Was Frauen im Smoking mit der Schweinepest zu tun haben

14 Mär

André Lichtschlag, Herausgeber der sich als „libertär“ empfindenden Zeitschrift „eigentümlich frei„, hat mal wieder sein Visier runtergeklappt um gegen die Plage der Politischen Korrektheit zu reiten, die sich insbesondere im Umfeld der Homosexuellen breit mache. Sein diesmaliger Aufreger entzündet sich an der „Schweinepest“, an der „Vogelgrippe“ der Moderne – die Homophobie. Genauer gesagt, an einem Bericht des „Spiegel“ über Constance McMillen aus den USA,

18 Jahre jung, [die] wohl im Wortsinne verlautbaren ließ, entgegen der traditionell [an ihrer Schule] leise vorgeschriebenen Regel – Jungs im Anzug oder Smoking, Mädels im Abendkleid – im Smoking erscheinen zu wollen. Weil die Schule bei der altbewährten Etikette auch für Constance keine Ausnahme machen wollte, sind nun gemeinsam mit dem „Spiegel“ gleich auch alle „Bürgerrechtler entsetzt“.

Noch entsetzter ist dagegen Lichtschlag, dessen libertärer Heiligenschein nicht verdecken kann, dass er im Grunde genommen lediglich ein konservativer Grummelkopf ist, für den individuelle Freiheit an genau dem Punkt endet, wo sich jemand jenseits der Geschlechternorm kleiden will. Wo kämen wir denn da auch hin: Frauen im Smoking! „Mannweiber“ dieser Art, passen nun wirklich nicht ins Bild des Herrn Lichtschlag, der vermutlich Angst hat, demnächst Männer und Frauen zu verwechseln – kein Wunder, wenn die sich jetzt kunterbunt durcheinander kleiden wollen, so wie sie selbst es wollen und nicht, wie die Gesellschaft sich das vorstellt. Furchtbar das Ganze!

Andererseits arbeitet Herr Lichtschlag mit dem Ärger über diese Geschichte vielleicht auch nur ein altes Trauma auf:

Das erinnert den Autor dieser Zeilen an eigene übermütige Jugendjahre. Damals ist er aus dem örtlichen Schützenzug geflogen, weil er statt in grüner Jägeruniform partout im schwarzen Anzug zuzüglich Sonnenbrille durch die geschmückten Dorfstraßen flanieren wollte. Keiner mochte sich dieser himmelschreienden Ungerechtigkeit damals annehmen.

Und weil das so war, zeigt Lichtschlag auch nicht ein Fünkchen Verständnis für eine junge Frau, die eigentlich ein urliberales Anliegen vertritt – nämlich die Selbstbestimmung über sich und ihren Körper -, sondern verfährt im Gegenteil ganz nach dem Duktus: Was ich damals nicht durfte, sollen andere heute auch nicht dürfen.

Nein, eine bloße Kritik bezüglich Antidiskriminierungsklauseln, Rechtsklagen und übers Ziel hinausschießenden Abgeordneten – dass ist nicht die Sache von Lichtschlag, lieber lässt man seinen Schwulenklischees  freien Lauf:

Und morgen verklagen wir die örtliche Feuerwehr, weil sie sich gegen das rosa Tutu anstelle des bislang vorgeschriebenen Schutzanzugs gewehrt hat, und die Schornsteinfegerinnung, die den Lederdress mit dezentem Gesäßausschnitt noch nicht im Programm hatte. […] Und das Hamburger Organ für politische Korrektheit in Deutschland meldet dann: „Homophobie in deutschen Feuerwehren: Löscheinsatz wegen schwulem Brandmeister abgesagt“.

Ach wäre Herr Lichtschlag nur so mutig wie damals, als er sich getraut hat, im schwarzen Anzug plus Sonnenbrille durch die geschmückten Dorfstraßen zu flanieren. Dann könnte er nämlich nicht nur über eine alberne Klage herziehen, sondern sich gleich noch über eine Schule lustig machen, die ihren Abschlussball absagt, weil sich ein Mädchen die Freiheit herausnehmen wollte, sich so zu kleiden, wie sie es für richtig hielt.

8 Antworten zu “Was Frauen im Smoking mit der Schweinepest zu tun haben”

  1. Kim 14. März 2010 um 10:17 #

    Ist der doof. Im Gegensatz zum rosa Tütü bei der Feuerwehr ist nämlich ein Smoking bei einem Abschlussball ein absolut passendes Kleidungsstück. Er hat also am Thema komplett vorbeigeschrieben.

  2. christianhannover 14. März 2010 um 10:23 #

    ich muss gestehen, dass ich die regel der schule gar nicht so blöd finde. männchen im smoking, weibchen im abendkleid – eine regel, die nach dem geschlecht und nicht der sexuellen orientierung geht. findet niemand die vorstellung komisch, dass ein lesbisches mädchen männerklamotten tragen muss, weil sie lesbisch ist?

    wobei die regel tatsächlich nichts mit freiheit zu tun hat. aber es war ja auch ein schulball…

  3. Adrian 14. März 2010 um 11:34 #

    „findet niemand die vorstellung komisch, dass ein lesbisches mädchen männerklamotten tragen muss, weil sie lesbisch ist?“

    Wer redet denn von „muss“? Die einzigen, die Kleidungsstücke vorgeschrieben haben, waren die Verantwortlichen der Schule.

  4. Stine 14. März 2010 um 12:01 #

    Es soll ja Frauen geben, die sich im Kleid einfach nicht wohl fühlen, hat mein Vorschreiber da schon einmal dran gedacht? Es ist zwar ein wenig klischeehaft, wenn ein lesbisches Mädchen das will, aber glaub mir, das ist von der sexuellen orientierung losgelöst. Von mir aus kann die Schule ja festsetzen, dass jeder ein wenig festlicher als sonst kommt, aber ich glaube darüber, dass Frauen nur Kleider tragen dürfen, ist die Mode schon längst hinaus. In Deutschland fällt es immer schwer, sich in einen Prom hineinzuversetzen, weil diese Tradition bei uns nicht so ausgelebt wird. Bei meinem Abiball wollte keiner wissen, wer mich begleitet, in Ermangelung eines Freundes war auch damals meine beste Freundin dabei, genau wie ich auf ihrem Abiball war. Ich hatte zwar ein Kleid an, aber dazu türkisfarbene DocMartens 1460 Stiefel. In mehr hätte man mich zu dem Zeitpunkt nicht bekommen, da mir das alles zu „tussihaft“ war. So merkwürdig das heute auch für mich klingt, damals habe ich mich in Frauenschuhen nun einmal nicht wohlgefühlt. Und es gibt so wunderbare Blazer für Frauen, dass man nun wirklich nicht nur im Kleid eine gute Figur machen kann. Das war jetzt ziemlich viel, aber ich hoffe meinen Standpunkt zum Thema Kleiderkonventionen deutlich gemacht zu haben. Dass das Verbot an der Schule lächerlich oder vielmehr empörend und zutiefst einschneidend für die Schülerin und auch ihren Jahrgang ist, sie deswegen bestimmt den ganzen Unmut abbekommt, muss ich wohl nicht extra herausstellen. Und dieser Kommentator solte sich überlegen, ob er sich wirklich zu Recht als libertär bezeichnen kann. Deswegen bin ich immer so glücklich über den Augang von „Prom Queen“.

  5. lukas 14. März 2010 um 13:22 #

    Jaja, der AFL muss das konservative Xox bei der Stange halten…

    Christian, wenn es nur um die Kleidervorschriften ginge, hätte man den Abschlussball doch nicht gleich abblasen müssen.

  6. kylind 14. März 2010 um 14:50 #

    Das war für mich der sprichwörtliche Tropfen der das Fass zum überlaufen brachte. Habe nun – nachdem ich schon die meisten Artikel kaum noch überflogen habe in letzter Zeit – den ef-feed gelöscht.
    Kaum zu glauben dass dort vor knapp 10 Jahren Artikel erschienen die Pornographie an sich verteidigten und sie nicht nur schweren Herzens aufgrund der Meinungsfreiheit duldeten.
    Einigen dubiosen Leuten die auch vom Mainstream ausgeschlossen waren (durchaus zurecht) hat man zwar auch damals schon ab und zu einen Platz angeboten, aber solch einen Artikel vom Herausgeber?

    Es ist eines, gewaltlose Diskriminierung gegen eine Kriminalisierung zu verteidigen, aber etwas ganz anderes, sie geradewegs zu loben.

  7. Christian Soeder 14. März 2010 um 17:42 #

    Ja, „eigentümlich frei“ trägt das Wörtchen „eigentümlich“ nicht umsonst im Namen …

  8. DDH 15. März 2010 um 04:08 #

    Die Magnetwirkung von „ef“ auf rechtsrechten lunatic fringe ist durchaus gewollt. Die intellektuelle Radikalität der frühen Jahre wurde einem in cholerischer Aggressivität vertretenen kleinbürgerlichen Kulturnormativismus geopfert.

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