Das Recht auf Meinungsfreiheit bedeutet, dass es von staatlicher Seite keinerlei Bestrebungen gibt, Meinungen, ob in schriftlicher oder mündlicher Form, zu zensieren, zu unterdrücken oder mit Strafe zu belegen. Es bedeutet nicht, dass man mit jeder Meinung einverstanden sein muss, nicht, dass man Meinungen nicht kritisieren darf, nicht, dass jede Meinung gleich richtig oder wertvoll ist und ganz bestimmt nicht, dass man alles dahersagen muss, was einem gerade in den Sinn kommt.
Der britische Schwulenrechtler Peter Tatchell hat Politikern in Belfast vorgeworfen, eine „Kultur der Homophobie“ zu begünstigen und bezog sich dabei vor allem auf die Äußerungen der hiesigen Politikerin und „First Lady“ Nordirlands, Iris Robinson. Mrs. Robinson macht im Königreich desöfteren Schlagzeilen, weil sie es für ihre von Gott diktierte Pflicht hält, Schwule als „Abscheulichkeit“ zu bezeichnen und ihnen durch eine Therapie zu helfen. Darüberhinaus ist sie sich des fundamentalen Unterschieds zwischen Homosexualität und Pädophilie nicht im Klaren.
Wenn Robinson sich nun derart rechtfertigen würde, ihre Äußerungen seien durch die Meinungsfreiheit gedeckt, könnte man dem nur zustimmen und, von meinem Standpunkt aus gesehen, sogar dann, wenn es in ihrem Land einen Paragrafen gäbe, der die Einschränkung der Meinungsfreiheit etwa mit „Aufstachelung zum Hass“ oder „Volksverhetzung“ begründen würde. Denn eine gesetzliche Einschränkung der Meinungsfreiheit ist eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, ganz egal wie nobel diese auch begründet wird.
Das Recht zu haben, jeden denkbaren Unsinn daherzuplappern, heißt eben noch lange nicht, dass andere diesen Unsinn akzeptieren müssen:
„There is no doubt that if Iris Robinson had made those remarks about the black or the Jewish community she would have been ousted from public office and forced to resign,“ Mr Tatchell told journalists […]
„People would have said that such comments are totally unacceptable.“
Doch sie hätten recht damit und sollten die Robinson bei der nächsten Gelegenheit aus dem Amt wählen. Tatchell seinerseits scheint zu meinen, der Staat müsse eingreifen, wenn ihm die Meinung einer Abgeordneten nicht passt. Ich würde das nicht so sehen.
Natürlich tragen Äußerungen wie die von Robinson zum gesellschaftlichen Klima bei, natürlich begünstigen sie schwulenfeindliche Atmosphären und Handlungen. Tatchell:
„Some of the people who hold these views are not merely prejudiced, they act out that by abusing people, by harrying gay people in the street and sometimes in violence,“ he said.
Aber wie so viele Schwulenhasser zieht sich auch die Robinson vollkommen unschuldig auf ihre Religion zurück und kolportiert gar, als gute Christin müsse sie so etwas sagen. Noch mal Tatchell:
„Saying that her conscience or religion gives her an excuse for making these remarks I find unconscionable.“
Wenn jemand tatsächlich der Ansicht ist, seine Religion verpflichte ihn dazu, auf Schwule verbal einzuprügeln, dann soll er das tun, muss sich aber im Anschluss nicht wundern, wenn man seine religiösen Ansichten und ihn selbst als schwulenfeindlich, krude und unmoralisch bezeichnet.
Wenn also jemand anmerkt, homophobe Meinungsäußerungen seien durch die Meinungsfreiheit gedeckt, kann man dem zustimmen. Die Frage bleibt aber dennoch bestehen, warum man meint, homophob sein zu müssen.
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