San Franciscos Sündenbock

8 Apr

Auch wenn es zuweilen Spaß macht sich über linke Schwulenbewegte lustig zu machen – heißen sie nun Rosa von Praunheim oder „Apfelmaik“ -, ist es doch immer nur dann angebracht, wenn es angebracht ist. Nicht der Fall ist dies bei der Kritik, die Stephen H. Miller an San Franciscos Bürgermeister Gavin Newsom übt. Newsom ist ein Progressiver par excellence, der das konservative Amerika leicht auf die Palme bringen kann: ein Anhänger der Klimakatastrophe, der Reduzierung von Schusswaffen und eben auch der Homo-Ehe.

Er war es, der im Jahr 2004 Schwulen und Lesben per Verordnung erlaubte, sich in San Francisco trauen zu lassen. Er weiß was er an der Community der Stadt hat. Was das Thema Eheöffnung angeht, ist Newsom ein Verbündeter. Das er in anderen Fragen „zu links“ ist, sollte doch dann keine Rolle spielen, oder? Nicht für Miller.

Anlass seiner kleinlichen Moserei ist die Ehrung Newsoms durch die National Gay & Lesbian Task Force, für dessen Eintreten in Fragen der Gleichberechtigung. Miller kann das augenscheinlich nicht verstehen. Und warum? Wegen Frank Schubert.

Frank Schubert, ein Gegner der Homo-Ehe, zeichnet verantwortlich für einen Kampagnenfilm, dem er zugute hält, entscheidend für den Erfolg von Proposition 8 gewesen zu sein, jenem Volksentscheid also, der Schwulen und Lesben in Kalifornien das Eherecht wieder entzog. Für diesen mutigen Kampf gegen die Homolobby wurde Schubert nun in Washington D.C. ausgezeichnet:

Schubert and his crew were honored at the American Association of Political Consultants‘ annual meeting in Washington, D.C., for their successful fight to pass Proposition 8 in November, which banned same-sex marriage in California.

Schubert acknowledged that half the crowd at the Gaylord hotel ballroom didn’t agree with his stance.

Still, he was happy to give the political pros from across the country a 45-minute seminar on his victorious campaign, where he was asked: „How did you come from 14 points behind in the polls and win?“

Well, Schubert explained, they were very disciplined, they had tremendous support from the faith community and they had „a gift from God: Gavin Newsom.“

Und was hat Newsom nun genau gemacht? Schauen wir uns doch einmal das Werk Schuberts an:

Das Publikum jedenfalls zeigte sich ob des Filmes äußerst amüsiert:

Whereupon Schubert showed the same-sex-marrying San Francisco mayor delivering his infamous „it’s gonna happen, whether you like it or not“ line that became the anchor for Schubert’s TV campaign.

The place exploded in laughter.

Sehr lustig, fürwahr! Auch wenn ich diesen Humor nicht verstehen kann. Denn Newsom hat Recht! Die Eheöffnung wird es geben! Früher oder später, auch in Kalifornien, und zwar unabhängig davon ob es den Gegnern nun gefällt oder nicht. Es ist grotesk, wie Newsom für diese Worte quasi zum Verantwortlichen für das Scheitern von Proposition 8 gestempelt wird, noch grotesker ist allerdings, dass Stephen H. Miller auf diesen Zug aufspringt:

Like many on the left, Newsom gets credit for standing up for marriage equality, but he did so in a way that spoke to the gay community and our supporters, while letting opponents of same-sex marriage know just what he thought of them.

Und das ist natürlich unverzeihlich. Denn wenn man eines nicht darf ist es, den Gegnern der Eheöffnung zu sagen, was man von ihnen hält.

That didn’t work out so well in the end, did it. But it’s the mindset of today’s progressive activism, which directs its energy inward on group affirmation rather than outward on constructive engagement with those who see the world through a very different lens.

Man darf Herrn Miller daran erinnern, dass die Entscheidung in Kalifornien äußerst knapp war und dass, wäre es anders gekommen, Newsoms Aussage jetzt wahrscheinlich als Prophezeiung gefeiert würde. Ihn und die „Progressiven“ aber quasi zu Sündenböcken zu machen ist absurd.

Denn die Kampagnen für die Beibehaltung des Ehestatus waren konstruktiv, gut durchdacht und wohlüberlegt. Jedem, der die Schlacht verfolgt hat, wurde vor Augen geführt, dass es eben mal wieder die Gegenseite war, die sich in Populismus, Vorurteilen und geradezu aberwitziger Logik verstiegen hat. Ihre Weltsicht ist allzu bekannt und für konstruktive Argumente nicht zugänglich: Der Homosexuelle ist die größte Gefahr auf diesem Planeten. Punkt!

Und auch wenn die Schwulenfeinde heute nicht mehr so zahlreich sind und oberflächlich intelligenter daherkommen: An diesem Kern ihrer dümmlichen Phrasen und Vorurteile hat sich nichts geändert.

8 Antworten zu “San Franciscos Sündenbock”

  1. Steven 8. April 2009 um 22:19 #

    Von diesem Preisverleiherverein habe ich noch nie etwas gehört. Wer wird von denen denn sonst noch so ausgezeichnet? G W Bush, oder bin Laden? Die beeinfluss(t)en doch auch die öffentliche Meinung massiv.

    Dass Newsom für die Abstimmungsniederlage verantwortlich gemacht wird, lese ich nun auch zum ersten Mal. Irgendwie scheint Miller doch ein wenig von Schubert angesteckt worden zu sein.

  2. Adrian 8. April 2009 um 22:36 #

    Nun, das Beeinflussen der öffentlichen Meinung ist ja ein legitimes Anliegen. Das versuchen wir doch auch.

  3. Steven 8. April 2009 um 22:48 #

    @ Adrian:

    Das ist richtig, aber die Methoden der genannten Herren sind unethisch.

  4. Steven 9. April 2009 um 21:28 #

    Legal, nicht legitim!

  5. Maik B. 12. April 2009 um 17:09 #

    Ich finde es ja sehr schmeichelhaft, dass Sie mich mit Rosa von Praunheim in einem Atemzug erwähnen.
    Allerdings muss ich sagen, dass ich kein linker Schwulenbewegter sondern einfach nur ein linker Schwuler bin.

  6. Adrian 13. April 2009 um 21:31 #

    @ Apfelmaikchen
    Es freut mich, dass Sie sich geschmeichelt fühlen mit Frau von Praunheim in einem Satz zu stehen. Manche Menschen brauchen eben nicht viel, um ihr Ego aufzubauen.
    Allerdings versteh ich nicht, dass Sie mich hier siezen. Ist das nicht zu konservativ-bürgerlich? Rosa würde sich schämen…

  7. Maik B. 23. April 2009 um 15:45 #

    Mein Ego braucht eigentlich keine Aufbauarbeit mehr.
    Dass Rosa durchaus einiges geleistet hat, wird man ja nicht bestreiten können.
    Trotzdem würde ich vieles von dem, was sie tut oder getan hat niemals machen.

    Ich esse z.B. keine Kuheuter, trage diese auch nicht in Gummiform auf dem Kopf.

    Und ich duze NIEMANDEN, den ich nicht näher kenne oder mit dem ich nicht so viel gemein habe, dass ich davon ausgehen könnte, dass ein vertrauliches DU angebracht ist.

    Das könnte man sicherlich konservativ-bürgerlich nennen.
    Ich würde es allerdings eher als zivilisiert bezeichnen.
    Man sollte nicht die Form mit dem Inhalt verwechseln.

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