Die Freiheit zu lieben

11 Sept

Der britischer Premierminister Gordon Brown ist dem Aufruf einer Initiative gefolgt, und hat sich im Namen des britischen Staates posthum beim Mathematiker Alan Turing entschuldigt, jenem Mann also, der einen entscheidenden Beitrag zum Sieg seines Landes über Nazi-Deutschland geleistet hat, und zum Dank dafür, wegen seiner Homosexualität, in den Selbstmord getrieben wurde:

Brown meint, ohne Turings „außerordentlichen Beitrag“ wäre der Zweite Weltkrieg möglicherweise anders verlaufen. Es sei Menschen wie Alan Turing zu verdanken, dass der Holocaust und der totale Krieg Teile der europäischen Geschichte und nicht der Gegenwart seien.

Vor diesem Hintergrund sei es um so entsetzlicher, dass Turing 1952 wegen seiner Homosexualität verurteilt wurde. Turing war vor die Wahl gestellt worden, ins Gefängnis zu gehen oder sich einer chemischen Kastration durch eine Reihe von Hormonspritzen zu unterziehen. Zwei Jahre später nahm sich Turing das Leben.

Man erinnere sich daran, dass das Gesetz gegen Homosexualität das Resultat eines demokratisch verfassten Staates war:

Auch wenn der Mathematiker nach den damals geltenden Gesetzen behandelt worden sei und die Zeit nicht zurückgedreht werden könne, müsse gesagt werden, dass absolut ungerecht mit ihm umgegangen worden sei.

Auch die Demokratie als Staatsform schützt den Einzelnen eben nicht vor der Machtanmaßung der Mehrheit, wenn diese glaubt legitimiert zu sein, in die individuellen Lebensweisen eines Menschen eingreifen zu dürfen. Für den einzelnen Schwulen spielt es keine Rolle, ob er verhaftet wird, weil ein Diktator oder die Mehrheit der Bevölkerung dies für rechtens erachtet.

Individuelle Rechte haben keine Verhandlungsmasse irgendeines Gemeinwesens zu sein. Niemals und nirgendwo.

5 Antworten zu “Die Freiheit zu lieben”

  1. Kim 11. September 2009 um 12:23 #

    …jener Turing, der einer der wesentlichsten Väter des modernen Computers war.

  2. goddamnedliberal 11. September 2009 um 13:12 #

    „Auch die Demokratie als Staatsform schützt den Einzelnen eben nicht vor der Machtanmaßung der Mehrheit, wenn diese glaubt legitimiert zu sein, in die individuellen Lebensweisen eines Menschen eingreifen zu dürfen.“

    In Großbritannien hätte man sich vielleicht dazu herablassen sollen, die eigene Demokratie auch als Produkt der franz. Revolution und weniger als Ergebnis irgendwelcher mittelalterlicher Bullen zu begreifen (das gleiche Wahlrecht wurde in England erst im 19. Jh. nach und nach eingeführt, z. T. sogar mit Rückstand gegenüber Deutschland). Dann hätte man vielleicht – wie andere europäische Staaten auch (z.B. Belgien, Niederlande, Italien) – die Bedeutung der Privatheit im franz. Code Penal schätzen gerlernt. Frau Thatcher hielt es ja noch zum Jubiläeum 1989 für nötig, die Welt darüber zu belehren, dass die Demokratie allein auf ihrer Insel geboren sei. Die Dame war (zufälligerweise?) übrigens auch ziemlich homophob…

  3. Adrian 11. September 2009 um 13:17 #

    Diese Recht auf Privatheit ist genau jene Einschränkung der Demokratie, genau jenes Abwehrrecht gegenüber dem Staat/der Mehrheit, dessen Sinn du vorher so hartnäckig in Frage gestellt hast.

  4. goddamnedliberal 11. September 2009 um 13:47 #

    Das Recht auf Privatheit ist keine Einschränkung, sondern ein notwendiger Bestandteil der Demokratie. Nicht irgendwelche Volksmassen aus irgendwelchen Massenschlafsälen bedrohen in der Regel den Einzelnen, sondern angemaßte klerikale, ökonomische und bürokratische Eliten. Der Einzelne ist nämlich in der Regel ziemlich schwach.

  5. Adrian 11. September 2009 um 14:06 #

    „Das Recht auf Privatheit ist keine Einschränkung, sondern ein notwendiger Bestandteil der Demokratie.“

    Kommt eben drauf an, wie man Demokratie definiert.

    Was du jetzt allerdings gegen bürokratische Eliten hast, ist mir schleierhaft. Dein sozialdemokratisches Staatsverständnis bedingt doch eine bürokratische Elite geradezu.

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