Die Freude im Gefolge von Proposition 8 mag hoch sein, aber was sich in der Nacht des 14. November in San Franciscos Castro-Distrikt abgespielt hat, erntet bei mir Kopfschütteln, Unverständnis und erzeugt ein Gefühl der Beklemmung nebst Gänsehaut:
Betende Christen, welche die „Anwesenheit Gottes„, in den Stadtteil bringen wollten,
genauer gesagt also evangelikale „Christen“,
die in den 70er Jahren mit Anita Bryant verantwortlich waren für den Slogan „Töte einen Schwulen – für Jesus“,
die bis heute moralisch mitverantwortlich sind für homophobe Hatecrimes,
die zahlreiche homosexuelle Jugendliche mit ihren Pamphleten in den Tod getrieben haben,
die Homosexualität gerne wieder verboten sähen,
die allen ihr Christsein absprechen, die nicht „auf Linie“ sind,
die, nachdem sie Aids jahrelang als „Strafe Gottes“ bezeichnet haben, für ihre Propaganda ausgerechnet vor dem Denkmal für einen verstorbenen Aids-Aktivisten aufmarschieren,
„Christen“ also, die auch den Schwuchteln endlich von der Liebe Gottes erzählen wollten, die sie erfahren würden, wenn sie sich endlich bekehrten, während man sie anderenfalls eventuell erschlagen müsse,
diese „Christen“ also, die sich von protestierenden Homos die schlimme Beleidigung „Shame on you“ anhören mussten,
wurden unter Polizeischutz aus dem Castro geleitet, umringt von einer aufgebrachten Menge Schwuler und Lesben.
Gruselig, wozu „Christen“ fähig sind.
Sie können froh sein, dass es ihnen nicht ebenso erging wie 1969 den Polizisten in der Christopher Street. Verdient hätten sie es.
bitter, und irgendwie unfassbar, dass die anity bryants doch immer wieder ihr unsägliches unwesen treiben. erfreulich, dass kreative formen friedlichen protests zahlreicher werden.
Ein guter jüdischer Freund von mir meinte mal, er würde immer noch „auf gepackten Koffern“ sitzen, um irgendwann raus aus Deutschland zu gehen. Ich habe ihm immer gesagt, dass das unsinnig sei. Aber in letzter Zeit denke ich, ein gepacktes Set an Koffern wäre für mich und meinen Freund vielleicht auch nicht schlecht.
Er meinte jedoch immer, er wolle in die USA. Nur, wo sollten wir dann hingehen?
Bleibt wohl nichts anderes übrig, als für unsere Rechte zu kämpfen. Ist eigentlich auch die bessere Wahl.