Der Mann mag ja gut aussehen, aber was Christian Lindner jetzt mit Philipp Rösler, Birgit Homburger und Daniel Bahr ausgeheckt haben soll, das könnte auch den letzten Liberalen aus der Partei vertreiben:
Angesichts schlechter Umfragewerte hat sich die FDP-Führung laut einem Zeitungsbericht auf eine Kurskorrektur verständigt. Ziel der strategischen Neuausrichtung sei, die einseitige Ausrichtung auf Steuersenkungen zu beenden und der liberalen Politik wieder stärkere soziale Akzente zu verleihen
Zur Kritik der Ideologie der sozialen Gleichheit verweise ich auf meinen Beitrag über Norbert Bolz: Warum der Wahn der Gleichheit in die Inhumanität führt.
Eine inhaltliche Begründung für den Kurswechsel liefern Lindner und Co. bemerkenswerterweise nicht. Der einzige Grund scheinen die aktuellen Umfrageergebnsisse zu sein.
Um sich endgültig ununterscheidbar von den anderen sozialdemokratisch-sozialistischen Parteien zu machen, fordert jetzt auch die FDP
einen Beitrag der Wohlhabenden zum Sparpaket.
Ob das hierfür abgekupferte erdachte Instrument allerdings in der Praxis das erwünschte Ergebnis erzielt?
So lasse die Partei vom FDP-Haushaltsexperten Otto Fricke derzeit eine Erhöhung der Kapitalertragsteuer durchrechnen, die erst 2009 unter Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) gesenkt wurde.
Huh, Kapitalertrag, das trifft die Bonzen! Trifft es?
Kapitalerträge aus Sparbriefen, Rentenfonds oder Aktiengeschäften sollen dem Bericht zufolge künftig nicht mehr zu 25 Prozent, sondern pauschal bis zu 30 Prozent besteuert werden.
Höhere Besteuerung der Erträge aus Sparbriefen, Rentenfonds und Aktien? Ein wahrhaft revolutionär-soziales Programm! Dumm nur, dass das am ehesten die Bezieher mittlerer Einkommen treffen wird. Oder reiht sich die Partei auch damit ganz bewußt in die Riege der anderen Parteien ein, deren praktische Sozialstaatsverteidigung eher selten tatsächlich gegen „die Reichen“ zielt?
Möglicherweise arbeitet die Partei in Wahrheit längst an ihrer Selbstauflösung. Das würde das scheinbar kopflose Agieren wenigstens erklären.
Schlimmstenfalls kommt eine solche Allianz dabei heraus:
DER EURO-CRASH. Griechenland war nur der Anfang, mit J. Elsässer und F. Schäffler (MdB FDP), 9. Juli, 20 Uhr, Russisches Haus, Berlin, Friedrichstraße 176
Die Fraternisierung der Partei Jürgen Möllemanns mit der Volksinitiative Jürgen Elsässers. Was für ein Albtraum!
Wer nicht wählen geht, der lebt gesünder.
Ha, die machen und versprechen alles, um an der Macht zu bleiben. Vonwegen Populismus! Neopopulismus ist angesagt. Ausgerechnet Lindner, smarter Drückerkolonnenadjutant, verkooft Sack und Seele für die Bügelfreiheit.
Wer hätte das gedacht, dass die FDP noch einmal auf die Idee kommt, dass es auch jenseits der Steuersenkung politisches Handlungspotential gibt. Ich würde es aber nicht unbedingt als Neuerfindung des Rades bezeichnen, wenn man statt Steuersenkungen plötzlich Steuererhöhungen fordert – das ändert ja nichts an der ökonomistischen Verkürzung. Insofern war die FDP ja auch bisher von den übrigen Parteien nicht zu unterscheiden, bloß hat sie ihren Ökonomismus nicht unbedingt sozialdemokratisch praktiziert.
Trotz allem bleiben die Freidemokraten meine einzige Hoffnung. Wer auch sonst? Die FDP ist die einzige existierende deutsche Partei, von der ich überhaupt irgendetwas erwarte, die einzige, die überhaupt in der Lage ist, mich zu enttäuschen. Und das tut sie zweifelsohne mit großem Erfolg.
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,699777,00.html
Alsooo, ich versuche das jetzt mal zu erklären. Schaut man sich den oa Link an, so wird deutlich, dass es in dieser Gesellschaft ein zutiefst egalitäres Grundebdürfnis zu geben scheint. Die Rhetorik, die mittlerweile allenthalben präsent ist, ist die: Arbeiten gehen lohnt sich nicht, die da oben, die Mittelschicht erodiert, Abstiegsängste wohin das Auge blickt. Keiner freut sich über diejenigen, die es „geschafft“ haben, alle reden vom Abstieg.
Diese Art des Rhetorik ist natürlich ein Selbstläufer und schürt Ängste; nachdem ich den Spiegel-Artikel las, stand mir glasklar vor Augen, was ich alles NICHT habe, und dass mein Leben ja auch ganz schön schwierig ist. Darum geht’s jetzt aber nicht..
Die FDP ist als Partei, genau wie der Neoliberalismus, irgendwie anstrengend (hier rede jetzt nicht ich…), gerade wenn man in einer Welt des Wohlstandes und der Gewissheiten groß geworden ist. Warum schafft es die FDP es nicht, sich in der Schaltzentrale des neubürgerlich protestantischen „ein Stück weit“ Biomilieu im Prenzlauer Berg durchzusetzen? Oder in der Hochschule, wo man als Liberaler ohne FDP Parteibuch ziemlich dumm dasteht und auch gerne mal komsich angeschaut wird, von den ganzen Hobby Foucaults und Judith Butlers mit c4? Ich werte den Vorstoß als ein Versuch, in die durch und durch sozialdemokratisierte Mitte vorzudringen…
Ich habe mich irgendwann mal dazu geäußert, aus einer linken Bio-Familie stammend weiß ich zwar mittlerweile, wie sexy der Kapitalismus ist, kann es aber zuweilen nicht verhindern, dass die Eziehung volle Latte durchschlägt. Und meine Vermutung ist, dass die Kehrtwende eben diesem Geist entspringt.
Wuff, langer Kommentar, Versuch einer Erklärung, nichts weiter….
Der von mir hochgeschätzte Frank Schäffler ist der aufrichtigste und glaubhafteste Liberale in dieser ansonsten schnarchnasigen und in weiten Teilen grundsatzfreien FDP-Bundestagsfraktion. Aber er sollte zwei Dinge unterlassen:
1.) Mit Elsässer setzt man sich nicht auf ein Podium!
2.) Für André Lichtschlag schreibt man keine Kolumnen!
@ Timo
Tatsache ist, dass die FDP eine Murkspartei ist. Ihr „Liberalismus“ ist unausgegoren, eigentlich kaum vorhanden. Nehmen wir mal diese Steuersenkungsgeschichte: Steuern senken zu wollen ist eine Sache, es nützt aber nichts, wenn man nicht gleichzeitig eine Vorstellung von den Grenzen und Aufgaben des Staates hat. Die FDP tut zwar immer so, als sei sie für weniger Staat, aber nur bis zu dem Punkt, an dem es ihre Klientel nicht trifft.
Mit Wettbewerb und Marktwirtschaft hat diese Partei ebenso wenig am Hut, wie alle anderen Parteien in Deutschland auch. Das ist aber kein Wunder, denn eine Partei kann kein wirkliches Interesse an weniger Staat haben – zumindest nicht, wenn sie in der Regierung ist.
@Adrian
Das habe ich nie bestreiten wollen, ich habe lediglich versucht zu erklären, wie sich dieser Sinneswandel – der keiner ist – erklären lässt. Hatte nie die Absicht, das Hohlied des Staates zu singen. Nur ginge eine Diskussion über die Grenzen staatlicher Macht und Einflußmöglichkeiten wirklich an die Substanz der Konsensgesellschaft, in der wir leben und in der der Staat als Garant dieses Konsenses betrachtet wird. Die Diskussion über weniger Staat wäre äußerst schmerzhaft und zäh -muss aber mal geführt werden. Habe unlängst mal laut über Privatisierung des Hochschulwesens nachgedacht…. Eine Wurzelbehandlung ist nichts dagegen… 🙂
Ich empfehle allen, die hier vorbeischauen, mal folgendes zu lesen und weiter zu verbreiten. Um den sozialdemokratischen Konsens zu brechen, muss man an der Wurzel des Verständnisses ansetzen:
Klicke, um auf Manifest.pdf zuzugreifen
382 Seiten ? Ich bin blond…
Spaß beiseite, ist runtergeladen, wird gelesen und beizeiten kommentiert.
Blankertz hat ja vor Menschengedenken einmal so etwas wie einen vernünftigen Artikel zum Thema Homosexualität für eigentümlich frei geschrieben. Aber er sitzt bis heute im „Redaktionsbeirat“ und schreibt regelmäßig für Lichtschlags Zeitschrift. Wie man das wohl beurteilen muss?
Blankertz‘ „Libertäres Manifest“ kann man hier lesen und diskutieren:
http://www.forumromanum.de/member/forum/entry_ubb.user_125036.2.1109440018.1109440018.1.stefan_blankertz_libertaere_manifest-liberalismus_de.html?onsearch=1
In dem Zusammenhang empfehlenswert, was der einsame Wüstenrufer Detmar Doering aus seiner libertären Instituts-Oase den parteiliberalen Irrfahrts-Karawane versucht, auf den Weg zu geben:
http://www.wirtschaftspresse.biz/psepp/fn/pcc/sfn/showedetail/DocID/1060838/EditionID/4/SectionID/2/PageID/1060827/pDay/21.06.2010%2000:00:00/showtyp/1/SH/47bb02a229dca99abc505000171293/index.html
@DDH: Schöner Text, danke für den Hinweis!
Die FDP gehört weggeharkt:
http://ef-magazin.de/2010/07/24/2376-das-fast-food-debakel–die-freidemokraten-sind-unreformierbar