Manchmal wird einem bei der Lektüre von ideaSpektrum einfach nur schlecht:
Junge Schwule und Lesben nehmen sich vier- bis siebenmal so häufig das Leben wie Heterosexuelle. Das berichtet das Schwulen-Magazin „Du & Ich“ (Berlin) in seiner Juni/Juli-Ausgabe.
Wer glaubt, diese Meldung würde jetzt noch journalistisch aufbereitet oder moralisch ausgeweidet, liegt falsch. Dieser Sorte Christen reicht die pure Meldung als Erfolg. Und so folgt auf die erschreckende Eröffnung, die von rechten Christen implizit als „sowas kommt von sowas“ gedacht und gelesen wird, noch eine weitere Erfolgsmeldung:
Zu Ängsten, die viele Menschen hätten, komme bei Homosexuellen „die Furcht vor dem Anders-Sein hinzu und vor den vermeintlichen Konsequenzen, einer Ausgrenzung und einer Einsamkeit etwa, die sich in ihren Augen aus der sexuellen Orientierung ergeben könnten“. Das eigene Comingout werde oft nicht als befreiend, sondern als eine „große Belastung“ empfunden.
Und ideaSpektrum wird alles dafür tun, damit das so bleibt.
„Das eigene Comingout werde oft nicht als befreiend, sondern als eine „große Belastung“ empfunden.“ Naja, noch immer befreiender als dauernd auspassen zu müssen sich nicht zu verraten, sich zu verstecken. Die Aussage von Idea ist einfach eine Frechheit.
Keine Ahnung was Du&Ich geschrieben hat. Aber schauen wir einmal in die Studie. Sie stammt aus dem Jahre 2001 und ist online verfügbar:
Klicke, um auf Niedersachsen_Schwule_Jugendliche.pdf zuzugreifen
Auf S. 16 (PDF-S. 18) kommt der Abschnitt „Alltagsbelastung“.
„Mehr als zwei Drittel aller Teilnehmer (67,3 %) geben an, dass sie wegen ihres Schwulseins mit größeren Belastungen fertig werden mussten bzw. müssen als gleichaltrige andere männliche Jugendliche. Als häufigster Grund wird hier der erhöhte Kraftaufwand im Zusammenhang mit dem Coming-out genannt. An feindlichen Reaktionen auf ihr Schwulsein haben erlebt:
* Gleichaltrige machen sich lustig / reden schlecht 56,1 %
* Freunde ziehen sich zurück 38,6 %
* Beschimpfungen in der Öffentlichkeit 38,0 %
* Beschimpfungen in der Schule 27,8 %
* Beschimpfungen in der Familie 16,3 %
* Körperliche Gewalt in der Schule 7,0 %
* Ausbildungsplatz nicht bekommen 6,0 %
* Körperliche Gewalt in der Öffentlichkeit 5,7 %
* Sexuelle Gewalt 5,1 %
* Körperliche Gewalt in der Familie 1,5 %
Diese Zahlen verdeutlichen: Homophobe Gewalt ist allgegenwärtig und spielt sich überwiegend auf der verbalen Ebene ab. In der Mehrzahl der Fälle erlebten die Teilnehmer die beschriebene Gewalt nicht einmalig, sondern mehrfach.“
Auf Seite 19 (PDF-S. 21) kommt das für den Satz davor im Abschnitt Psychosoziale Gesundheit“
„Auf die Frage, wodurch sie sich im Jahr vor der Erhebung belastet gefühlt hatten, antworteten mit ‘sehr’ oder ‘ziemlich’:
* Partnerschaftsprobleme/Liebeskummer 54,4 %
* Einsamkeit 47,3 %
* Sorgen wegen AIDS 39,5 %
* Wie ich andere Schwule kennen lerne 36,8 %
* Unzufrieden mit dem Sexualleben 34,2 %
* Outing in der Familie 33,1 %
* Outing bei Freunden 19,9 %
* Outing in Schule/Arbeit 15,7 %
* Angstzustände 14,3 %
* Alkohol 11,4 %
* Moralische Probleme mit dem Schwulsein 6,2 %
* Andere Drogen 4,4 %
Das Schwergewicht der Probleme liegt eindeutig auf Fragen der Liebe und der sozialen Beziehungen. Erstaunlicher Weise zeigen sich die Internet-Teilnehmer in allen Bereichen außer Angst, Drogen und Liebeskummer höher belastet, mit annähernd verdoppelten Raten in den Bereichen „Wie ich andere Schwule kennen lerne“ und „AIDS“. Offenbar gibt es eine größere Gruppe junger Schwuler, die sich Kontakt mit anderen (jungen) Schwulen wünscht, den Weg in die schwule Szene aber nicht findet, sondern das Internet bevorzugt. Für diese Szeneferne gibt es zahlreiche objektive und subjektive Gründe – ein wichtiger Grund scheint die Angst vor AIDS zu sein. Hinsichtlich der Befriedigung dieses Kontaktwunsches scheint die reale Welt der virtuellen allerdings (noch?) überlegen zu sein.
Den Artikel gibt es leicht erweitert auch im Free-Bereich:
http://referer.us/http://www.idea.de/nachrichten/detailartikel/artikel/homosexuelle-nehmen-sich-haeufiger-das-leben.html