Unterwegs mit Pussiefickern

9 Mär

Das Berliner Nachtleben soll ja bekanntlich das Schrillste der Republik sein. Am Wochenende kulminiert das Ganze in einer Orgie des Hedonismus. Der Nahverkehr auf Schienen und Rädern fährt die ganze Nacht, der Alkohol fließt in Strömen, Restaurants, Bars, Theater, Kinos, Diskos, etc. sie alle laden ein zum fröhlichen Vergnügen.

Mittlerweile lebe ich lange genug in der Stadt um einen signifikanten Unterschied zwischen dem Nachtleben am Freitag- bzw. Samstagabend festzustellen. Wann immer ich mich vom gediegenen Schöneberg nach Hause begebe – sei es nun mit U-Bahn oder Bus – muss ich am Alexanderplatz umsteigen um mit der Tram weiter Richtung Sibirien zu fahren. Da ich nicht mehr ganz so jung bin wie früher – und außerdem gerne schlafe -, passiert das in der Regel so nach Mitternacht, dann also wenn es noch dunkel ist. Die Reise nach Hause verläuft dabei sehr unterschiedlich:

In der Nacht zum Sonntag scheint die bürgerlich gehobene und linksliberal grüne Intelligenz unterwegs zu sein. Es ist ein wenig lauter als sonst, aber durchaus locker und entspannt. Das Kotzen in der Bahn und machohafte Schlampensprüche sind dann auf ein Minimum reduziert.

Ganz anders Freitagnacht. Offensichtlich ist ganz  Marzahn plus Hohenschönhausen, Lichtenberg und Hellersdorf unterwegs. Die Stimmung ist weitaus aggressiver, das Make-up dicker, die Blondierung stärker, Hundehalsketten goldener, der Wortschatz minimal, Fäkalausdrücke dafür reichlich vorhanden. Den Frauen sieht man förmlich an, dass sie die Antibabypille  – wenn überhaupt – nur benutzen um zu wissen, welcher Wochentag gerade ist und die Männer lachen nie und Leben zeichnet sich in ihren Augen nur dann ab, wenn sie in ein üppiges Dekolleté schauen. Ein übliches Begrüßungsgespräch sieht geschlechtsunabhängig ungefähr so aus:

„Ey, Alter man, lange nicht gesehen.“

„Ja, voll Alter!“

„Ey, setz dich, Alter, setz Dich! Was gibt’s Neues, Alter?“

„Och, nix Neues, Alter, der übliche Scheiß man.“

Ja, Sie haben richtig gelesen. Auch Frauen titulieren sich mit „Alter“. Das hat nichts mit der Begeisterung über das Patriarchat oder einer Rebellion gegen weibliche Geschlechterrollen zu tun, sondern ist einer Fehlfunktion des Schulunterrichts geschuldet, die sich dann mittels Sozialisation hin zu Sprachdefiziten summiert.

Üblicherweise schaltet Adrian während solch unüberhörbarer Gespräche auf Durchzug und versucht, sich nicht emotional in den Kreis der Hölle hineinziehen zu lassen. Letzten Freitag sah das aber ein wenig anders aus. Mir ging es nicht ganz so gut, da irgendwelche Bakterien Party in meinem Rachen feierten, mein Gemüt hatte also noch weniger Aussicht als sonst, ob der geistreichen Jugendkommunikation aufgehellt zu werden. Und so machte ich zum ersten Mal in meinem Leben bei der Bagage mit und bezeichnete einen Sitznachbar, nachdem der seinem Kumpel nahe gelegt hatte, sich nicht wie eine Schwuchtel aufzuführen, als „Pussieficker“.

Erstaunlicherweise passierte gar nichts – mein Blick muss so irre gewesen sein, dass die Brut tatsächlich die Klappe hielt –  und erst als die Stehpinkler an der nächsten Haltestelle ausstiegen, wagten sie es, mir von außen durch die Glasscheibe voll mutig den Stinkefinger zu zeigen und „Arschficker“ nachzurufen. Eine solche Bezeichnung ist natürlich nur gerecht, da nichts weiter als ein konsequentes Äquivalent zu meiner Wortwahl, aber immerhin: die haben angefangen…

Stolz bin ich auf diese Episode nicht, auch wenn es gut tut, sich nicht jeden Schrott bieten zu lassen. Aber „Pussieficker“, nein, das geht eigentlich gar nicht, das ist so lapidar und unoriginell und reproduziert doch eigentlich nur den Geist der Prolls. Ich will Heteros gar nicht beleidigen –  immerhin können sie ja nichts für ihren merkwürdigen Lebensstil -, aber wenn man denn doch mal Paroli bieten will und die Fahrt nicht lang genug ist, um den Leuten einen Vortrag über Moral und Homosexualität zu halten, muss es doch bessere linguistische Möglichkeiten des Schlagabtausches geben.

4 Antworten zu “Unterwegs mit Pussiefickern”

  1. ondamaris 9. März 2009 um 19:16 #

    lach …
    schöne glosse 🙂
    relaxtes ausgehen geht m.e. eigentlich nur noch in der woche … auch wenn man in schöneberg wohnt …

  2. Steven 9. März 2009 um 21:32 #

    Ich erbitte für meine alsbald anstehende Reise nach Berlin PERSONENSCHUTZ!!!

    • Adrian 10. März 2009 um 17:31 #

      Wie war das denn bei deinem letzten Besuch?

  3. Steven 10. März 2009 um 21:32 #

    Da haben mich starke (und attraktive) Männer wie René, Claus und Ulli beschützt.

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