Die CDU in Baden-Württemberg ist als eher konservativ verrufen, zumal unter ihrem neuen Ministerpräsidenten Stefan Mappus. Eben der zeichnete jedoch jüngst verantwortlich für die Ernennung einer
neuen Staatsrätin für interkulturellen und interreligiösen Dialog sowie gesellschaftliche Werteentwicklung. Er schätze die Tübinger Ethik-Professorin Regina Ammicht Quinn „unheimlich“ und halte sie für eine „große Bereicherung“ des Kabinetts.
Das allerdings wirkt auf den ersten Blick überraschend, erinnert man sich an ein Interview, das Ammicht Quinn vor zwei Jahren gab:
„Unser westliches Konstrukt ,männlich/weiblich‘ greift zu kurz, ebenso das Konstrukt zweier Identitäten hetero- oder homosexuell.“ In Wahrheit seien die „Kategorien viel fließender“, wie ein im pazifischen Raum bekanntes „drittes Geschlecht“ zeige: Dort lebten „Menschen mit männlichen Genitalien, die aber in ihrer sozialen Rolle weiblich sind“. Das widerspreche freilich der verbreiteten Sehnsucht nach Ordnung – einer Ordnung, die es nicht gebe, und die oft „Unterdrückung, Angst und Leid“ bedeute.
Auf die Frage, ob die katholische Kirche demnach eine Unterdrückungsinstanz sei, antwortete Ammicht Quinn: „Wenn Sie die offiziell-römische Spielart meinen, ja.“ Der Widerspruch der Amtskirche gegen die „allmähliche Akzeptanz von Schwulen und Lesben“ rühre aus einer allzu engen Übertragung der antiken Maßstäbe in die heutige Zeit.
Da muss man schon aufpassen, dass man nicht den Anschluss verliert. Eben noch konnte es einem passieren, dass man die Lebenspartnerschaft auf dem Ordnungsamt schließen musste, schon ist die Homosexualität irgendwie old fashioned – und die Ordnung gleich mit dahin.
An der „offiziell-römischen Spielart“ der katholischen Kirche hatte Ammicht Quinn noch mehr auszusetzen:
Und dass im katholischen Katechismus davon die Rede sei, Homosexuelle dürften „nicht ungerecht diskriminiert“ werden, sei schon merkwürdig – als ob es eine gerechte Diskriminierung gebe.
Mappus also auf den Barrikaden und emsig am grübeln, wie er die Frau wieder los wird? Keineswegs:
Mit dem, was seine Staatsrätin in dem Interview gesagt habe, habe er „überhaupt kein Problem“. Und wenn das bei ihm so sei, dann hätten „andere in der CDU auch keines“.
Ein ganz praktisches Problem haben bisher noch die christdemokratischen Lesben und Schwulen vor Ort:
Ein Link auf der Internetseite der Südwest-CDU wird den Schwulen und Lesben in der Union (LSU) weiterhin verweigert.
Vielleicht nimmt Mappus sich ja bald schon ein Beispiel an den Parteifreunden im Norden:
Selbst in der konservativen Hessen-CDU ist der Verweis inzwischen selbstverständlich.
Oder bereitet man in der baden-württembergischen CDU längst die Gründung eines Arbeitskreises „Geschlechter- und Identitätsdekonstruktion“ vor? Der könnte sich dann jetzt schon unserer Kritik sicher sein und unserer Sehnsucht nach der guten alten Zeit, in der man in der CDU noch schwule Identitätspolitik machen konnte. Idealerweise aber macht Stefan Mappus einen Schritt nach dem anderen und bewirbt sich fürs Erste um die Schirmherrschaft für den Stuttgarter CSD 2011.
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