Über den gescheiterten Versuch, den Islam vor der Homophilie der deutschen Konservativen zu retten

6 Okt

Das europäische Modell der Persönlichkeitsentwicklung gibt es in der muslimischen Kultur nicht.

Mit diesen Worten zitiert Claudia Keller im Tagesspiegel Necla Kelek. Die Botschaft Keleks verfälscht übersetzt Keller mit:

Wer an Allah glaubt, tickt nicht richtig.

Als Beleg dafür, dass Kelek eine böse Rassistin sei – wie im Übrigen jeder, der es wagt, Kritik an Moslems zu üben -, führt Keller ausgerechnet den historisch unterbelichteten arabischstämmigen Edward W. Said an. Der habe

nachgewiesen, dass die Europäer in den immer gleichen Klischees denken, wenn es um Muslime geht.

Ob es helfen würde, Keller darauf hinzuweisen, dass die von ihr den Europäern zugeschlagene Kelek selbst türkischstämmig ist?

Neben Kelek bekommt selbstredend auch Seyran Ates eine Breitseite ab. Die hatte auf Welt Online erklärt, warum sie am 27.9. nicht die Grünen wählt:

Bei den Grünen begegnet man den meisten Kopftuchträgerinnen und VerteidigerInnen des Kopftuchs, den meisten Kulturrelativisten und Multikulturalisten. Den meisten Grünen ist sehr schwer zu erklären, warum ein eigener Straftatbestand Zwangsheirat so wichtig ist, und dass Ehegattennachzug für Frauen ohne Deutschkenntnisse selten einen Segen darstellt. Bei der doppelten Staatsbürgerschaft sind die Grünen schon mal eingeknickt, und von Parallelgesellschaften will ein Grüner selten was hören. Eine kritische Diskussion über Moscheebauten kann den einen oder anderen Grünen sehr aggressiv machen.

Demzufolge traue ich den Grünen am wenigsten zu, eine der größten Herausforderungen unserer globalisierten Welt zu bewältigen, nämlich das weitestgehend friedliche und zufriedene Zusammenleben von vielen verschiedenen Kulturen und Religionen auch in unserem Land.

Diese komplexe Argumentation war für Keller offensichtlich zuviel. So reduziert sie Ates‘ Argumentation auf die Sache mit dem Kopftuch und unterstellt ihr Dinge, die sie nie gesagt hat:

Dass Frauen aus eigener Entscheidung das Tuch umlegen, hält die Frauenrechtlerin nicht für möglich.

Dann allerdings toppt sie den üblichen Rassismus- und Nazi-Vorwurf gegen Freunde einer tatsächlich multikulturellen Gesellschaft mit dem, Ates sei in Wirklichkeit eine geistige Erbin der Linken:

Damit steht sie in bester Tradition der politischen Linken, die die vermeintlich rückständigen Muslime in leiser kolonialer Weise zum besseren, fortschrittlichen Menschen erziehen wollen.

Wer hätte schon einmal einen solchen Unsinn gehört? Wer schließlich, wenn nicht die politische Linke, wird denn heutzutage nicht müde zu betonen, dass man bei Moslems gefälligst jede Rückständigkeit zu akzeptieren habe? Und wieso eigentlich vermeintlich rückständig? Als wie fortschrittlich will uns Keller das Tragen von Kopftüchern verkaufen? Überhaupt scheint sie den aktuellen Diskurs in der politischen Linken nicht zu kennen. Wie sonst käme man auf solche Behauptungen?

Religiosität ist für Linke etwas heillos Vorgestriges,

schreibt Keller, deren Informationsstand dem der 70er Jahre zu entsprechen scheint.

Dass sich der erträumte Multikulti-Türke als frommer Bartträger entpuppt, der nicht zum Christopher-Street-Day geht, ist eine herbe Enttäuschung.

Hat Keller schon einmal von dem Verständnis gehört, mit dem ein Großteil des linken politischen Establishments auf türkisch- und arabischstämmige, anislamisierte Migrantenjugendliche reagiert, wenn diese Schwule zusammenschlagen?

Im Grunde genommen weiß Keller von dem Konflikt zwischen dem Islam und der modernen Gesellschaft. Wie sonst könnte sie solche Sätze schreiben?

Der Islam bedroht die 1968 auch gegen die Kirchen mühsam erkämpften Errungenschaften: die Freiheit, das Leben selber zu gestalten, die Entzauberung der Autoritäten, die Befreiung der Frau aus den alten Zwängen und der Homosexuellen aus der Strafbarkeit ihrer Liebe.

Doch nicht nur die – von ihr völlig falsch eingeschätzten – Linken hat Keller im Visier. Auch konservative Christen wollen noch nicht zum Islam konvertieren und bekommen daher ihr Fett weg:

Konservative Kirchgänger sind davon überzeugt, dass das Christentum die wahre und bessere Religion ist.

Wohingegen der Islam tolerant ist? Ach nein:

Der Islam aber ist kämpferischer, aggressiver, steht fester im Glauben.

Andererseits muss der Islam in Deutschland schon ziemlichen Einfluss haben, immerhin richtet die Union laut Keller bereits ihr Programm danach aus – wenn auch negativ. Nutznießer dabei seien Frauen und Homosexuelle:

Um Ansprüche von muslimischer Seite abzuwehren, geben sich sogar CDU und CSU feministisch und widmen der Rettung der muslimischen Frau aus „Notsituationen“ im neuen Regierungsprogramm ein eigenes Kapitel. Plötzlich sind die Konservativen auch homophil und machen die bedingungslose Akzeptanz von Homosexualität zur Voraussetzung für die Einbürgerung.

Wirklich perfide, diese Konservativen! Statt sich mit dem Islam zusammen zu tun, weil man doch irgendwie dasselbe will,

Sie fangen Kranke und Verzweifelte auf, bringen Junge und Alte zusammen und zeigen, dass es im Leben mehr gibt als Leistungszwang und Perfektionsdruck.

nutzen sie Zwangsehen und Gewalt gegen Schwule aus, um sich für Frauen und Schwule – nicht nur islamischen Hintergrunds – einzusetzen. Kellers Vision ist eine andere:

Das Leben in einer postsäkularen, multireligiösen Gesellschaft ist eine Zumutung. Es verlangt von allen Seiten Einschränkungen. Die Gottesfürchtigen müssen ihren Glauben an die Prämissen des liberalen Verfassungsstaates anpassen und die Autorität der Wissenschaften anerkennen. Sie müssen akzeptieren, dass Homosexuelle heiraten und Frauen in Miniröcken die gleichen Rechte haben. Die nichtreligiösen Bürger müssen damit leben, dass Religion nicht mehr nur Privatsache ist.

Moment mal? Was heißt hier postsäkular? Was will Keller damit sagen, Religion sei nicht mehr nur Privatsache? Falls sie sich entscheiden sollte, das demnächst zu konkretisieren, könnte es der Verständlichkeit dienen, sie informierte sich dann vor dem Schreiben etwas genauer als dieses Mal.

6 Antworten zu “Über den gescheiterten Versuch, den Islam vor der Homophilie der deutschen Konservativen zu retten”

  1. Thommen 7. Oktober 2009 um 01:32 #

    Die ganzen Diskussionen vergessen, dass wir das alles schon mal hatten, unter den christlichen Vorzeichen.

  2. Damien 7. Oktober 2009 um 09:22 #

    Was hatten wir alles schon mal?

  3. martin 7. Oktober 2009 um 15:54 #

    Offen gestanden habe ich während der Lektüre des Beitrags ein wenig den Überblick verloren. Irgendwann wusste ich nicht mehr, was eigentlich davon Keller, was Kelek, was Damien ist, und was ich von all dem halten soll. Mir scheint die ganze Diskussion ein wenig verquer.
    Dabei bin ich mit Kellers abschließendem Statement eigentlich weitgehend einverstanden – mit gewissen Einschränkungen:
    Der Begriff „postsäkular“ stammt zwar von Habermas, trifft inhaltlich aber allenfalls auf seinen Geisteszustand zu, weniger auf die Gesellschaft (oder habe nur ich die „säkulare“ Phase unserer Gesellschaft verpasst?).
    Dass gottesfürchtige Bürger die Autorität der Wissenschaften anerkennen sollen: Was soll das bitte bedeuten? In einem liberalen Verfassungsstaat besteht Freiheit von Forschung und Wissenschaft – das muss jeder Bürger anerkennen. Das irgendeine Wissenschaft aber „Autorität“ besitzen soll (worüber eigentlich?), die man anerkennen müsse, ist damit nicht verbunden. Übrigens genauso wenig wie mit der Freiheit der Religion, welche denselben rechtlichen und moralischen Wert hat wie die der Wissenschaft. Es gibt also keinen Grund, vor den Autoritätsanmaßungen irgendwelcher Szientisten und/oder religiöser Fundamentalisten in die Knie zu gehen. Oder mit anderen Worten: Im Grundgesetz steht nicht, ob wir an die Schöpfung der Welt in sechs Tagen oder an die Evolutionstheorie glauben sollen. Da steht etwas von Freiheit, aber nichts von Autorität. Vielleicht hat Frau Keller da etwas missverstanden?
    Was mit dem Satz gemeint sein soll, nichtreligiöse Bürger müssten damit leben, „dass Religion nicht mehr nur Privatsache ist“, ist mir auch nicht ganz klar: In welchem Sinne soll Religion denn früher Privatsache gewesen sein? Und in welchem Sinne soll sie es nun nicht mehr sein? Dass jedermann sich frei aussuchen können sollte, welcher Religion er anhängen mag, scheint mir einigermaßen selbstverständlich zu sein (in diesem Sinn also: Privatsache). Dass jedermann seine Religion dann auch öffentlich ausleben können darf, ist ebenso einleuchtend (in diesem Sinn also: keine Privatsache). Was sich daran geändert haben mag (außer wiederum dem Geisteszustand von Habermas et al.), erschließt sich mir leider nicht. Im Übrigen hielte ich es aber für sinnvoll, die uraltsozialdemokratische Floskel von der Religion als Privatsache endlich einmal aufzugeben, wenn man schon nicht in der Lage ist, zu sagen, was damit eigentlich gemeint sein soll.

    Es wäre uns, denke ich, sehr geholfen, wenn man nicht ständig versuchen würde, andere Leute, die irgendetwas für wahr und richtig halten, als potentielle Terroristen zu denunzieren. Natürlich hält ein frommer Christ den Islam für falsch – was bitte soll er denn sonst tun?
    Das intellektuelle Defizit der Linken hierzulande, und das schließt Theorien wie den Multikulturalismus oder den Kulturrelativismus ein, ist, dass sie nicht in der Lage sind, den Begriff der Toleranz richtig zu denken. Toleranz, ernst genommen, kann nur bedeuten, dass man sich gegenseitig „erträgt“, obwohl man sich nicht leiden kann. Mehr als das kann man vernünftigerweise von niemandem erwarten. Darauf zu bestehen oder gar gesetzlich zu erzwingen, dass man von seinem Nachbarn geschätzt wird, ist nichts anderes als totalitäres Denken. Das Bekenntnis zum liberalen Verfassungsstaat fordert lediglich, dass man sich als Bürger gegenseitig die Ausübung der Freiheitsrechte zubilligt und das man sich rechtskonform verhält – nicht aber, dass man seine eigenen Überzeugungen über Bord wirft und plötzlich alle lieb hat.

  4. Damien 7. Oktober 2009 um 20:00 #

    Alle Zitate sind von Keller. Ausnahme: Das von Ates und das steht auch so im Text.
    Was nicht im Zitat steht, ist von mir.
    Deine „gewissen Einschränkungen“ unterschreibe ich alle. Keller würde das vermutlich nicht tun und genau das kritisiere ich in meinem Text.
    Alles klar?

  5. martin 7. Oktober 2009 um 21:55 #

    Ja, es ist klar. Eigentlich war das nicht als Kritik an Dir beabsichtigt, sondern mehr als Ausdruck meiner Konfusion über die Sache. Manchmal kann ich einfach nicht verstehen, worüber sich z.B. Frau Keller den Mund fusselig redet.

  6. Damien 7. Oktober 2009 um 22:37 #

    Der Konfusion schließe ich mich an. Ich fand den Text außergewöhnlich wirr, ein wenig, als hätte da eine versucht, aus ein paar Versatzstücken etwas Neues zusammen zu schreiben, ohne dass etwas Zusammenhängendes dabei heraus gekommen wäre. Und so stehen in Kellers Text Argumente, die sich eigentlich widersprechen und man weiß am Ende nicht mal ganz genau, wofür sie eigentlich plädiert.
    Mein Versuch bestand darin, die einzelnen Argumente unter die Lupe zu nehmen. Der Erfolg bleibt bei einem wirren Text naturgemäß begrenzt. 😉

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