Zucht und Ordnung

26 Feb

Tabuthema Kirchenzucht – Schwere Sünder vom Abendmahl ausschließen?

lautet das Titelthema der aktuellen Ausgabe von ideaSpektrum (08/2010). Zur Veranschaulichung werden im Text eine Reihe von Beispielen genannt, bei denen Kirchenzucht, also der Ausschluß vom Abendmahl oder aus der Gemeinde, angebracht sei. Michael Beintker, Professor für Systematische Theologie an der Universität Münster und Vorsitzender der Theologischen Kammer der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), nennt exemplarisch Rassisten und Kinderschänder.

Da kann doch sicher jeder mitgehen, oder? Andererseits wissen Freunde Israels, dass es unter linken wie rechten Antisemiten schlechte Tradition ist, Israel als rassistischen Staat zu brandmarken. Als Freund Israels wird man so ganz schnell zum Rassisten. Kirchenzucht für Freunde Israels? In der EKD würde mich diese Forderung nicht überraschen.

Kinderschänder hingegen mag doch wirklich keiner. Andererseits wissen aufgeklärte Christen, dass es für Christl Vonholdt und Kollegen regelmäßige Pflichtübung ist, Homosexuellen gegen jede Evidenz eine besondere Nähe zur Pädophilie zu unterstellen. Schnell könnte also der Wunsch, Pädophile zu züchtigen auch zum Zuchtwunsch gegenüber Homosexuellen führen. Könnte? Es ist bittere Realität. Zum Beispiel in Freien evangelischen Gemeinden, wo Homosexuelle mancherorts aus der Gemeinde ausgeschlossen werden, sobald sie in einer Partnerschaft leben. Zum Beispiel im CLW, wo Homosexuelle, die in einer Partnerschaft leben, vom Abendmahl ausgeschlossen werden. Zum Beispiel in Baptistengemeinden, wo mancherorts Homosexuelle gar nicht erst getauft werden. Zur Begründung der Kirchenzucht sagt Rolf Wischnath, Honorarprofessor für Systematische Theologie an der Universität Bielefeld:

Wenn die Kirche jemandem die Abendmahlsgemeinschaft verweigert, ist dies keine Strafe, sondern die Feststellung eines Selbstausschlusses aufgrund beharrlichen Fehlverhaltens.

Dabei empfindet sicher keiner der betroffenen und ausgeschlossenen Homosexuellen sein Verhalten als selbstausschließend. Das Wort „homosexuell“ kommt übrigens im Spektrum-Artikel nicht einmal vor. Eigentlich merkwürdig, wo man dort sonst keine Gelegenheit versäumt, Schwule und Lesben als unchristlich zu brandmarken.

Wie begründen Freikirchen nun die Kirchenzucht? Ansgar Hörsting (Witten), Präses des (deutschen) Bundes Freier evangelischer Gemeinden dementiert, was trotzdem oder gerade deshalb deutlich wird:

Gemeindezucht ist kein Herrschaftsinstrument, sondern soll helfen.

Um Gottes Willen: Wobei soll der Ausschluß aus einer Gemeinde aufgrund einer verbindlichen Partnerschaft einem Menschen denn helfen, wenn nicht dabei, den Glauben an Gott zu verlieren und den Anschluß an eine Gemeinde von Geschwistern? Hartmut Riemenschneider (Marl), Präsident des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden, kann man nur noch als anmaßend bezeichnen:

Schließlich wollen wir einen Menschen nicht vom Reich Gottes ausschließen, sondern ihn lediglich zeigen, dass er sich mit seinem Verhalten außerhalb der Gemeinde befindet.

Welcher Mensch hätte das Recht – und die Möglichkeit – , andere vom Reich Gottes auszuschließen? Das ist keine Frage des Wollens, das ist eine Frage der Demut. Es steht uns nicht zu, Menschen vom Reich Gottes auszuschließen. Wer das tut, macht sich der nicht schuldig? Und was heißt eigentlich „Verhalten außerhalb der Gemeinde“? Glauben wir an Gott und haben eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus oder glauben wir an die Heilige Gemeinde und haben eine persönliche Beziehung zur Gemeindeordnung? Eine erfreulich andere Haltung ist aus den Evangelisch-Reformierten Kirchen in der Schweiz zu vermelden. Diese verzichten

auf den Ausschluss vom Abendmahl, da Menschen nicht das Recht hätten, andere vom Bund Gottes auszuschließen.

Ruedi Reich, Kirchenratspräsident der Evangelisch-Reformierten Landeskirche des Kantons Zürich:

Das Abendmahl vergegenwärtigt den Bund, den Gott in Jesus Christus mit seiner Gemeinde geschlossen hat.

Diese Haltung kennzeichnet auch

die Evangelische Kirche im Rheinland. Deren Synode hatte vor sechs Jahren entschieden, dass niemand vom Abendmahl ausgeschlossen werden darf. Die Synode berief sich dabei auf Jesus, der Brot und Wein sogar an seinen Verräter Judas austeilte. Deshalb müsse auch die Kirche jeden zum Abendmahl zulassen. Die Bibel habe mehr Gewicht als die Bekenntnisschriften, so die Synode.

Eine besondere Absurdität bei den Gründen für einen Ausschluß bietet, jedenfalls aus meiner protestantischen Sicht, einmal wieder Rom:

Der Codex Iuris Canonici gibt für eine Exkommunikation unter anderem folgende Gründe an: Abtreibung, Amtsanmaßung, Glaubensabfall, Irrglauben, Abtrünnigkeit, Attentat auf den Papst, Bruch des Beichtgeheimnisses und Schändung der eucharistischen Gestalten (Brot und Wein).

Wie bitte, Attentat auf den Papst? Ist diese Sonderstellung des Papstes nicht eben das: Amtsanmaßung, Irrglauben, Abtrünnigkeit? Wenn das kein Grund zur Kirchenzucht ist.

Eine Antwort zu “Zucht und Ordnung”

  1. martin 1. März 2010 um 17:31 #

    Immer diese antirömischen Affekte. Ich finde diese Diskussion – aus meiner katholischen Sicht – allein schon aus dem Grund überflüssig, weil es bei Euch Schismatikern eine ordentliche Eucharistiefeier ja gar nicht gibt und die Angehörigen dieser „kirchenähnlichen Gemeinschaften“ als notorische Ketzer ohnehin allesamt im Zustand schwerer Sünde leben. Da ist es gleichgültig, ob sie nun schwul sind oder gar Schwulentherapeuten 😉

    Mein unmaßgebliches theologisches Hirn sagt mir übrigens, dass es keine irdische Instanz geben kann, die über die schweren Sünden einer Einzelperson zu richten imstande ist. Es mag sein, dass mich hier mein Katholizismus verdorben hat (was nicht unbedingt heißen soll, dass die katholische Kirche ein Gegenbeispiel wäre), aber Exkommunikationen aus einer mystischen Gemeinschaft sind keine Strafen, die Menschen über Menschen verhängen können. Was würde es mich aber umgekehrt kümmern, ob eine irdische Gemeinschaft von Homophoben Schwule nun pauschal ausschließt oder nicht? Dort will ich ohnehin nicht Mitglied sein.

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