Tiergarten: No Gay Area

1 Jun

Ein israelischer Historiker hat das jüngst in Berlin eröffnete Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen aufgrund seiner Lage nahe dem Denkmal für die ermorderten Juden Europas kritisiert. Israel Gutman erklärte in der polnischen „Rzeczpospolita“:

„Es ist ein Skandal, wenn Besucher den Eindruck bekommen können, dass es zwischen den Leiden der Juden und den von Homosexuellen keinen großen Unterschied gab.“ Die verfolgten Schwulen und Lesben seien „ausschließlich Deutsche“ gewesen, von denen viele selbst den Nazis angehört hätten. Sie seien „Opfer politischer Kämpfe innerhalb der NSDAP“ geworden, so Gutman.

Selbst wenn die verfolgten Schwulen ausschließlich Deutsche gewesen wären, würde das tatsächlich ihre Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung relativieren? Merkwürdige Logik, nach der es keine jüdischen Homosexuellen und keine deutschen Juden gab. Im antifaschistischen Widerstand gab es demnach schon gar keine Homosexuellen, weil diese, wie ein jeder weiß, zur Kollaboration neigen. Da hat jemand wohl ganz brav seinen Littell gelesen und die Forschung zur Verfolgung von Schwulen im NS weitestgehend ignoriert. So kann man sein eindimensionales Weltbild aufrecht erhalten und zu folgender Schlussfolgerung kommen:

„Jahrelang hatte ich den Eindruck, dass die Deutschen nach dem Krieg das gewaltige Ausmaß der Verbrechen des Holocausts verstanden hatten (…). Diesmal haben sie einen Fehler gemacht“, so der Historiker.

Nach den Lesben, die das Mahnmal am liebsten für sich alleine gehabt hätten, klingt das nach einer neuen Variante der Opferkonkurrenz: Demnach relativiert, wer der Verfolgung von Lesben und Schwulen im NS gedenkt, damit automatisch die Shoah. Schade, dass die Einfältigkeit eines Jonathan Littell nun offenbar auch schon den ersten Wissenschaftler inspiriert hat.

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