We don’t need no education

20 Jun

Litauens Parlament hat Informationen über Homosexualität an allen Schulen des Landes verboten. 67 Abgeordnete der Seimas stimmten bei drei Gegenstimmen und vier Enthaltungen für das Gesetz. Das Verbot umfasst neben Schulen auch alle anderen öffentlichen Einrichtungen, zu denen Kinder und Jugendliche Zugang haben.

Bei einer Abstimmung in der Vorwoche hatte das Parlament nur mit knapper Mehrheit einen wesentlich schärferen Gesetzentwurf abgewiesen, der sogar Haftstrafen von bis zu drei Jahren für das „Propagieren von Homosexualität“ vorsah.

Die Begründung ist durchaus kreativ:

„Die Entscheidung der Seimas ist gut. Eine Möglichkeit der Beeinflussung von Kindern pro Homosexualität ist damit verboten“, sagte die Konservative Vilija Aleknaite-Abramikiene der „Baltic Times“. Ihr verwegenes Argument: Das Gesetz schaffe Ausgeglichenheit, da ja auch verboten sei, „schlechte Gefühle zur Homosexualität zu diskutieren“. Es sei ein demokratischer Ausgleich zwischen der Mehr- und der Minderheit.

Wo bitte wirkt diese Regelung ausgleichend? Und das mit dem Kinderschutz ist doch auch nicht die ganze Wahrheit:

„Wir bevorzugen ein Familienmodell, das traditionell ist, aber wenn Eltern eine solche Propaganda lehren wollen, sollen sie das tun“, sagte Aleknaite-Abramikiene und fügte hinzu: „Aber durch unsere Verfassung stehen Kinder unter Schutz.“

Wieso gilt Kinderschutz nur für heterosexuelle Kinder?

„Jeder könnte Opfer dieses Gesetzes sein“, sagte Henrikas Mickevicius, Direktor des Instituts für Menschenrechte in Vilnius. „Es enthält keine Definition und sagt nicht, was strafbar ist“. Zudem enthalte es „familiäre Werte“, jedoch wisse niemand, was damit genau gemeint sei.

Die fehlende Definition wird Absicht sein. Der Terminus „familiäre Werte“ jedoch markiert einen Ansatzpunkt für die Arbeit zur Abschaffung des Gesetzes. Denn wenn die Realität von schwulen und lesbischen Familien eines Tages auch in Vilnius angekommen ist, widerspricht sich das Gesetz selbst. Bis dahin bleibt die Hoffnung, dass die öffentliche Diskussion über die sexuelle Orientierung von Politikern ihren Teil dazu beiträgt, dass Homosexualität nicht länger totgeschwiegen werden kann:

Die Homophobie in Litauen hatte sich jüngst im Vorfeld der Wahl des Staatspräsidenten gezeigt: Die früheren EU-Kommissarin und spätere Wahlgewinnerin Dalia Grybauskaite wurde im Wahlkampf mehrfach öffentlich mit der Frage konfrontiert, ob sie lesbisch sei. Grybauskaite wird im Sommer Amtsinhaber Adamkus ablösen.

Vielleicht hilft ein Antrittsbesuch in Island. Der selbstverständliche Umgang der dortigen Regierungschefin Johanna Sigurdardottir mit ihrer Homosexualität sorgte – nach Interventionen von Lesern – bereits für eine Veränderung in der Berichterstattung in der Welt und gibt Anlass zum Optimismus auch für andere Teile der freien Welt. Warum nicht auch in der Politik?

Eine Antwort zu “We don’t need no education”

  1. Uwe Richard 23. Juni 2009 um 08:50 #

    In unserer westlichen Welt ist Realpolitik ─ die Politiker wollen ja gewählt werden und Zeitungen wollen verkauft werden ─ stets ein Spiegel der Gesellschaft, also Reaktion.

    In diesem Sinne wundert mich weder die Änderung der Überschrift in der »Welt«, noch das Gesetz in Litauen.

    Uwe Richard

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

%d Bloggern gefällt das: