Berlin ist eine Reise wert: In Kreuzberg sollte man seinen Mercedes nicht mehr parken, weil es ziemlich schnell passieren kann, dass er von linken Revolutionären im Dienste der Arbeiterklasse angezündet wird. Busfahrer, die den Fahrschein kontrollieren wollen, werden schon mal handgreiflich darauf aufmerksam gemacht, dass Fahrscheine sozial deklassierend sind. Und Homos sollten es tunlichst unterlassen, in multikulturellen bzw. den SED/NPD-Vierteln am Stadtrand sich als solche erkennen zu geben, weil es dann schon mal vorkommen kann, dass sozial benachteiligte Jugendliche sich ob ihrer Heterosexualität diskriminiert fühlen und zuhauen. – Ja, Berlin ist toll und gäbe es nicht die vielen Touristen im Zentrum, würde die Stadt an ihrer eigenen Provinzialität und ihrem Mief ersticken.
Am Donnerstag vergangener Woche begab sich nun auch Polizeipräsident Dieter Glietsch in die Stadt, gemeinsam mit seiner Entourage an Leibwächtern. Und wie jeder Tourist kam man um eine Fahrt mit der U-Bahn nicht herum:
An der Dresdener Straße steigt Dieter Glietsch hinab. Der Umsteigebahnhof der Linien 8 und 1 mitten in Kreuzberg steht für die zunehmende Unlust vieler Berliner, ihr weit verzweigtes Nahverkehrssystem zu benutzen. Die U-Bahn gilt als bevorzugtes Revier von Drogenhändlern, und oben, auf den Straßen, wird alle paar Tage ein Busfahrer überfallen.
Nun ist, abgesehen von ein paar Überfällen und Messerstechereien, Berlins U-Bahn erstaunlich sicher. Ein Vergnügen sind die Fahrten aber dennoch nicht, kann man doch bei jeder Fahrt und in den Bahhnhöfen eindrucksvoll studieren, dass sich manche Menschen evolutionär und intellektuell tatsächlich zurück entwickeln:
Noch auf der Treppe erkennt ein Halbwüchsiger den Polizeipräsidenten, er tänzelt ihm hinterher und zeigt seinem Begleiter mit beiden Händen Hasenohren. Eine junge Frau mit Stecknadelkopf großen Augen taumelt ihm entgegen, ein Mann brüllt: „Herr Polizeipräsident, warum wollen Sie uns alle umbringen lassen?“
Die Verwahrlosung und Verdummung in der Hauptstadt nimmt wirklich groteske Züge an. Als ich vor sechs Jahren hier ankam, fand ich Berlin noch geil, super, weltoffen, voll relaxt und dufte. Mittlerweile vergeht kaum ein Tag, an dem ich mich nicht aufregen muss. Was ist passiert? Ist es schlimmer geworden? Oder ich einfach nur spießiger?
Rechts geht es hinaus in Richtung Hasenheide, über die linke Treppe erreicht man den Metrobus M 29 in Richtung Roseneck. Das Verbindungsscharnier zwischen dem von sozialen Problemen gezeichneten Neukölln und dem wohlhabenden Grunewald. Der M 29 hat es zu einem gewissen Bekanntheitsgrad gebracht, seit dort ein Busfahrer Opfer einer Messerattacke wurde. „Ich stech‘ dich ab“, rief einer der beiden Täter und wurde doch nur wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt und nicht wegen versuchten Mordes.
Wer die ganze Linie des M29 abfährt, kann die Vielfalt Berlins am eigenen Leib erfahren. Am Roseneck wird man vom Fahrer angeschnauzt wenn man den Bus betreten will, weil die tariflich abgesicherte Pause noch nicht beendet ist. Willkommen! Bei der Fahrt durch Grunewald, kommt man sich vor wie im Märchenland. Es gibt in Berlin also doch noch Leute mit Geld. Ab S-Bahnhof Halensee wird es „weltstädtisch“. Über den Ku-Damm fährt man an den Boutiquen der Bourgeoisie und einem Haufen auswärtiger Touris vorbei. In diesem Moment, fühlt man sich im besten Sinne globalisiert und als Weltbürger. Den Potsdamer Platz in Sichtweite fährt man in der Nähe des Checkpoint Charlie und der ehemaligen Grenze nach Kreuzberg hinein. Das Springer-Haus steht immer noch und zieht wie eh und jeh den Zorn der Gerechten und ewig Gestrigen auf sich. Es wird zunehmend „multikultureller“: Die Kopftuchdichte nimmt ebenso zu, wie die sprachliche Artikulationsfähigkeit abnimmt. Es genügt, sich die Menschen hier anzuschauen und anzuhören um zu verstehen, warum sie niemals aus ihrem Milieu herauskommen und niemals einen guten Job finden werden. Niemand würde sie einstellen. Und keinem Arbeitgeber kann man dies verübeln.
Auch Dieter Glietsch weiß um die sozialen Probleme im Kiez. Doch man braucht ihm nur zuzuhören um zu begreifen, warum sich daran nichts ändern wird:
„Ich kann verstehen, dass sich kein Busfahrer darum reißt, den M 29 durch Neukölln und Kreuzberg zu fahren“, sagt Dieter Glietsch. „Aber das Gewaltproblem gibt es ja nicht nur in diesen Bezirken.“
Und was die Übergriffe auf Busfahrer angeht: Ist das nicht irgendwie nachvollziehbar? Wir alle wissen doch – siehe oben -, dass die Berliner Busfahrer nicht gerade die freundlichsten sind. Und überhaupt:
Könnte es nicht sein, dass die BVG [Berliner Verkehrsbetriebe] dieses Problem zum Teil selbst zu verantworten hat? Bis 2004 konnten es sich die Fahrgäste aussuchen, durch welche Tür sie einen Bus betreten. „Die Übergriffe gegen die Busfahrer sind nach meinem Eindruck angestiegen, seitdem die BVG angeordnet hat, dass die Fahrgäste nur noch über die Vordertür einsteigen dürfen“, sagt Dieter Glietsch. „Dadurch sind die Fahrer sehr viel häufiger Konfliktsituationen ausgesetzt.“ Das sei eine ökonomische Entscheidung, die BVG spare viel Geld, „doch dafür nimmt sie in Kauf, dass die Busfahrer unter einem sehr viel höheren Druck stehen. Geld sparen und gleichzeitig Sicherheit garantieren, das funktioniert nicht.“
Genau! Lassen wir die Schläger doch einfach hinten einsteigen. Dann könne sie dort nicht den Busfahrer drangsalieren, sondern aus einer Vielzahl an Fahrgästen auswählen, was zweifellos den Druck auf den Einzelnen mindern wird.
Glietschs Fazit hat es denn auch in sich:
„Die Kriminalität in Berlin können Sie nicht abschaffen. Nicht nur weil die Stadt arm ist und unter starken sozialen Spannungen leidet. Daran wird sich auf absehbare Zeit nichts ändern.“ […] „Die entscheidenden Fehler sind in den vergangenen Jahren woanders gemacht worden. Wir haben junge Menschen produziert, die ein nicht akzeptables Verhältnis zur Gewalt und zum Umgang mit der Gesellschaft an den Tag legen. Deswegen muss das meiste Geld auch nicht in die Polizei investiert werden, sondern in soziale Projekte, in Bildung und Schule. Die Polizei kann noch so gut ausgestattet sein, die eigentlichen Probleme wird sie nie lösen können. Wir müssen an die Ursachen ran und nicht die Symptome bekämpfen.“
Ich habe ja nichts dagegen in Bildung und Schule zu investieren, um „die Ursachen“ zu bekämpfen. Aber warum kann man nicht auch den „Symptomen“ mit ein bisschen Repression begegnen? Ich kann mir nicht helfen: Als potentielles Opfer eines Hassverbrechens fühle ich mich schlicht und einfach verarscht, wenn ein Täter nach Verübung seiner Tat, lediglich über den Kopf gestreichelt und dann an die Hand genommen wird um ihn zur Belohnung wieder zu „resozialisieren“. Da halte ich es dann doch lieber mit meiner Oma: „Strafe muss sein!“
Andererseits führt Gewalt ja zur Gegengewalt und Schläger üben lediglich Gesellschaftskritik. Das muss man dann schon verstehen…
Doch seien wir nicht zu muffelig. Berlin ist eine Reise wert. Wenn man folgende kleine Ratschläge beherzigt:
1. Sie wollen in Kreuzberg Ihren Benz parken, ohne, dass er abgefackelt wird? Nehmen Sie doch einfach ein Taxi! Ein Benz in Kreuzberg provoziert doch nur unnötig!
2. Sie möchten nicht, dass Passagiere in Ihren Bussen schwarz fahren? Wenn Sie keine körperlichen Schäden davon tragen wollen, fragen Sie doch bitte nicht nach dem Fahrschein! Das provoziert doch nur unnötig!
3. Sie möchten Ihren Freund am Kottbusser Tor küssen, ohne zusammengeschlagen zu werden? Lassen Sie das doch bitte! Es gibt doch noch soviel andere schöne Orte zum Küssen. Ihre Wohnung (bei geschlossenen Gardinen) zum Beispiel. Alles andere provoziert doch nur unnötig!
„Strafe muss sein“ – Glaubst du nicht, dass das Besuchen eines Anti-Gewalt-Kurses, der aus Tätersicht von irgendeiner Weichei-Psycho-Schwuchtel geleitet wird, nicht viel mehr Strafe ist das als im Knast zu sitzen und dadurch erst richtig Ghetto und richtig cool zu werden?
Ich hab nichts gegen Anti-Gewalt-Kurse. Aber bitte so organisiert, dass der Klient währenddessen nicht frei rumläuft.
Ganz meine Meinung… bin auch nicht dafür, dass Straftaten „gutgeredet“ werden und Täter zu Opfern, aber Prävention muss auch ihren Stellenwert haben.
Das habe ich ja auch nirgendwo bestritten.
Naja, Berlin ist immer noch die geilste Stadt Deutschlands, mangels echter Alternativen. Und was solls- in einigen Jahren wird die Politik gewisse Dinge schon aufgreifen, keine Sorge. Aus meinem schwulen Bekanntenkreis wählt jedenfalls keiner mehr die Grünen…
wasfür ein (größtenteils) dummer und überflüssiger beitrag…
ich bin auch zugezogen, aber im gegensatz zu dir scheine ich dieser stadt gewachsen zu sein…
@ fronque
Danke für die Blumen. Es freut mich immer wenn Menschen durch meine Texte in die Lage versetzt werden, ihre Emotionen voll authentisch rauszulassen.
Und was soll überhaupt heißen ich wäre dieser Stadt nicht gewachsen? Man, ich habe Erde gegessen und im Schnee geschlafen, tief in den Wäldern von Mecklenburg, umgeben von feindlichen Mücken und Ameisen, geplagt von Dixi-Klos und Trockenkeksen. Wenn ich will, kaue ich die Stadt drei Mal durch und spuck sie anschließend in den Rinnstein.