Vor ein paar Jahrzehnten noch war die deutsche Volksgemeinschaft der Meinung, Homosexuelle sollte man in den Knast sperren, mit Elektroschocks behandeln oder – wenn es gar nicht mehr anders geht – kastrieren. Heute dagegen findet es die Mehrheit unserer Landsleute in Ordnung, wenn Schwule und Lesben Kinder adoptieren dürfen.
Volker Beck nimmt dieses Ergebnis zum Anlass, um „Mutti“ und Schwesterwilli gehörig den Marsch zu blasen:
Einmal mehr zeigt sich: Schwarz-Gelbe Politik liegt konträr zu den Überzeugungen der Deutschen. Während fast zwei Drittel der Menschen es Lesben und Schwulen erlauben wollen, Kinder zu adoptieren, blockieren die Konservativen in der CDU/CSU und der FDP jeden Fortschritt. Am morgigen Donnerstag wird der Deutsche Bundestag über einen grünen Gesetzentwurf beraten, der das Adoptionsrecht gleichstellt. Hier wird sich zeigen, ob Schwarz-Gelb sich in der Gesellschaftspolitik modern aufstellt oder den Menschen weiterhin veraltete Familienmodelle aufzwängen will. Derweil wollen 61% der Deutschen Schwulen und Lesben die Adoption von Kindern erlauben, wie gestern eine neue repräsentative Umfrage des Respondi-Institut ergeben hat.
Beck argumentiert hier – als guter Demokrat der er nun mal ist – mit dem Argument der Mehrheit. Doch warum eigentlich? Nun, weil er nun mal Demokrat ist und ihm somit gar nichts anderes übrig bleibt, als eben mit der Erkenntnis zu kommen, die Mehrheit wolle es so, als müsse man es auch gesetzlich umsetzen.
Dabei ist das Argument der Mehrheit für die Beurteilung der elterlichen Fähigkeiten von Schwulen und Lesben vollkommen irrelevant. Denn genau so wenig, wie eine Mehrheit aus Homosexualität ein moralisches Verbrechen machen kann, ist eine Mehrheit notwendig, um die elterliche Befähigung von Schwulen und Lesben zu bestimmen.
Du hast natürlich Recht, Adrian, denn letztendlich geht es hier nicht um eine Mehrheitsfrage, d.h. eine demokratische Frage (nicht, dass Privilegien in Zukunft nach dem Gutdünken einer zufällig sich wandelnden Bevölkerungsmehrheit abwechselnd gewährt und entzogen werden, bis hin zum Privileg des Weiterlebens), sondern um eine Frage grundlegender Rechte (und damit eine liberale Lieblingsangelegenheit). Allerdings sollte man Becks Worte hier nicht auf die Goldwaage legen, schließlich versucht er lediglich eine möglicherweise bestehende Mehrheitsmeinung gegen die amtierende (demokratisch gewählte) Regierung zu instrumentalisieren. Gewiss würde er ganz anders reden, wenn 61% der Deutschen gegen die Gleichstellung im Adoptionsrecht wären.
Allerdings ist mir die Diskussion um die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare ohnehin ein Rätsel. Schließlich geht es nicht darum, alle Homosexuellen in Zukunft Kinder „zur Verfügung zu stellen“ – manch Konservativer scheint das ja ernsthaft zu glauben. Insbesondere das Argument, Schwule und Lesben seien per se schlechtere Eltern, ist mir schleierhaft. Es ist ja nicht so, dass andere Bevölkerungsgruppen, die möglicherweise per se schlechtere Eltern wären, pauschal vom Adoptionsrecht ausgeschlossen wären (z.B. Doppelverdienerpaare mit je 80 Stunden Wochenarbeitszeit oder heruntergekommene Alkoholikerpaare etc.). Vielmehr wird ja auch nach geltendem Recht bei Antragstellern stets sorgfältig geprüft, ob es sich um geeignete Eltern für ein Adoptivkind handelt. Bei Schwulen und Lesben wäre das auch nichts anders. Wo also ist das Gegenargument?
Beck hat insoweit Recht, als Union und FDP -allerdings auch Teile der Sozialdemokratie- immer gern vom Leitbild Ehe und Familie Vater-Mutter-Kinder schwafeln. Da ist es schon erlaubt, darauf aufmerksam zu machen, dass die Mehrheit der Bevölkerung dieses angebliche Leitbild für sich nicht als verbindlich anerkennt.
Zu dem Kommentar von Martin:
Ich habe letztlich eine Unterhaltung über genau dieses Thema geführt, das Gegenargument ist, dass es den Kindern gesellschaftlich schlechter gehen könnte, als den Kindern der konventionellen Ehe.
Dass „Schwuchtel“ nach wie vor ein Schimpfwort auf deutschen Schulhöfen ist, ist unbestritten.
Einerseits kann man diese Erklärung natürlich verstehen, aber andererseits und das ist wichtig, ist diese Erklärung schwachsinnig. Auch wenn es auf den ersten Blick vllt. – vor allem Nicht-Homosexuellen, die sich mit dem Thema nicht wirklich befassen – logisch erscheinen mag. Für die adoptierten Kinder könnte es bedeuten, dass sie ausgegrenzt werden von ihren Mitschülern.
In der Realität ist das aber wohl eher unwahrscheinlich. 61% sind für ein Adoptionsrecht für Homosexuelle Paare, d. h. 61% der Eltern würden offen mit ihren Kindern sprechen, wenn ein „auf diese Weise“ adoptiertes Kind in deren Klasse wäre. Mal angenommen, es gäbe tatsächlich Probleme aufgrund von Diskriminierung wären diese Kinder normalerweise zur Stelle – einmal ganz von den Lehrern abgesehen, die zu Aufklärung beitragen könnten/würden. Zudem sind diese Kinder in aller Regel glücklich und zufrieden, weshalb sie auch stolz auf ihre Eltern wären und deshalb auch um einiges selbstbewusster wären.
Außerdem ist es unlogisch, – geprüften – Paaren eine Adoption zu verweigern, nur weil ein Geschlecht nicht vertreten ist, gleichzeitig aber Kinder verhungern und misshandelt werden, obwohl die Jugendämter sogar von diesen Fällen wissen. Irgendetwas läuft hier falsch.
Schließlich wäre es wahrscheinlich sogar ein Gewinn und eine Bereicherung für unsere Gesellschaft, diese Adoptionen legal zu machen, da die Rolle homosexueller Paare und ihre direkte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben dadurch gestärkt wird.
Alles in allem ist es unlogisch, dass Politiker dagegen sind. Was spricht dagegen, Kindern, die keine Eltern mehr haben oder verwahrlosen ein neues Zuhause zu geben? Mit liebevollen, sich sorgenden Eltern, die ihren Kindern zudem etwas bieten können, die sich wirklich ein Kind wünschen und auch noch geprüft wurden?