Es war im Frühjahr 2004, da erklärte Tjark Kunstreich in der antideutschen Zeitschrift Bahamas:
Entgegem landläufigem Vorurteil war Foucault autoritär, Adorno hingegen keineswegs homophob.
Ersteres zu beweisen, ist ebenso notwendig wie im Text gelungen. Zweiteres jedoch misslang. Kunstreichs Hinweis, Adorno selbst kennzeichne,
daß seine Nachempfindung Grenzen hat, die ihm ein Urteil unmöglich machen
habe ich implizit bereits hier hinterfragt. In der kürzlich erschienenen Golo-Mann-Biographie findet sich nun ein weiterer Hinweis darauf, dass Adorno durchaus homophob war.
Adorno und Horkheimer hätten
so Golo Mann,
zweimal durch Interventionen beim Hessischen Kultusminister verhindert, dass an ihn ein Ruf an die Universität Frankfurt erging. Einmal mit unklaren persönlichen Verleumdungen, ein anderes Mal mit dem Vorwurf, Mann sei „heimlicher Antisemit“. (Tilmann Lahme: Golo Mann. Biographie. S. 288)
Unklare persönliche Verleumdungen? Adorno habe,
um Manns Berufung zu verhindern, „dirty stories about me“ (289)
erzählt.
Jahre später notierte Golo Mann nach einem Gespräch mit Joseph Breitbach im Tagebuch, Adorno habe die zuständigen Leute in Frankfurt, etwa den Oberbürgermeister Werner Bockelmann, über seine „Sitten“, seinen „Lebenswandel“ informiert („mes moeurs“ heißt es in der französischen Passage), um seine Berufung zu verhindern.
Herbert Heckmann hat später nachdrücklich versichert, er habe einmal im Frankfurter Verlagshaus von S. Fischer in kleiner Runde von einem erstaunten Kultusminister Ernst Schütte einen Brief gezeigt bekommen, in dem es hieß, Golo Mann sei homosexuell und damit untragbar als Lehrer der akademischen Jugend. (…) Marcel Reich-Ranicki hat berichtet, ihm habe Golo Mann erzählt, dass Adorno und Horkheimer mit dem Hinweis auf seine Homosexualität einen Ruf nach Frankfurt hintertrieben hätten. Reich-Ranickis Einschätzung der Affäre: „Sie haben zwar mit seiner Homosexualität argumentiert, aber eigentlich wollten sie keinen Mann als wichtigen Professor in Frankfurt haben, dem man keinerlei Nazi-Vergangenheit nachsagen konnte. (…) Er war ein völlig unabhängiger Mann mit einem großen Namen. Adorno und Horkheimer wollten regieren und auf keinen Fall einen solchen Mann neben sich haben. (289/290)
Von wegen, Mann sei ein heimlicher Antisemit. Adorno war offenbar ein überhaupt nicht heimlicher Denunziant. Denn was sonst als sexuelle Denunziation wäre das hier Berichtete?
Und so bleibt am Ende von dem großen Denker wenig mehr als der verständliche Wunsch nach Beachtung, der mittels unlauterer Mittel Realität werden sollte sowie der Ekel vor den Schwulen. Also vor sich selber?
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