ideaSpektrum berichtet in Ausgabe 11/2010 über den Erbischof der Evangelisch-lutherischen Kirche von Kenia, Walter E. Obare Omwanza. Dieser hatte vor einigen Jahren den schwedischen Pfarrer Anne Olson zum Bischof einer „Missionsprovinz“ innerhalb der lutherischen schwedischen Volkskirche geweiht.
Zu ihr gehören Pfarrer, die wegen ihrer Ablehnung der Frauenordination keine kirchliche Anstellung bekommen.
Jetzt hat Obare den Walter-Künneth-Preis erhalten, ausdrücklich auch für seine Solidarität mit dem reaktionären Schweden.
Der evangelische Theologe Walter Künneth gehörte in der Zeit des Nationalsozialismus zur Bekennenden Kirche. Ebenso wie andere Mitglieder der Bekennenden Kirche war er keineswegs frei vom Antisemitismus:
Im Frühjahr 1935 veröffentlichte er eine 200-seitige Antwort auf das nationalsozialistische Standardwerk der Rassenideologie, Alfred Rosenbergs Mythus des 20. Jahrhunderts (Antwort auf den Mythus – Die Entscheidung zwischen dem nordischen Mythus und dem biblischen Christus). In dieser Schrift kritisierte Künneth die nichtchristliche Ideologie Rosenbergs, stimmte im gleichen Zuge aber dessen Antisemitismus zu und sprach von einem u.a. „minderwertigen“ und „zersetzenden“ „Weltjudentum„[1].
Die Gestapo verfolgte Künneth später trotzdem. Zuvor jedoch entwickelte sich eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen dem deutschen Christen der Bekennenden Kirche und den deutschen Heiden der sozialistischen Partei bei der Verfolgung von innerreligiöser Konkurrenz in Gestalt der Zeugen Jehovas:
So schrieb Künneth am 16. Dezember 1933 an die Reichskirchenregierung: „Der Materialaustausch zwischen dem Geheimen Staatspolizeiamt und der Apologetischen Centrale hat bereits begonnen. Auch mit dem Propaganda-Ministerium wurde Fühlung aufgenommen. Es besteht die Aussicht, dass auch hier eine Arbeitsverbindung zu Stande kommt. Auch das Reichsinnenministerium hat in den vergangenen Monaten der Apologetischen Centrale wiederholt wichtiges Material zur Durchprüfung und praktischen Ausnutzung zur Verfügung gestellt“ (Evangelisches Zentralarchiv 1/C3/392; zitiert nach Juden – Christen – Deutsche 1, S. 412).
Die preisverleihende Kirchliche Sammlung um Bibel und Bekenntnis in Bayern will nun mit der Ehrung Obares
Einsatz für die bleibende Gültigkeit der Bibel als Gottes Wort und der kirchlichen Bekenntnisschriften gewürdigt
haben sowie
die Verbundenheit europäischer Christen mit den wachsenden und bibeltreuen Kirchen in Afrika
ausdrücken.
Als Reaktion auf die „Einmischung in Angelegenheiten außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs“ entzog der Lutherische Weltbund Obare die Beauftragung als Theologischer Berater.
Doch da hatte man in Genf die tapferen Recken im deuschen Biblebelt unterschätzt und so wies Laudator Wolfhart Schlichting bei der Preisverleihung den Vorwurf zurück:
Nicht Obare, der an den lutherischen Bekenntnisschriften festhalte, mische sich in fremde Angelegenheiten ein. Ungeistlich handelten vielmehr die liberalen lutherischen Kirchen Europas und Nordamerikas, indem sie mit finanziellem Druck versuchten, ihre bibelkritischen Ideen weltweit durchzusetzen. Die Frauenordination sei ebenso wie die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und die Bischofsweihe von praktizierenden Homosexuellen ein Bruch mit der 1.900-jährigen christlichen Tradition und ein Verstoß gegen das Gebet Jesu Christi um Einheit unter seinen Nachfolgern.
Außerdem sei doch jedem guten Christen bekannt, dass die Hauptgebote Jesu lauteten, „Du sollst keine Frauen ordinieren“ und „Du sollst Schwule diskriminieren“. Wobei ich gestehen muss, auch nach langjährigem Bibelstudium die entsprechenden Textstellen nicht gefunden zu haben. Schlichting ergänzte schließlich voller Respekt vor den Geschwistern der Religion des Friedens:
Es müsse sehr nachdenklich stimmen, dass gerade in Afrika muslimische Missionare auf Erscheinungen wie kirchliche „Homo-Segnung“ im Westen verwiesen, um das Christentum zu diskreditieren.
Was würde der Mann bloß tun, wenn muslimische Missionare auf Erscheinungen wie Nächsten-, gar Feindesliebe im Abendland verwiesen, um das Christentum zu diskretieren? Würde ihn das auch nachdenklich stimmen? Und was kommt heraus, wenn schlichte Gemüter sehr nachdenklich werden? Vorauseilender Gehorsam gegenüber denen, die lieber heute als morgen auch im Westen die Scharia einführen würden? Heimlicher Neid auf den Islam, weil dort noch Werte gelebt werden? In der Tradition des Namensgebers des Preises böte sich jedenfalls noch Antisemitismus als verbindendes Glied im christlich-islamischen Dialog an, hat man damit doch in beiden Religionen jahrhundertelange Erfahrung. Es wird kein Zufall sein, dass die Denkmuster, die Antisemitismus hervorbringen, denen ähnlich sind, die Homosexuellenfeindlichkeit generieren. Und es wäre kein Wunder, wenn Obare mit den Schergen, die in Afrika Schwulen den Tod bringen, ebenso willig zusammenarbeiten würde wie sein geistiges Vorbild Künneth mit der deutschen Gestapo. Die Generalprobe hat bereits stattgefunden. Genau, in Kenia.
Vermutlich hast Du die Bibel einfach falsch gelesen. Ich nehme an, dass Lutheraner wie Herr Schlichting ihr „sola scriptura“ sehr ernst nehmen und genau wissen, auf welche Stellen sie sich beziehen. „Bibelkritisch“ heißt es dann, wenn man die Bibel mit Hinblick auf ihre historischen Entstehungsumstände liest, oder etwa die Botschaft Christi wichtiger nimmt als den Wortlaut der Schrift, zumal im Alten Testament. Haarspalter, wer solche Leute nicht „Christen“, sondern etwa „Biblisten“ nennen würde. Dagegen entspricht es offenbar dem Geist der Bibel, wenn man – wohl durch höhere Eingebung belehrt – weiß, welche Stellen besonders wichtig sind (z.B. bei Levitikus) und welche weniger entscheidend (z.B. die Bergpredigt). Soviel zum Thema „Bibelkritik“.
In Rom feilt man bestimmt schon an einem „Lutheranorum coetibus“, um nach den Anglikanern auch den Protestanten den Papst besser verkaufen zu können, gegen die kleine Münze der Homophobie und der Ablehnung der Frauenordination.
Übrigens habe ich Deine Beschreibung der Nazis als „deutsche Heiden der sozialistischen Partei“ mit Wohlwollen gelesen 🙂