Rammeln in Rummelsberg?

19 Dez

Der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu hat sich bei den Lesben und Schwulen für die Schmerzen entschuldigt, die diese aufgrund der Verfolgung durch die Kirche erlitten haben. Über das Interview, das gestern im britischen Radio ausgestrahlt wurde, berichtet queer.de. Zur Begründung sagte Tutu, die Verfolgung von Homosexuellen sei unchristlich und daher für Christen nicht akzeptabel. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Tutu für Lesben und Schwule einsetzt:

Tutu hat sich in der Vergangenheit immer wieder für Homorechte ausgesprochen. Der 76-jährige Anglikaner kritisierte die konservativen afrikanischen Landeskirchen scharf für ihre Abspaltungsbemühungen von der Mutterkirche, weil sie dieser zu große Toleranz gegenüber Homosexualität vorwerfen.

Er ist auch nicht der einzige prominente Christ, der in der Art eines Schuldbekenntnisses für die bisherige kirchliche Haltung und Praxis gegenüber Lesben und Schwulen um Entschuldigung gebeten hat. Mal sehen, ob die Freunde der Gleichsetzung von Islam und Christentum auch diese Entwicklung wieder ignorieren. Als wenn der Unterschied zu übersehen wäre: Im Christentum geht der ernst zu nehmende Streit noch darum, ob schwule und lesbische Paare von Pfarrerinnen und Priestern offiziell gesegnet, ob Schwule und Lesben Priester und Pfarrerin werden können – im Islam geht der ernst gemeinte Streit darum, ob man Schwule und Lesben unter allen Umständen töten muss, ob nicht auch mal eine Auspeitschung reicht oder vielleicht auch eine OP, die das Geschlecht verändert.

Einen eher praktischen und wohl auch fehlgeschlagenen Entschuldigungsversuch für die kirchliche Politik gegenüber den Homos hat offenbar Karl Heinz Bierlein gestartet, der Chef der Rummelsberger Anstalten, einem der großen diakonischen Träger in Deutschland. Wobei von einem Versuch nicht die Rede sein kann, wie in der Süddeutschen Zeitung zu lesen ist:

Demnach hat Bierlein zu mehreren erwachsenen Diakonen in der Ausbildung „physische Kontakte“ gesucht.

Da der Mann bereits zurück getreten ist – was in der Regel als eine Art Schuldeingeständnis gewertet wird-, fragt man sich an dieser Stelle, worin die Verfehlung in diesem Fall eigentlich bestehen soll. Während der Arbeit an einem Buchprojekt, in dem es auch um „Körper und Glaube“ gegangen sei,

soll Bierlein Diakonieschüler sexuell bedrängt haben. Einer der Männer habe die Übergriffe vor einer Woche in Briefen an den Landeskirchenrat und an eine Polizeidienststelle offenbart. Weitere Betroffene hätten die Vorwürfe bestätigt.

Gänzlich überzeugt mich die Angelegenheit ja nicht. Da beklagen sich erwachsene Menschen darüber, sexuell bedrängt worden zu sein,

obwohl die Teilnahme an dem Buchprojekt freiwillig gewesen sei.

Wie hat man sich den Vorgang vorzustellen? Hat Bierlein sie angefasst, obwohl sie dies nicht wollten? Hat er ihnen lediglich Avancen gemacht, die sie aber abgelehnt haben? Das wäre wohl ein Unterschied ums Ganze. Auch wenn das Mutter Kirche sicher anders sieht, denn, wie Karla Sichelschmidt, die Chefjuristin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, erklärte:

Sollten die Anschuldigungen zutreffen, stellten sie in jedem Fall eine Amtspflichtverletzung dar

und

auch die Polizei prüfe, ob ein strafbares Verhalten vorliege.

Bis dahin ist der Mann in jedem Fall seinen guten Ruf los und ein paar Leute mehr offenbar auf dem besten Weg, psychische Wracks zu werden:

Die betroffenen Männer, seine Frau und seine drei Kinder werden nach kirchlichen Angaben seelsorgerlich und psychologisch betreut.

An der weiteren Presseberichterstattung wird zu überprüfen sein, ob man ebenso mit den Vorwürfen umgeht, wie es auch bei solchen mit heterosexueller Ausrichtung zu erwarten wäre. Mit einer Ausnahme: Die evangelische Kirche wäre gut beraten, ihren Kurs der innerkirchlichen Akzeptanz von Schwulen und Lesben zügig fortzusetzen, damit niemand in die verzweifelte Lage kommt, seiner Orientierung entsprechende zwischenmenschliche und sexuelle Kontakte nur unter dem Druck zu erwartender Repression suchen zu können. Denn ob ein offen schwuler Chef in Rummelsberg schon denkbar wäre, das wage ich dann doch zu bezweifeln.

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