Manchmal muss ich mich wundern:
Zwei homosexuelle Freunde sind von ihren Mitschülern zu Ballkönigin und Ballkönig des Abschlussjahrgangs einer Highschool im US-Staat New York gekürt worden. Festzulegen, wer König und wer Königin werden sollte, sei ihnen besonders schwer gefallen, sagten die Gewählten Charlie Ferrusi und Timmy Howard nach ihrem Erdrutschsieg am Samstag.
Was soll denn an dieser Entscheidung schwer sein? Sofern weder Charlie noch Timmy weiblich sind, ist keiner von beiden eine Königin. Denn genau das ist es doch was Homosexualität aus macht: Entweder es gibt zwei Königinnen oder zwei Könige, aber nicht sowohl König als auch Königin.
Warum also lassen sich zwei Schwule so was gefallen und übernehmen die Vorgaben der Gesellschaft, dass es in einer Beziehung keine zwei Könige geben kann?
Stimmt schon. Andererseits sollte man vielleicht nicht alles so bierernst nehmen. Sie haben es ja nicht diskriminierend gemeint. Und am Ende wollen wir ja auch keine Könige haben, sondern nur freie und gleiche Menschen, oder?
Die Schüler haben es bierernst gemeint. Diskriminierend sicher nicht gemeint, aber eben das ist hier das Problem. Eine Nicht-Diskriminierung führt dazu, dass ein Mann wie eine Frau behandelt wird, obwohl er keine ist. Es handelt sich also um den Fall einer eigentlich notwendigen und daher einzufordernden Diskriminierung.
Das ist typisch heterosexuelle Denkweise. Als ich nach meiner Verpartnerung meinem damaligen Chef gegenüber erstmals nicht mehr von meinem Freund, sondern von meinem Mann sprach, fragte er mich verdutzt, ob der mich denn jetzt seine Frau nenne. (Nur zur Klarstellung: Mein Ex-Chef befürwortet die vollständige Gleichstellung und lehnt jede Benachteiligung von Schwulen und Lesben ab. Was dennoch fehlt, ist schlicht die Erkenntnis, dass bei einem gleichgeschlechtlichen Paar eben niemand „Mann“ oder „Frau“ ist. Das ist nicht Diskriminierung, sondern einfach nur Unkenntnis des Fremden. Es braucht keine Empörung, sondern Erklärung.)
Na ja, der Fall ist mir nicht ganz klar. So wie ich den Bericht verstehe, wurden die beiden zum Königspaar gewählt und haben sich danach selbst überlegt, wer die Rolle der Königin und wer die des Königs spielen soll. Ob die Königin dann in Frauenkleidern aufgetreten ist?
Wenn man sich nun schon aussuchen kann, ob man Mann oder Frau sein will, ist die Heteronormativität zwar nicht beseitigt, aber doch gebrochen. Andererseits könnte man sagen, wenn der spielerische Umgang mit der eigenen Geschlechterrolle als „heteronormativ“ denunziert wird: verbirgt sich dahinter nicht wiederum ein striktes, binäres, heteronormatives Konzept, welches Geschlechterrollen unflexibel zuweist?
Wie dem auch sei: Ich gratuliere den beiden zu ihrer Wahl und überlasse es ganz ihnen, was sie aus ihren Posten machen 🙂
Übrigens erinnere ich mich, dass meine Wenigkeit und ein guter (schwuler) Freund von mir zum Abiturball auf den zweiten Platz bei der Wahl zum „Traumpaar“ unseres Jahrgangs kamen. Allerdings waren wir nie ein Paar. Eine Diskriminierungserfahrung?
@ martin
König (Mann) und Königin (Frau) sind keine Geschlechterrollen (gender), sondern Geschlecht (sex).
„Wenn man sich nun schon aussuchen kann, ob man Mann oder Frau sein will“
Das kann man aber nicht.
Ich stimme gaywest in seiner Beurteilung zu. Ich sehe keinen Sinn darin, die biologische Tatsache des Mannseins noch mit irgendeiner Gender- oder Queer-Sauce anzurichten, um die Gleichgeschlechtlichkeit zurückzudrängen.
Schliesslich wird auch akzeptiert, dass „alleinerziehende Frauen“ nicht unbedingt wieder einen Mann heiraten müssen und ihnen wird zugemutet, auch die Männerrolle an ihre Kinder weitergeben zu können…
Es ist also kein Mangel auszumachen, wenn bei zwei Männern die weibliche Identifikationsfigur fehlt. Das sind halt Hetero/as nicht gewohnt. Bei ihnen ist IMMER Mangel, wenn „keine Frau dabei“ ist! 😉
„Ich stimme gaywest in seiner Beurteilung zu.“
Das ist ja mal ein Ding 😀
@ Adrian:
An der betreffenden Schule sind „König“ und „Königin“ offenbar nicht Geschlecht (sex), nicht einmal Geschlechterrolle (gender), sondern bloß „Rolle“. Denn weder das biologische noch das soziale Geschlecht einer Person scheint dafür ausschlaggebend zu sein, ob sie die Rolle des Königs oder der Königin übernimmt, sondern schlicht ihre Entscheidung.
Im Übrigen will ich hier weder das Mannsein mit irgendeiner Sauce anrichten, noch den Mangel des Weiblichen in homosexuellen Beziehungen hochstilisieren. Mir schien es nur etwas gewagt, die persönlichen Entscheidungen der hier nun einmal Gewählten in Unkenntnis ihrer Lage und Überlegungen in Frage zu stellen. Das mag vielleicht kein Paradebeispiel für die Akzeptanz der Eigenart homosexueller Beziehungen sein, aber es ist nun auch kein krasser Fall heteronormativer Unterdrückung. Immerhin können zwei Männer zum Königspaar gewählt werden.
In einer Monarchie kann es ohnehin nur einen Herrscher geben: der König ist immer einer. Wenn er eine Frau hat, so ist sie bloß Titularkönigin. Ist der Herrscher selbst eine Frau, so ist sie Königin, und der männliche Partner meistens nicht einmal Titularkönig (sondern „Prinzgemahl“ oder dergleichen). Das ist natürlich sexistisch, aber bitte. Ein schwules Herrscherpaar hat die Welt wohl noch nicht gesehen, aber es ist nicht anzunehmen, dass es in einem solchen Fall zwei „Könige“ gäbe.
@ martin
Ich will hier keinen krassen Fall heteronormativer Unterdrückung konstruieren, ich wundere mich nur. Ich jedenfalls würde mich nicht in die Rolle als Königin einfügen, und ich würde ebenso wenig wollen, dass mein Partner sich als die Königin an meiner Seite sieht. Ich bin schwul, was heißt, dass ich ein Mann bin, der auf Männer steht. Ich brauche keine Rollenzuschreibung, dass ich oder der Partner in meiner Beziehung irgendwie eine Frau ist.
Die „Krönung“ fand eben nicht in einer „schwulen Umgebung“ statt, wo wir alle mal Scherze machen, wie sehr Frau wir doch sind, was für Schlampen und hübsche Weiber usw., sie fand in einer überwiegend heterosexuellen Umgebung statt. Und das macht für mich den Unterschied. Es wird doch suggeriert: Selbst bei zwei Jungs, einer von beiden hat gefälligst Königin, also Frau, zu sein, damit auch ja alles seinen heterosexuellen (Mann und Frau) Gang geht.
Aber vielleicht sehe ich das alles auch zu eng 😉
@Adrian
Du siehst das genau richtig! Heteros können nur in Mann-Frau-Kategorien denken, wenn es um Paare geht. Einer der beiden muß doch die „Frau“ sein!?