In der amerikanischen Bundeshauptstadt soll demnächst ein Gesetz in Kraft treten, das es erlauben würde, im Bundesdistrikt eine gleichgeschlechtliche Ehe einzugehen. Wie üblich, erhebt sich ob dieses Vorhabens ein Sturm der Entrüstung seitens der üblichen Verdächtigen, wobei sich insbesondere die städtische Filliale der Katholischen Kirche hervortut. Die Erzdiözese in Washington hat dem Stadtrat ein Ultimatum gestellt, welches wieder einmal anschaulich unter Beweis stellt, was der römische Großkonzern unter Herzensgüte und Mitmenschlichkeit versteht:
Die katholische Erzdiözese in Washington sagte am Mittwoch, sie sei nicht in der Lage, die sozialen Dienstleistungsprogramme fortzuführen, die sie für den Distrikt betreibt, wenn die Stadt nicht ein geplantes Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Ehe ändere – eine Drohung, die Zehntausende Menschen betreffen könnte, denen die Kirche mit Adoption, Obdachlosigkeit und Gesundheitsversorgung hilft.
Im Klartext bedeutet dies, dass die katholischen Manager bereit sind, ihre Arbeit im Dienste des Menschen einzustellen, und Tausenden Menschen sich selbst zu überlassen, nur um an einem Prinzip festzuhalten, das zum einen überholt und zum zweiten moralisch vollkommen verwerflich ist. Und das obwohl die katholischen Einrichtungen des Distrikts nur dazu angehalten werden sollen, die Gesetze zu befolgen, die ohnehin für alle in der Stadt gelten:
Nach der Gesetzesvorlage, über die im kommenden Monat im Stadtrat von D.C. abgestimmt werden soll, würde von religiösen Organisationen nicht verlangt, dass sie gleichgeschlechtliche Ehen durchführen oder dafür Raum zur Verfügung stellen. Aber sie müssten die kommunalen Gesetze befolgen, die die Diskriminierung gegenüber schwulen Männern und lesbischen Frauen verbieten.
Was natürlich zu viel verlangt ist für die sensiblen Lämmer Benedikts:
„Wenn die Stadt das verlangt, können wir das nicht tun“, sagte Susan Gibbs, Sprecherin der Erzdiözese am Mittwoch. „Die Stadt sagt, um soziale Dienste anzubieten, müsst ihr säkular sein. Für uns ist das wirklich ein Problem.“
Ein „Problem“ von einer solchen Tragweite, dass sich die Erdiözese genötigt sieht, den Vertrag über soziele Dienstleistungen mit der Stadt zu kündigen, sollte man die Homos nicht wieder auf ihren Platz am Rande der Gesellschaft verweisen. Kein Problem ist es dagegen, von der Stadt öffentliche Gelder zu verlangen, aber gleichzeitig darauf zu bestehen, Antidiskriminierungsgesetze der Stadt nicht befolgen zu müssen. Denn letzteres verletze natürlich die Religionsfreiheit und komme einer Diskriminierung der Kirche gleich.
Wie die ganze Geschichte ausgehen wird, ist noch nicht klar. Mehrere Stadtratsmitglieder haben aber bereits klar gemacht, sie würden
eher die Beziehung zwischen der Stadt und der Kirche beenden als deren Forderungen nachzugeben.
Und warum auch nicht? Anbieter sozialer Dienstleistungen gibt es schließlich in den Staaten zuhauf. Dafür braucht man keine scheinheiligen Katholiken.
Meine persönliche Hoffnung ist, dass die Kirchenorganisationen irgendwann Steuern zahlen müssen. Ihre caritative Arbeit kann man mit anderen Mitteln fördern. Es darf nicht mehr sein, dass Kirchen öffentliche Gelder bekommen und weiterhin diskriminieren wollen.
Naja, die kath. Kirche ist halt der letzte etablierte Homophobe.
In einem funktionierenden Rechtsstaat säße der Erzbischof wegen Nötigung von Verfassungsorganen bereits im Gefängnis.
@ Ralf
Die USA sind ein freies Land: Da darf man die Regierung kritisieren.
Im Übrigen säße der Bischof auch in Deutschland nicht im Gefängnis. § 105 StGB:
(1) Wer
1. ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes oder einen seiner Ausschüsse,
2. die Bundesversammlung oder einen ihrer Ausschüsse oder
3. die Regierung oder das Verfassungsgericht des Bundes oder eines Landes
rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt nötigt, ihre Befugnisse nicht oder in einem bestimmten Sinne auszuüben, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Wo hat denn der Erzbischof mit Gewalt gegenüber einem Mitglied der Regierung gedroht?
@ Adrian
„In einem funktionierenden Rechtsstaat“ hab ich geschrieben. In einem solchen kann es nämlich nicht sein, dass Nötigung von Verfassungsorganen harmloser definiert wird als die Nötigung von Privatleuten. Letztere kennt die Drohung mit einem „empfindlichen Übel“ (§ 240 StGB), und eine solche ist zweifellos die Ankündigung, bei Erlass eines bestimmten Gesetzes soziale Projekte einzustellen. (Von der Verwerflichkeit der Drohung und der darin zum Ausdruck kommenden moralischen Verkommenheit brauchen wir nicht zu reden; sie ist strafrechtlich allerdings irrelevant.) Es bleibt das Geheimnis des deutschen Gesetzgebers, weshalb er im einfachen Rechtsverkehr jede erhebliche Drohung sanktioniert, im Verkehr mit Verfassungsorganen aber nur noch Gewaltandrohung bestrafen will. Die Ursprungsfassung des § 105 StGB kannte diese Einschränkung nämlich nicht: „Wer es unternimmt, den Senat oder die Bürgerschaft einer der freien Hansestädte, eine gesetzgebende Versammlung des Reichs oder eines Bundesstaats auseinander zu sprengen, zur Fassung oder Unterlassung von Beschlüssen zu nötigen oder Mitglieder aus ihnen gewaltsam zu entfernen, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft.“
Und noch was: Kritik ist etwas ganz Anderes als Erpressung.
Mag sein, aber ich würde mich für die Stadt schämen, wenn der Bischof im Gefängnis landen würde. Wenn ein Anbieter von Dienstleistungen der Stadt ein nichtannehmbares Ultimatum stellt, dann entlässt man ihn. Mehr ist nicht nötig. Wir sind doch nicht in der DDR.
Ja, aber die Vorstellung wärmt trotzdem mein Herz… 😉 😉 😉