Haider: Bekam er Alkohol von hinten eingeflößt?

21 Okt

So ungefähr ließe sich wohl das Niveau der Diskussion zusammenfassen, die sich nicht nur in Österreich an den Todesumständen Jörg Haiders entzündet hat. Noch am Tag der Beerdigung des Rechtspopolisten gab es Unruhe im Alpenland:

Vor dem Szenecafé Stadtkrämer, einem Schwulentreff in Klagenfurt, spielen sich hässliche Szenen ab. Ein ausländisches Fernsehteam, das vor dem Lokal dreht, wird bedroht. Was davon zu halten sei, dass sich Jörg Haider vor seiner Todesfahrt im Stadtkrämer einen angetrunken habe, will der Reporter wissen. „Hauen Sie ab, bevor ich es mir anders überlege“, schimpft ein Mann in Kärntner Tracht und schüttelt erzürnt den Kopf.

Man kennt ja schließlich die Machenschaften von denen, die einem anständigen Österreicher das Leben schwer machen:

Wilde Verschwörungstheorien über den Unfalltod Haiders kursieren. Der Alkohol sei ihm eingeflößt worden, schreiben anonyme Kommentatoren im Internet. Karlheinz Klement, wie Haider ein ehemaliger Politiker der nationalkonservativen Freiheitlichen Partei (FPÖ), brachte sogar den israelischen Geheimdienst Mossad ins Spiel. Klement hatte in Österreich einst für Empörung gesorgt, als er Homosexualität als „Kultur des Todes“ bezeichnete.

Und wie Haider in den Phantasien des braven Bürgers noch für den Alkoholexzess nicht selbst verantwortlich gewesen sein kann, so kann auch eine homosexuelle Orientierung nicht seine Schuld gewesen sein. Vermutlich deshalb üben sich die einheimischen Zeitungen in vornehmer Zurückhaltung in ihrer Berichterstattung:

nur wenige österreichische Zeitungen berichten über den Besuch im Stadtkrämer. Haiders Familie zeigte den Staatsanwalt an, weil dieser den Medien zu viele Ermittlungsergebnisse verraten haben soll.

Auch darüber, dass der Chef der rechten Partei Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) gegen Ausländer und Asylanten hetzte und den Nationalsozialismus verharmloste, redet keiner.

Unter Antifaschisten hingegen ist man sich einig, dass Haider „gegen Schwule“ gewesen sei. Die Fakten jedoch scheinen andere zu sein, wie diese Meldung belegt:

Viele Kommentare stoßen sich dabei daran, dass Haider vor seinem Unfall in einer Klagenfurter Schwulenbar gewesen sein soll und werfen ihm damit Doppelmoral vor. Dabei hat Haider nie gegen Lesben und Schwule gehandelt, wie das Rechtskomitee Lambda (RKL) in der aktuellen Ausgabe seiner Zeitschrift „Ius Amandi“ belegt.

Das RKL betont auch, es war Haiders „offene Haltung, die die ÖVP in den 90er Jahren bspw. in der Frage der anti-homosexuellen Sonderstrafgesetze ganz gewaltig in die Enge trieb. 1996 schaffte seine FPÖ zusammen mit SPÖ, Grünen und LIF (gegen den Widerstand der ÖVP) das Vereinsverbot ab.

Und bei der Abstimmung über das Werbeverbot ermöglichte damals die (zufällige?) Abwesenheit zweier FPÖ-Abgeordneter ebenfalls die Aufhebung.“ Die Abwesenheit mehrerer FPÖ-Abgeordneter habe auch im Sommer 1998 das Ende des §209 StGB eingeleitet, der für schwule Männer eine höhere Altersgrenze vorsah als für Heteros und Lesben.

Letzteres übrigens klingt im Original ein wenig differenzierter:

Bei § 209 hingegen stimmte er mit seiner Partei (mit der einzigen Ausnahme Harald Ofners) gegen die Gleichstellung und wollte die diskriminierende Mindestaltersgrenze für schwule Kontakte nur (von 18) auf 16 Jahre (gegenüber 14 für Heterosexuelle und Lesben) senken. Zwei Jahre später, im Sommer 1998, hätte jedoch in der neuerlichen Abstimmung über § 209 die (zufällige?) Abwesenheit mehrerer FPÖ-Abgeordneter die Abschaffung des Sonderstrafgesetzes mit den Stimmen von SPÖ, LIF und Grünen ermöglicht, wenn die SPÖ damals nicht den Saal verlassen hätte.

Gerüchten über seine eigene Homo-/Bisexualität (denkwürdig etwa die Finocchio-Kampagne der Kärntner ÖVP) ist Jörg Haider stets mit Gleichmut begegnet bzw. hat er dazu vornehm geschwiegen. Nie hat er sie (wie so manch andere) empört zurückgewiesen. Diese menschliche Grösse haben wir ihm – bei aller Gegensätzlichkeit in anderen (menschenrechtlichen)
Fragen – stets hoch angerechnet.

Was bleibt? Eine konservative Partei, die ÖVP, die es mit ihrer Haltung geschafft hat, den Rechten von der FPÖ einen Beitrag zur sexuellen Emanzipation zu ermöglichen. Eine FPÖ, die damit nicht hausieren ging. Und nicht nur ein österreichischer Politiker, der einen Sprung in der Schüssel hat, wie die Erklärung von Haiders Nachfolger als Kärnter Landeshauptmann, Gerhard Dörfler, zum Ableben des Volkshelden beweist:

Die Sonne ist vom Himmel gefallen.

Wann die im Alpenländle wieder aufgeht und welcher Führer dafür wieder auferstehen muss, das fragen Sie am Besten beim Mossad nach. Denn der hat bestimmt auch dabei seine Finger im Spiel gehabt.

7 Antworten zu “Haider: Bekam er Alkohol von hinten eingeflößt?”

  1. diskus 21. Oktober 2008 um 21:25 #

    Gibt es eigentlich in diesem Blog auch Beiträge, wo Schwule/Lesben nicht drin vorkommen? Oder hat eigentlich alles mit Sexualität zu tun?

  2. Damien 21. Oktober 2008 um 22:11 #

    Ja, es gibt hier auch Beiträge, wo Schwule/Lesben nicht vorkommen, obwohl es ein Schwulenblog ist. Hat eigentlich alles mit Sexualität zu tun? Mag sein…

  3. Nichtidentisches 21. Oktober 2008 um 23:08 #

    Also wirklich. Gibt es etwa in der Sexualität etwas, das nicht mit Bloggen zu tun hat? Na also.

  4. diskus 22. Oktober 2008 um 15:55 #

    @ Damien: Könnte ich dafür Beispiele sehen? Ich sehe hier immer nur Beiträge, die auch die abwegigsten Sachen gleich mit dem Etikett „schwul“ versehen.

    @ Nichtidentisches: Genau. Stimmt ja eigentlich. Was frage ich auch so blöd, oder?

  5. checker 23. Oktober 2008 um 03:31 #

    Warum heißt dieses Blog überhaupt Gay West? Gibt’s da auch Beiträge, die nicht im Westen geschrieben werden? Oder findet alles irgendwo im Westen oder Osten statt? Rästel über Rästel…

  6. Damien 23. Oktober 2008 um 08:55 #

    @diskus: So ganz verstehe ich Ihr Problem nicht. Würden Sie sich beim Blog des DFB auch wundern, dass es da andauernd um Fussball geht? Geben Sie doch mal ein Beispiel, wo wir Homosexualität „abwegig“ mit einem anderen Thema verknüpft haben. Der Haider-Beitrag, unter dem Sie Ihren ersten Kommentar gepostet haben, scheint mir kein gelungenes Beispiel. Schließlich hat die „Qualitäts-Presse“ keine Gelegenheit ausgelassen, über Haiders sexuelle Orientierung zu tratschen. Das finde ich abwegig.
    Die von Ihnen gewünschten Beispiele: Am Karfreitag und am Ostersonntag 08 erschienen hier Predigten, wenn Sie ein wenig suchen, finden Sie weitere Beiträge über Gottesdienste, Gebete, wo es auch homofrei zuging. Irgendwann schrieb ich über die Begegnung mit einem „Künstler“, der der Werbepropaganda etwas „entgegensetzen“ wollte. Keine Ahnung, ob der Mann schwul war, im Beitrag spielte es jedenfalls keine Rolle.
    Im Großen und Ganzen aber wird sich auch in Zukunft die Mehrzahl der Beiträge hier irgendwie mit Homokram befassen. Wenn Ihnen das suspekt ist, lesen Sie doch lieber Strickblogs. 😉

  7. diskus 23. Oktober 2008 um 21:04 #

    Was heißt *lieber*? Ich dachte, das hier wäre einer. 8)

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