Necla Kelek fordert ein Burka-Verbot in Deutschland. Ihre Begründung:
Das Tragen des muslimischen Ganzkörperschleiers habe „nichts mit Religion und Religionsfreiheit zu tun“.
Das mag ja sein, aber ist das ein Grund für ein Verbot? Kelek weiter:
Hinter der Burka stecke eine Ideologie.
Geschenkt. Doch nochmals: Ist das ein Grund für ein Verbot?
„Die Frau hat in der Öffentlichkeit nicht das Recht, ein Mensch zu sein.“ In einer Demokratie verbiete sich eine solche Sichtweise von selbst.
Und wenn nun die Mehrheit, auch der Frauen, entscheidet, dass Frauen nicht das Recht haben, was auch immer zu sein oder zu tun? Ist das dann ein Argument gegen die Demokratie? Oder ein Grund sich aus dieser Demokratie zu verabschieden und sein Glück woanders zu versuchen?
Nebenbei bemerkt gibt es solch ein Denken nicht nur im Islam. Auch in Deutschland gibt es christliche Religionsgemeinschaften, in denen Männer und Frauen nach Geschlechtern getrennt Gottesdienst feiern, in denen Frauen nicht predigen dürfen und sich zum Beten ein Kopftuch überziehen. Das alles geschieht freiwillig. Doch Freiwilligkeit ist für Kelek gar kein Kriterium:
Deswegen müsse der Gesetzgeber eingreifen, selbst wenn es Frauen gebe, die den Schleier freiwillig wählten. Der Staat habe eine Schutzfunktion. Dazu gehöre auch, dass er prüfe, „ob die individuellen Entscheidungen einer Person gut für sie sind, oder nicht“.
Felix Neumann hat in einem Beitrag über die Frage der Freigabe von Drogen ausführlich begründet, warum sich der Staat aus individuellen Entscheidungen herauszuhalten hat:
Selbstzerstörerisches, gesundheitsschädliches Verhalten läßt sich nicht verbieten. Solche Verbote wollen bestimmte Wertpräferenzen durchsetzen, die legitim nur jede einzelne für sich festlegen kann: Die Abwägung, ob die Freude am Drogenkonsum die verkürzte Lebenszeit aufwiegt (der Kick von Extremsport die ausgeleierten Gelenke aufwiegt und so weiter), kann nur individuell entschieden werden. Die Argumentation, man müsse Menschen vor sich selbst schützen, zieht nicht: Sich frei entscheidende Menschen vor sich selbst schützen heißt, fremde Präferenzen aufzuzwingen. (…) Natürlich hat die Ausübung von Freiheit ihre Grenzen. Aber in einer freiheitlichen Gesellschaft muß »erlaubt« der Standard-Zustand sein, auch wenn das Erlaubte als Übel eingeordnet wird. Freiheit darf nur in Abwägung gegen die Freiheit anderer eingeschränkt werden, und dabei ist stets das mildeste Mittel zu wählen und abzuwägen, ob die störende Freiheitsausübung nicht geduldet werden muß.
Müssen wir aber nicht beachten, dass das Tragen einer Burka in einem ideologischen Kontext erfolgt, der auch das Desinteresse an der Freiheit beinhalten mag? Um mit Felix zu antworten:
Freiheit heißt auch, die objektiv (?) schlechte Entscheidung zuzulassen; zu einem freiheitlichen Staat gehört es auch, zu dulden, daß nicht alle an ihm mitwirken, daß nicht alle sich für ihn interessieren.
Bedeutet das nun auch, dass der scheinbar so kluge Satz „Keine Toleranz der Intoleranz“ gar nicht so klug ist, wie er daherkommt? Die notwendige Grenze der Toleranz zeigt treffend Stefan Blankertz auf:
Während der Staat also viele Dinge tut, um die wirkliche Integration zu verhindern und stattdessen mit Sozialhilfe von der Bürokratie abhängig macht, schützt er bemerkenswert lasch die individuelle Freiheit, wenn es um Probleme innerhalb der Parallelgesellschaften geht. Dies ist durchaus nachvollziehbar, denn dabei geht es um das Austrittsrecht: Genauso, wie es das Recht gibt, sich einer Gruppe, Religion oder Kultur, in die man hineingeboren wurde oder die man sich ausgewählt hat, zugehörig zu fühlen, muss es ein Recht geben, auszutreten. Das eine Recht bedingt das andere. Eine Gruppe, die das Austrittsrecht verweigert, darf (muss?) gezwungen werden, den Austrittswilligen gehen zu lassen.
Blankertz führt aus:
Toleranz ist der einzige Wert, der universell aufgezwungen werden darf: Er gehört nicht zu einer speziellen „Kultur“, sondern ist die Bedingung der Möglichkeit eines friedlichen Zusammenlebens. Wer gegen den Wert der Toleranz verstößt, provoziert Konflikt und Krieg. Die Toleranz ist insbesondere kein gleichsam natürlicher Ausfluss aus dem real existierenden Christentum, wie es manche Propagandisten mit schlecht funktionierendem historischem Gedächtnis in der Frontstellung gegen den Islam behaupten. Der Toleranzgedanke (und mit ihm das Austrittsrecht) ist dem Christentum durch Aufklärung und die nachfolgenden Auseinandersetzungen abgerungen worden. In gleicher Weise muss er dem Islam abgerungen werden (von dem die Minderheit der christlichen Theologen, die in der „ersten Aufklärung“ des 13. Jahrhunderts für Toleranz eintrat, den Gedanken übernahm). Das ist die notwendige Integration. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Mehr Integration zu verlangen, ist im Prinzip das gleiche Unrecht, das von den Islamisten ausgeht.
Wer ein Verbot der Burka verlangt, stellt sich nach dieser Lesart auf eine Stufe mit den Islamisten. Angemessen – und durchzusetzen! – ist in einer freiheitlichen Gesellschaft lediglich das Recht, keine Burka tragen zu müssen, also die Möglichkeit, sich individuell von der islamischen Religion verabschieden zu können, ohne mit Repressalien gegen Leib und Leben rechnen zu müssen.
Wenn der Staat anfängt, das Handeln seiner Bürger nicht nur nach äußeren Wirkungen zu betrachten, sondern anfängt, seine Motive abzufragen, dann ist der Schritt zum Totalitarismus schon zur Hälfte gegangen. Liberalität bedeutet auch, es den Bürgern freizustellen, aus welchen Gründen sie die Gesetze befolgen – ob aus tiefer Überzeugung oder auch nur widerwillig. Und das Tragen der Burka ist aus guten Gründen nicht verboten. Es geht den Staat schlicht nichts an, wie seine Bürger ihr Haupt bekleiden oder nicht bekleiden, solange sie es freiwillig tun. Es gibt zu dieser Debatte nicht mehr zu sagen.
Wer sich von Kopf bis Fuß vermummt und damit seine Person vor den Mitmenschen verbirgt, hat im öffentlichen Raum nichts zu suchen. Jeder und jede hat einen Anspruch darauf, zu erkennen, wer ihm gegenübersteht. Das ist der eine Punkt. Der andere ist der Anschlag auf die Menschenwürde der Frauen. Die Ganzkörperverhüllung unterstreicht die Minderwertigkeit der Frau und ihre Rolle als Sexualobjekt. Der dritte Punkt schließlich ist die Beleidigung der Männer als dauergeiler Vergewaltiger, vor denen Frauen sich nicht anders schützen können als durch Vollverschleierung.
@ Ralf: Das erste ist ein Kategorienfehler, das zweite ist ein Kategorienfehler und das dritte ist auch ein Kategorienfehler. Denn zum einen hat niemand irgendeinen Anspruch darauf, wie andere Personen im öffentlichen Raum aufzutreten haben – jemandem „gegenüberzustehen“ ist etwas völlig anderes, und niemand ist gezwungen, z.B. mit einer ganzkörperverhüllten Person zu sprechen (es sei denn irgendwelche Antidiskriminierungsrichtlinien verhindern das – aber das beweist nur, das linksliberales Denken sich gerne als Einfallstor für illiberales Denken prostituiert). Und zum anderen, ich wiederhole mich, ist die die Interpretation einer Handlung, einer Handlungsmotivation, eines Symbols usw. keine staatliche Hoheitsaufgabe. Es ist bereits verboten, Frauen etwa zum Tragen der Burka zu zwingen, und mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Was spricht dann eigentlich dagegen in SS-Uniform in der Gegend herumzulaufen oder noch besser Uniformaufmärsche von links- und rechtsextremen Gruppen?
Orthodox-sunnitischer Islam, nämlich die Islamform, die die Burqa symbolisiert, kann in seiner klassischen Form unter anderem mit folgenden schönen Regeln aufwarten:
– Atheisten, Polytheisten, Dualisten und andere, wie beispielsweise Buddhisten haben kein Lebensrecht, sie haben nur die Wahl zwischen Islam und Tod.
– Der Vater und der Großvater väterlicherseits hat das Recht als wali mudschbir die Braut auch gegen ihren ausgesprochen Willen in die Ehe mit einem beliebigen Muslim zu zwingen. Eine Ehe kann schon it einer neunjährigen Braut vollzogen werden.
– Eine Muslimin hat unter keinen Umständen das Recht einen Nichtmuslim zu heiraten. Auch darf sie den Islam nicht verlassen, den darauf steht die Todesstrafe.
– Der Angriffskrieg zu Eroberung immer neuer Territorien für den Islam ist eine gemeinsame religiöse Pflicht (fard kifaya) der Gemeinschaft der Muslime (umma).
– Frieden zwischen dem Gebiet des Islams (dar al-islam) und nichtmuslimischem Gebiet, dem sogenannten Gebiet des Krieges (dar al-harb) darf es nicht geben, lediglich ein Waffenstillstand (hudna) ist bei Unterlegenheit der Muslime für maximal zehn Jahre erlaubt.
All diese Bestimmungen sind Bestimmungen des klassischen islamischen Rechts und bis heute keineswegs aufgehoben. Man hält es nur fnicht ür opportun, sie im Moment an die große Glocke zu hängen.
@ anderer Martin:
Nach meinem Eindruck spricht eine ganze Menge dagegen, in SS-Uniform in der Gegen herumzulaufen, übrigens ähnlich wie dagegen, in Ganzkörperverschleierung herumzulaufen. Aber um meinen Eindruck geht es hier nicht. Dass es gewisse Gründe gibt, warum nationalsozialistische Symbolik und nationalsozialistische Gesinnung in Deutschland in besonderer Weise rechtlich verfolgt werden, liegt auf der Hand. Eine konsequent liberale Position wird diese Ungleichbehandlung prinzipiell auch ablehnen. (Eine gruppenweise politische Demonstration ist übrigens ein wenig etwas anderes als das individuelle Zurschaustellen relgiöser Überzeugungen. Ich jedenfalls habe noch nichts von einer Demonstration von Burka-Trägerinnen in Deutschland gehört.)
Es ließe sich höchstens pragmatisch argumentieren, d.h. die liberale Demokratie muss sich gegen eine Gefährdung verteidigen (sog. „wehrhafte Demokratie“), die durch den Neonazismus eher besteht als durch orthodoxe Sunniten. Aber auf solche Aufrechnereien will ich mich hier nicht einlassen.
Mir scheint jedoch, dass die Neigung, auf Grund irgendwelcher Phantomdiskussionen – wie über Ganzkörperverschleierung von muslimischen Frauen – unsystematisch Grundrechte außer Kraft zu setzen, bloß weil man besser zu wissen meint, warum diese Frauen das tun und was sie damit zum Ausdruck bringen wollen, wesentlich gefährlicher ist, als alles Nazitum und orthodoxer Islam zusammen.
Außerdem möchte ich noch einmal wiederholen: Auf dem Boden des Grundgesetzes gibt keinen gesinnungsmäßigen Bekenntniszwang für die Demokratie.
@ anderer martin:
Das Problem besteht darin den Islam lediglich für eine „Religion“ und damit für so etwas ähnliches wie Christentum oder Buddhismus zu halten und zu meinen es sei nur der „Islamismus“, der irgendwie vom Islam abgrenzbar sei, der das Problem darstellt.
Der Islam ist nach Kommunismus und Nationalsozialismus der dritte Totalitarismus, mit dem Europa fertig werden muss. Dass der Kern des Islams ein religiöser ist, macht das Problem nicht kleiner, sondern wesentlich größer.
Der Zug in Richtung islamischer Orthodoxie rollt weltweit schon seit mehr als 100 Jahren und die Fahrt wird immer schneller. Unsere Diskurseliten versuchen das, wo immer möglich, zu verschleiern und schönzureden.
Hellsichtige Wissenschaftler wie etwa Ernest Gellner haben die Gefahr schon in den 1980er erkannt und klar benannt. Andere, wie Bassam Tibi, haben immer wieder öffentlich gewarnt, bis sie von der wissenschaftlichen Community weggemobbt wurden.
Jetzt ist Necla Kelek dran, weil sie sich diese mutige Frau nicht mundtot machen lassen will.
Ich erlebe es an der Uni täglich, wie in den Geisteswissenschaften jeder, der es wagt den Islam zu kritisieren, fertig gemacht wird.
Das Haus Europa brennt schon lichterloh, was den Islam angeht, aber von Monat zu Monat wird die Berichterstattung immer repressiver, wenn es um die negativen Auswirkungen des Islam geht.
Ich habe selbst miterlebt, wie es einer befreundeten Journalistin erging, weil sie das Kuscheln unseres Establishments mit türkischen Islamnationalisten immer wieder zum Thema gemacht hat. da wird mit allen Mitteln gearbeitet
Ich dachte lange, dass man nach der Erfahrung des Nationalsozialismus gelernt hätte, dass man die Feinde der offenen Gesellschaft nicht tolerieren darf. Aber leider hat man das, wenn es um den Islam geht, völlig verdrängt.
Wer glaubt totalitäre Bewegungen mit Toleranz besiegen zu können, hat nichts aus der Vergangenheit gelernt.
Angenommen, meine Religion verlange die Verhüllung meines Autokennzeichens. Könnte ich mich dann auf das Grundgesetz berufen, wenn die Polizei mich stoppen würde?
wer das burkatragen zulässt muss auch das SS-Uniform- Tragen zulassen. Kategorienfehler hin oder her.
so einfach ist das.
man sollte – wenn denn schon – JEDE faschistoide tracht verbieten. und dazu zähle ich auch stalin und maoabzeichen.
@ Carsten Penkella:
Offenkundig gibt es Grenzfälle. Prinzipiell ließen sich natürlich alle möglichen Absurditäten unter Berufung auf eine religiöse Überzeugung verteidigen. Allerdings ist mir keine Religion bekannt, die das Verhüllen von Autokennzeichen vorschreibt; andererseits ist der Islam als Weltreligion keine Einpersonen-Splittergruppe. Dass an der Abwägung verschiedener Rechtsgüter im Einzelfall kein Weg vorbei führt, ist klar, allerdings nicht besonders aufregend. Schließlich könnte ich mich für die Verhüllung des Autokennzeichens auch auf die Meinungsfreiheit etc. berufen. Und außerdem geht es hier nicht darum, Burkatragen zu einem politischen Gebot zu erheben, sondern lediglich darum, ein Pauschalverbot zurückzuweisen.
@ vitzliputzli:
Auf SS-Uniformen ist selbstverständlich dasselbe Prinzip anzuwenden wie auf die Burka. Das heißt: Individuelle Freiheitsrechte enden dort, wo Rechte anderer verletzt werden. Nach meinem Eindruck tendieren SS-Uniformen als symbolische Darstellung des Nationalsozialismus arg in die letztere Richtung. Allerdings gebe ich Dir insoweit recht: es darf keine prinzipiellen Ungleichbehandlungen geben.
@ anderer Martin:
Ich denke nicht, dass uns Ernst-Nolte-Thesen á la Islam bzw. Islamismus als „dritte Widerstandsbewegung“ weiterhelfen. Ich denke auch nicht, dass man das Problem los wird, indem man den Islam von der Religion zur politischen Ideologie macht. Zum einen scheint mir das sachlich unangemessen, zum anderen ist die Grenze zwischen religiöser Überzeugung und Ideologie aber ohnehin fließend. Der Vergleich von Islam und Nationalsozialismus verunklart bloß die Situation. Denn natürlich ist es in einer Demokratie niemandem verboten, nationalsozialistisch oder totalitär zu denken – allenfalls ist es untersagt, dieses Denken zu praktizieren oder symbolisch zum Ausdruck zu bringen. Die Parallelisierung von politischem Totalitarismus und Islam (!) halte ich jedoch für – Verzeihung – hysterisch.
In der Vergangenheit hat sich das deutsche Modell der Zusammenarbeit von Staat und Religion durchaus bewährt, in dem es etwa zur Einbindung der Demokratie gegenüber skeptisch eingestellter Glaubensgemeinschaften (wie der katholischen Kirche) beigetragen hat. Mit anderen Worten: Toleranz gegenüber der Präsenz religiöser Überzeugungen im öffentlichen Raum zu zeigen, ist nicht allein Verfassungsgebot, sondern auch ein Gebot integrationspolitischer Klugheit.
Schließlich scheint mir Deine Wahrnehmung der Diskurslage irritierend: Jedenfalls liegt es mir fern, etwa Necla Kelek „mundtot“ zu machen oder Islamkritiker an der Uni „fertig zu machen“. Ein Kuschelbedürfnis habe ich auch nicht, ganz im Gegenteil.
Ich kann mich letztendlich lediglich darin wiederholen, dass ein Verbot von Ganzkörperverschleierungen offensichtlich einen Verstoß gegen die grundgesetzliche Ordnung darstellt und den Raum einer offenen Gesellschaft verlässt. Dabei ist es vollkommen unerheblich, ob man den Islam für totalitär hält oder nicht – wer ist ermächtigt, darüber ein Urteil zu fällen? Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit geht von einer Handvoll Burkaträgerinnen nicht aus. Man sollte allerdings nicht glauben, dass antiliberale Einstellungen im Islam oder sonstwo in einem luftleeren Raum entstehen. Ich sehe keinen Grund, politische Widerstandsbewegungen wie den gewaltbereiten Islamismus durch systematische Pauschaldiskriminierung aller Muslime noch zu bestärken. Denn es ist ja nicht so, dass es eine Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime gäbe, die die Demokratie am liebsten abschaffen würden – ganz abgesehen davon, dass noch nicht einmal alle „Muslime“ in Deutschland überhaupt Muslime in einem religiösen Sinn sind. Also bitte: Einen kühlen Kopf bewahren!
@ martin
Die diffuse Angst der Mehrheit der Deutschen und der Europäer vor dem Islam ist meiner Ansicht ganz berechtigt und beruht auf einer Wahrnehmung der Wirklichkeit, obwohl unsere Medien mit immer größerem Aufwand die Friedlichkeit und Toleranz des Islam zu inszenieren versuchen.
Das Problem besteht darin, dass eine ganz große Mehrheit derjenigen, die sich ernsthaft mit dem Islam auseinandersetzen in eurozentrischen Begriffen, Denkmustern und Narrativen gefangen ist.
Selbst in der Islamwissenschaft spielt Empirie nur eine ganz untergeordnete Rolle. Die Universität produziert ein positiv verzerrtes Islambild, das mit der Wirklichkeit wenig zu tun hat.
Die gesamten Geisteswissenschaften sind von nicht hinterfragbaren Grundannahmen geprägt, die leider falsch sind.
Die meisten dieser Grundannahmen stammen aus den Trümmern der linken Ideologie der 68er.
Zu diesen Grundannahmen gehören:
– Was Religionen ist und was Weltanschauung ist unterscheidbar: Weltanschauungen sind potenziell gefährlich (Kommunismus, Nationalsozialismus, Rassismus), Religionen nicht.
– Alle Kulturen und Religionen sind im Ergebnis gleichwertig. Ungleichheit beruht lediglich aus Diskriminierung.
Die gesamt Welt bewegt sich in Richtung Aufklärung, Humanismus, Rückgang der Religion. Auch der Islam werde sich dem nicht entziehen können.
Alle oben genannten Annahmen sind mehr als einmal von namhaften Wissenschaftlern widerlegt, das wird nicht thematisiert.
Selbst Kulturwissenschaftler, die sich für „kritisch“ und „kultursensibel“ halten, haben fast nie einen intimen Einblick in nichtwestliche, nichtindustrielle Kulturen.
Man kennt im besten Fall ein paar Japaner oder Chinesen, verwestlichte Inder oder den einen oder anderen ganz gut assimilierten Moslem.
Menschen aus ganz fremden kulturellen Zusammenhängen (z. B. nicht westlich gebildete, einfache Schwarzafrikaner, gläubige orthodoxe Muslime, Menschen aus Stammeskulturen) tut man sich nicht an. Wissenschaftler die dies tun, nämlich vor allem Ethnologen, die Feldforschung betreiben, müssen heute, wenn sie etwas werden wollen, völlig der Ideologie des Kulturrelativismus, die zu einer völligen Desorientierung führt, unterwerfen.
Diejenigen, die sich den oben genannten fremden kulturellen Zusammenhängen ausgesetzt haben, können nicht über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse sprechen, ohne dafür aufs übelste geschmäht und oft auch gemobbt zu werden.
Zudem stellen die Probleme mit dem Islam, falls sie grundsätzlicher Natur sein sollten, was sie meines Erachtens sind, die Deutungshohheit der Problemlösungsfähigkeit unserer Eliten ernsthaft in Frage, weshalb sie mit allen Mitteln unterdrückt werden.
Ich kann mittlerweile ein Lied davon singen, wie es jedem geht, auch wenn er Fachwissenschaftler an der Uni ist, der sich dem Konsens die Probleme mit dem Islam schönzureden,verweigert. Es gibt da mittlerweile kleinere Netzwerke, von Leuten die ihre Ansichten kaum noch öffentlich sagen können. Das ist ein absolutes Alarmsignal!
Die Probleme werden früher oder später ganz massiv hervorbrechen. Je später das geschieht, umso schlechter sind die Aussichten, dass die europäischen Kultur dies ohne größere Beschädigungen und Opfer überstehen wird. Im schlimmsten Fall wird die europäische Kultur daran zugrunde gehen.
@ Martin:
Nun, ich bin wohl nicht so pessimistisch wie Du. Allerdings will Dir gerne versichern, dass ich kein Anhänger der 68er bin und die von Dir aufgezählten (falschen) Grundannahmen gegenwärtig dominierender Geisteswissenschaften ganz ausdrücklich nicht teile. Du darfst den Islam gerne so viel kritisieren wie Du willst, ggf. werde ich Dir auch zustimmen, nur sehe ich darin keinen Widerspruch zu meiner Haltung.
Man sollte sich übrigens, wenn man sich aus christlich-konservativer Motivation mit Laizisten und Säkularisten gegen den Islam und die Prinzipien religiös-weltanschaulicher Freiheitlichkeit verbündet, darüber im Klaren sein, dass sich diese Allianz über kurz oder lang gegen die eigenen Interessen wenden wird. Denn es bleibt unredlich und ist für die große Mehrheit der Bürger nicht überzeugend, von Muslimen einen Verzicht auf religiöse Überzeugungen bzw. religiöse Symbole zu verlangen oder ihn zu erzwingen, dies Christen und anderen Religionsgemeinschaften aber nicht aufzuerlegen. (Das ist ein genereller Punkt, der sich nicht unbedingt gegen Dich richtet.)
@ martin
Ich bin durchaus pessimistisch, wenn nichts unternommen wird. Was wir heute beobachten sind keineswegs die Reste eines importierten traditionellen Islams, sonder es ist die Vorhut der Ausbreitung des orthodox-fundamentalistischen Islams.
Dieser Vormarsch geschieht weltweit und hat schon im 19. Jahrhundert begonnen. Die Bewegung nimmt dabei immer mehr Fahrt auf und ebbt keineswegs ab. Auch sind die Grunde dafür nicht in Konstrukten wie „Globalisierung“, „Imperialismus“ oder „Islamophobie“ zu suchen, sondern in den besseren Möglichkeiten für Muslime sich religiös zu informieren und zu bilden. Bis in die 1920er Jahre wurde der Koran in der arabischen Welt nicht gedruckt, sondern von Hand abgeschrieben. Lange konnte so gut wie keiner, auch Araber nicht, klassisches Hocharabisch verstehen, Bücher waren fast unerschwinglich.
Der große Fehler besteht darin, so etwas wie Christentum, Buddhismus und Islam für Spielarten eines im Grunde gleichartigen Phänomens, nämlich „Religion“ zu halten.
Diese verschiedenen Systeme sind extrem unterschiedlich zugeschnitten: Zen-Buddhismus ist beispielsweise nicht viel mehr als ein sehr persönlicher Heils- und Erkenntnisweg, der gut ohne so etwas wie „Gott“ oder „Seele“ auskommt, orthodoxer Scharia-Islam dagegen ist ein totalitäres System, das alle Bereiche des menschlichen Zusammenlebens haarklein reglementiert und auf weltweite Expansion angelegt ist, und zwar gewaltsame Expansion, wenn es nicht problemlos friedlich geht.
Todes- und Gewaltdrohungen gehören beim orthodoxen Islam ebenso zum System, wie die Täuschung des Feindes (und Feind ist jeder, der kein orthodoxer Moslem ist).
Das Etikett „Religion“ verschleiert mehr als erhellt. Weil die Sachverhalte aber sehr komplex sind, verzichtet man ungern auf das Etikett „Religion“, das die Welt überschaubarer erscheinen lässt.
Das Christentum, das über tausend Jahre lang die geistige Grundlage unserer Kultur gebildet hat, ist meines Erachtens heute bis ins Mark beschädigt, vor allem der europäische großkirchliche Protestantismus. Da bricht schneller etwas weg, als man dafür Ersatz schaffen kann.
Ich sehe in Europa im Christentum auf mittlere Sicht keinerlei Gefahr, ganz im Gegenteil, die Gefahr entsteht durch das geistige Vakuum.