Hetenfrei und Spaß dabei – Von der düsteren Zukunft des ganz normalen Familienvaters

10 Dez

Bernd Schachtsiek vom Völklinger Kreis, einem Verband schwuler Führungskräfte, hat in der Zeitung „Der Westen“ eine Aussage getätigt, die – so harmlos sie auf den ersten Blick anmutet – bereits anfängt die ersten Kreise zu ziehen. Konkret ging es um die Frage, ob Schwule genau so gute Führungskräfte sein könnten wie Heteros. Naturgemäß beantwortete Schlachtsiek diese Frage mit „ja“, ergänzte allerdings:

„Sie [die Schwulen] sind selbst durch eine Krise [des Coming out] gegangen und gehen deshalb sensibler mit den Sorgen von Kollegen um.”

Was allerdings nicht heißen solle, dass Schwule bessere Mitarbeiter seien als Heteros, auch wenn man berücksichtigen müsse, dass Schwule – so wie es der Artikel dem Völklinger Kreis in den Mund legt – mitbrächten

was Führungskräfte brauchen: Neugierde, Kreativität und keine festen Familienzeiten.

Nun könnte man meinen, solche Ansichten seien eben Ansichtssache, und nicht weiter der Rede wert. Nicht jedoch, wenn man ein von seiner Heterosexualität überzeugter Schreiberling der uns allen wohlbekannten Zeitschrift „eigentümlich frei“ ist. Dann nämlich, muss man aus dem Artikel des „Westens“ so etwas machen wie ein Bedrohungsszenario für die heile heterosexuelle Welt. Im Klartext funktioniert das folgendermaßen. Zunächst versichert man seine Liberalität:

Es gab Zeiten, da waren Schwule weithin ungewollt. Selbst das Wort „schwul“ war eine Herabwürdigung. Diese dunklen Zeiten sind vorbei. Gut so.

Homosexualität ist weder Krankheit noch Verbrechen. Sie ist allenfalls Anderssein als andere. So wie jeder in Bezug auf irgendetwas stets anders ist als andere.

Anschließend, beginnt man unter Verweis auf philosophische Größen, vor der Gefahr zu warnen die droht, wenn das „andere“ zu normal wird:

Schon Platon aber wusste: Extremata neigen dazu, in ihr Gegenteil zu fallen. Wo Schwulsein also einstmals inakzeptable Ausnahme war, da will nun scheinen, als werde es bald einzig gangbare Regel. Mehr noch: Mediale Leitorgane werfen aktuell die Frage auf, ob nicht der Homosexuelle gegenüber dem Heterosexuellen klar im Vorteil sei. In einem Vorteil, den die Gesellschaft sich zu Nutze machen müsse.

Es macht keinen Sinn auf die Halluzination einzugehen, dass es so scheine, als werde Homosexualität bald die „einzig gangbare Regel“ sein. So etwas zu behaupten, zeugt von einer atemberaubenden Ignoranz der Wirklichkeit einerseits und einem geradezu orgiastischen Feuerwerk an Phantasie andererseits.

Aber, worin genau besteht denn eigentlich der klare Vorteil der Homosexualität, den „mediale Leitorgane“ als Frage in die gesellschaftliche Debatte werfen?

Denn – so liest man staunend – Schwule bringen mit, was Führungskräfte brauchen: Keine festen Familienzeiten! Mehr noch. Wenn und weil sie sich mutig als Schwule geoutet hätten, signalisierten sie ihrer Umwelt, auch mit schwierigen Neuigkeiten offen umzugehen. Dies wiederum schaffe Vertrauen für Zusammenarbeit in weiteren Kontexten.

Und auch wenn es nicht vollkommen klar ist, man beginnt zu ahnen, auf welchen Text sich der Autor der „eifrei“ hier bezieht. Bevor sich diese Ahnung jedoch erhärtet, muss noch schnell klar gestellt werden, dass man als Hetero sehr viel besser über die Lebenswirklichkeit von Schwulen Bescheid weiß als – nun ja, beispielsweise – Schwule im Prozess des Coming out:

Nun bleibt zwar unklar, warum das Outing als Schwuler schwierig sein sollte, wo doch die Gesellschaft Homosexualität als akzeptabel abgehakt habe. Vielleicht gibt es doch noch restliche Ressentiments, worauf hindeutet, dass die Vokabel vom „Outen“ sich so exzessiver Beliebtheit erfreut – „zugeben“ oder „einräumen“ klängen wohl zu defensiv, „hinweisen“ oder „aufmerksammachen“ zu offensiv?

Es ist nicht ganz klar, was diese Sätze genau sagen sollen, außer vielleicht, dass der „eifrei“-Autor, nicht wirklich weiß wovon er spricht. Das Outing stelle also keinerlei Problem dar? Natürlich nicht, Homosexualität ist schließlich vollkommen anerkannt, überall und überhaupt. Und als ultimativer Beweis hierfür dient eben jene Aussage des Bernd Schachtsiek vom Völklinger Kreis:

Bernd Schachtsiek vom „Völklinger Kreis“, einem Netzwerk schwuler Führungskräfte, lässt sich jedenfalls mit dem Satz zitieren, Schwule seien durch eine Krise gegangen und gingen deswegen „sensibler mit den Sorgen von Kollegen um“. Sensibler also als andere, die nur heterosexuell sind? Sensibler als Menschen, die feste Familienzeiten respektieren müssen?

Und was durchaus berechtigte Fragen an den Völklinger Kreis sein könnten, entpuppt sich flugs als eine Polemik über ein Problem, welches gar keines ist:

Nach allem kann nicht wundern, dass nun auch die Frage nach einer sogenannten „Schwulenquote“ in gesellschaftlichen Zusammenhängen wieder lauter diskutiert werden soll. Folglich werden auch Heterosexuelle sich dem Thema stellen müssen: Bin ich bereit, mich mit meiner Heterosexualität zu outen, auch wenn dies aus quotenrechtlichen Gründen die Gefahr heraufbeschwört, einen angebotenen Platz in der Gesellschaft nicht einnehmen zu können? Oder sollte ich lieber über meine Kinder, meine Familie und über meine sexuellen Neigungen insgesamt schweigen, um gegenebenfalls als vermeintlich kinderloser Scheinschwuler nach Beweislastkriterien einen Job oder eine Stelle zu bekommen? Merke: Schwulenqouten sind zwangsläufig immer auch Heterosexualitäts-Begrenzungsgesetze.

Wer nun den Eindruck gewonnen hat, etwas verpasst zu haben, dem sei gesagt, dass dem nicht so ist. Denn es steht quotenmäßig nun wirklich alles auf der politischen Tagesordnung, von Milch-, über Frauen- bis hin zu Migrantenquoten. Doch von einer Schwulenquote hört man hier zum ersten Mal. Wie kommt der „eifrei“-Autor nur auf diese Idee? Dummerweise durch einen Faux pas der Zeitung, die über den Völklinger Kreis berichtet hat. Dort steht nämlich geschrieben:

Im nächsten Jahr treffen sich die Völklinger zur Mitgliederversammlung in Dortmund. Hier, im Revier, setzen gerade viele kommunale Vordenker auf den amerikanischen Ökonom Richard Florida, der davon ausgeht, dass eine hohe Schwulenquote die Wirtschaftskraft einer Stadt fördert. In Berlin warten sie aber bislang vergeblich darauf.

Da haben wir ihn also, den Casus knacktus, welcher die „eifrei“ dazu veranlasste, eine kleine Meldung über die Vorzüge des Diversity Management, zu einem Angst-Artikel vor einer „Schwulenquote“ in deutschen Unternehmen aufzubauschen. Einer Quote die natürlich in jedem Fall dazu führen wird, dass bald heterosexuelle Männer von Schwulen unterdrückt werden. Kleiner hat man es nicht.

Überflüssig zu sagen, dass eine Schwulenquote lächerlich wäre, genau so übrigens, wie es Milch-, Frauen- und Migrantenqoten bereits sind. Andererseits gönnt man den heterosexuellen Angsthäschen fast, dass es wirklich so weit kommt: Hätten sie dann doch endlich einen „handfesten“ Grund gefunden, um ihre Abneigung gegen Schwule „plausibel“ zu begründen.

8 Antworten zu “Hetenfrei und Spaß dabei – Von der düsteren Zukunft des ganz normalen Familienvaters”

  1. metrake 10. Dezember 2009 um 19:03 #

    Da will mir nun scheinen, dass jemandem die Realität entglitten ist.

  2. martin 11. Dezember 2009 um 00:03 #

    Aus einem Nichts einen Popanz machen, darin sind sich Adrian und Carlos Gebauer ja beneidenswert einig.

  3. Günni 11. Dezember 2009 um 16:55 #

    Man sollte mal Gebauers Arbeitgeber RTL über die Ansichten des Herrn Fernsehstrafverteidigers unterrichten!

  4. martin 11. Dezember 2009 um 21:52 #

    @ Günni:
    Es kann schließlich nicht sein, dass jemand selbständig denkt und obendrein auch noch Geld verdient. Im Übrigen hat Gebauer seine Karriere bei RTL zwischenzeitlich beendet.

  5. die.tipse 14. Dezember 2009 um 16:42 #

    Danke für die Ausarbeitung. Das nenn ich mal gelungen! Das dies keine Banalie ist, ist ja eigentlich jedem klar, der die Geschichte beobachtet. Wie schnell können anfänglich gutgemeinte aber im gesamten nicht zu ende gedachte Förderungen gesamtgesellschaftlich zu Neid und schliesslich zu Ablehnung und sogar Hass führen. Quotenregelungen scheinen im Grunde erstmal gut gemeint, führen aber stets zu schnell faulenden Früchten. Wer will schon wirklich aufgrund einer Quote einen Platz ergattern anstatt aufgrund guter Eignung.

    Als männliche, deutsche, gut ausgebildete undbehinderte Hete lässt es sich gern über Randgruppenengagement schmunzeln, so doch das Einfühlungsvermögen eben dieser Primatenspezies bekanntermassen besonders tief reicht (die Anführungszeichen bitte selbst setzen).

    Es ist ja eh schon schlimm und beschämend genug, überhaupt die sexuelle Neigung thematisieren zu müssen, um als voll anerkanntes (schein-)Mitglied akzeptiert zu werden. Ich möchte auch gern von meinem Chef erfahren, welche sexuelle Neigung er mit seiner Frau ausübt: die christlich konforme Misionarsstellung oder doch lieber gern von hinten weil sein Piephahn zu klein ist, um ihre Klitoris zu berühren? Ja, da lacht der gemeine Mensch, aber da steckt das entintimisierte Dilemma der geforderten und geförderten Outingquoterei. Eigentlich wollen doch alle immer nur über Sex sprechen und verschanzen sich ob der eigenen Feigheit hinter politischer Sachlichkeit.

    nunja…

    herzlichst

    die.tipse

  6. Adrian 14. Dezember 2009 um 18:54 #

    „(die Anführungszeichen bitte selbst setzen)“

    Hab ich.

    „weil sein Piephahn zu klein ist, um ihre Klitoris zu berühren?“

    Vielleicht bin ich heterosexuell nicht mehr auf dem neuesten Stand, aber ich meine mich zu erinnern, dass es beim penil-vaginalen Geschlechtsverkehr auch einem Riesenpenis überhaupt niemals möglich ist, die Klitoris zu stimulieren.

    Andererseits könnte das auch ein radikalfeministischer Mythos sein, um Männern eins auszuwischen und den heterosexuellen GV ad absurdum zu führen.

  7. die.tipse 15. Dezember 2009 um 11:29 #

    „…dass es beim penil-vaginalen Geschlechtsverkehr auch einem Riesenpenis überhaupt niemals möglich ist, die Klitoris zu stimulieren.“

    Laut Wikipedia haben Sie Recht lieber Herr Adrian. Dies sollte auch nur versinnbildlichen, wie ungehörig ich die Outingologie heutiger Gesellschaften empfinde. Oder meinen Sie, dass beim schwulen Outing des Kollegen die Mitarbeiter eine liebevolle Beziehung mit organisierter Haushaltsführung und gemeinsamen Theaterbesuchen assoziieren? Sicher nicht. Hier befriedigt das Outing die Sexphantasien der untersten Hirnareale im kulturellen Glanze der Blitz-Illu. Genauso ist auch mein leider anatomisch unkorrekter Vergleich gemeint, welcher das Outing mit ebendiesen heterosexuellen Bettgeschichten gleichzusetzen versuchte. Hosen runter? Gerne, aber dann auf allen Seiten…-)

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