Wer hätte gedacht, dass sich der Rezensent eines Films über den Komponisten Benjamin Britten, derart in Rage schreiben kann, wobei diese Rage allerdings – wie es sich für einen Freund der Klassik gehört – äußerst vornehm daherkommt. Erik Daumann belegt auf klassik.com erneut, die vielfältigen Facetten, derer, die zwar nichts gegen Schwule haben, aber unbedingt sagen wollen, was endlich mal gesagt werden muss:
Benjamin Britten war schwul, und das war gut so. Aber auch für Britten selbst? Seine Lebens- und Liebesbeziehung mit dem Tenor Peter Pears war, gesetzlich betrachtet, bis zum Ende der 60er Jahre verboten.
Ein merkwürdiger Einstieg, dem es ein wenig an Logik mangelt. Denn hätte Britten seine sexuelle Orientierung nicht für „gut“ befunden, wäre er dann eine „Lebens- und Liebesbeziehung“ eingegangen? Müsste der Satz also nicht vielmehr lauten:
Benjamin Britten war schwul, und das war gut so. Der Staat sah das allerdings nicht so. Die Lebens- und Liebesbeziehung Brittens mit dem Tenor Peter Pears war, gesetzlich betrachtet, bis zum Ende der 60er Jahre verboten.
Und was soll eigentlich der Einschub „gesetzlich betrachtet“? Will uns Herr Daumann damit suggerieren, die Gesellschaft an sich hätte auch damals schon nichts gegen Homosexualität gehabt? Vermutlich würde Daumann auf diese Frage mit einem klaren „Ja“ antworten. Denn wer könnte was gegen Schwule haben, solange diese das Thema nur schön diskret behandeln…
Ganz anders als diskret, sieht es nämlich heute aus:
Die inzwischen geradezu ins Groteske verzerrte, total übersättigte Präsenz und Penetranz des Themas Homosexualität in all ihrer Plakativität lässt heute kaum mehr daran denken, welchem Druck ein Künstler wie Britten ausgesetzt gewesen sein muss, als Homosexualität noch unter Strafe stand. Jeder wusste von seiner sexuellen Neigung (immerhin wurden Britten und Pears 1953 ob ihrer Homosexualität zum Verhör zitiert), doch herrschte nobles Stillschweigen.
Ein solch unschuldig daherkommender Zynismus kann nur von einem Hetero kommen, der sich der übersättigten Präsens und Penetranz des Themas Heterosexualität nicht bewusst ist und der nicht wissen will, dass das „noble Stillschweigen“ durch Verhöre und Verhaftungen von Schwulen inklusive Razzien in einschlägig bekannten Etablissements, durch Elektroschocktherapien, sowie beruflicher und sozialer Ausgrenzung erkauft wurde.
Vielleicht haben wir es aber auch mit einem heimlichen Homo zu tun, der sein nicht erfülltes Verlangen Schwänze zu lutschen dadurch kompensiert, seine fulminanten Tiraden gegen all jene, die nicht nobel stillschweigen, in die Schreibtastatur zu ejakulieren.
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