.

  4. Demokrat 2. September 2007 um 21:46 #

    Aber die Gesetze stammen aus der Zeit vor 1933. Eine Gesellschaft, die Schwulen die gleichen Rechte wie Hetero Familien einräumt, wird auf Dauer Faschistisch. Bestes Beispiel aus der Geschichte sind Athen und Sparta.
    Nach meiner Meinung, versuchen die Schwulenverbände die Öffentlichekit zu manipulieren.
    Ich bin weder ein religiöser Fanatiker noch ein Mensch, der Schwule nicht als Menschen betrachtet. Ich bin nur Realist.

  5. Adrian 2. September 2007 um 21:51 #

    Surrealist.

  6. Sergej 27. Oktober 2009 um 15:53 #

    Bei der Evangelischen Notgemeinschaft gab sich doch schon das gesamte schwarzbraune Haselnußspektrum die Klinke in die Hand! Selbst Haider-Fan Alexander von Stahl und „National-Pazifist“ Alfred Mechtersheimer durften dort schon referieren!

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