Nun hat er sie also verboten in Deutschland, die „Internationale Humanitäre Hilfsorganisation“ (IHH). Die Begründung des Bundesinnenministers, die IHH
unterstütze die im Gazastreifen herrschende Hamas und richte sich damit gegen den Gedanken der Völkerverständigung,
klingt plausibel. Heinz Josef Algermissen wird das Verbot empören. Der Präsident der deutschen Pax-Christi-Sektion hatte Anfang Juni
eine schonungslose Aufklärung der israelischen Militäraktion gegen Friedensaktivisten gefordert. Den Angriff auf einen Hilfskonvoi vor der Küste des Gazastreifens bezeichnete der Fuldaer Bischof am Dienstag in Berlin als Tragödie und «menschliche Katastrophe». Die Untersuchung erfordere internationale Beobachter. Algermissen verlangte, die Verantwortlichen für den Einsatz und die Todesschüsse müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Zugleich appellierte der Bischof an die internationale Staatengemeinschaft, Israel zum Dialog zurückzubringen und mit ihm einen Weg aus der Krise des Nahostkonflikts zu suchen.
Ich weiß nicht, ob sich Algermissen in der Israel-Frage mit seinem Vorgänger, (Militär-)Bischof Johannes Dyba, einig gewesen wäre. In der Homo-Frage jedenfalls war man sich einig. 1991 erklärt Dyba nach einer Protestaktion während einer Messe im Fuldaer Dom:
Im Dritten Reich ist die SA auch schon auf dem Fuldaer Domplatz erschienen, um Gläubige einzuschüchtern. Aber noch nicht einmal im 3. Reich sind die Nazis in den Dom eingefallen.
Neun Jahre später äußerte Dyba,
die im geplanten Gesetz für schwule und lesbische Partnerschaften „vorgesehene Gleichstellung“ widerspreche „nicht nur der Natur, sondern auch unserer Verfassung“. Fürsorge gebe das Grundgesetz Müttern, nicht „importierten Lustknaben“. Die Verabschiedung dieses Gesetzes wäre „ein weiterer fataler Schritt in die Degeneration.“
Algermissen gab dann den würdigen Nachfolger des Hetzers aus dem Dom zu Fulda:
„Was sagen Sie zu Homosexualität?“ – „Das ist ein Problem, das nur wenige in der Gesellschaft angeht“.
Als „abartig“ bezeichnete Algermissen die Schwulen- beziehungsweise Lesbenhochzeit. Ebenso „abartig“ sei, wenn gleichgeschlechtliche Paare Kinder adoptieren könnten.
Mir ist nicht bekannt, ob sich Dyba und Algermissen hierin mit der IHH einig sind. Mit der Hamas sind sie es in jedem Fall, noch dazu hat diese auch die tatsächlichen Mittel, die Dämonisierung praktisch – und endgültig – werden zu lassen:
Von der Weltöffentlichkeit fast unbemerkt, hat sich die Menschenrechtssituation in den Palästinensischen Autonomiegebieten seit der Machtübernahme durch die islamofaschistische Hamas dramatisch verschlechtert. (…) Bedroht vom Terror der neuen Machthaber sind Palästinenser, die den muslimischen Glauben abgelegt haben oder schon immer keinen oder einen anderen Glauben hatten, Frauen und Homosexuelle. In den Palästinensergebieten werden nicht nur Grundrechte wie Religionsfreiheit oder Frauenrechte massiv abgebaut, sondern Homosexualität gilt als „Verbrechen“, das härteste Strafen, auch die Todesstrafe, zur Folge haben kann.
Exkurs: Wir haben die Regenbogenflagge von unseren Pazifisten nur geborgt
2003 war in einem Aufruf zum Berliner CSD über die damals gerade in Mode gekommenen PACE-Flagge zu lesen:
Alex Zanotelli, 65, ist katholischer Priester und war viele Jahre für seine Kirche als Missionar in Kenia und im Sudan tätig: einer dieser üblen Kolonialisten, die es immer noch nicht lassen können? Weit gefehlt, diese Vita ist im Gegenteil die unabkömmliche Voraussetzung für Padre Zanotellis momentane Tätigkeit: Er ist der Mann des Vatikans in den Reihen der alternativen Linken Europas und ein prominentes Aushängeschild der Anti-Globalisierungsbewegung in Italien, wo er gemeinsam mit Auschwitz-Relativierern wie Noam Chomsky auftritt, dem amerikanischen Stichwortgeber der No-globals.
Im Rahmen des Europäischen Sozialforums der Anti-Globalisierungsbewegung im September 2002 initiierten die Missionare um Zanotelli in verschiedenen italienischen Städten Demonstrationen unter dem an George Orwell gemahnenden Kampagnenmotto „Giubileo degli oppressi“ – Jubelfeier der Unterdrückten. Auf einer dieser Veranstaltungen, so berichteten italienische Medien später, wurde erstmalig die Überlegung diskutiert, eine abgewandelte Regenbogenfahne für politische Stellungnahmen zum gegenwärtigen Krieg zu verwenden. (…)
Mit der Befreiung des Irak hat der Absatz zwar seinen vorläufigen Zenit überschritten, doch noch dauert die päpstliche Kampagne für den Erhalt terroristischer Diktaturen im Namen des Friedens an. Das Hijacking des Regenbogens durch die Antiimperialisten vom Petersplatz hat dauerhafte Folgen: Drei Millionen Exemplare wurden allein in Italien (58 Mio. Einwohner) verkauft, und auch in anderen europäischen Ländern wird das geraubte Symbol noch oft in der Öffentlichkeit gezeigt – die bunte Fahne mit den vier Buchstaben ist jetzt das Erkennungszeichen jener verschämten Antiamerikaner, die keine sein wollen.Reclaim the Rainbow!
Seit Gilbert Baker in San Francisco in Anspielung auf Judy Garlands „Somewhere over the rainbow“ vom Vorabend des zweiten Weltkriegs das wichtigste Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung entworfen hatte, stand der Regenbogen für die Wertvorstellungen, die sich in der Folge von Stonewall 1969 – that’s why we’re here today, remember? – entwickelten: den Kampf darum, ohne Angst verschieden sein zu können. Und unabhängig davon, dass die Regenbogenfahne in dem Maße zum beliebigen Zeichen wurde, wie die Bewegung an ihrem scheinbaren Erfolg zugrunde ging, gibt es durchaus Gründe, gegen die päpstliche Vereinnahmung des Regenbogens Widerspruch anzumelden, weil es dieser Bewegung genau um das Gegenteil des Emanzipationskampfes von sexuellen Minderheiten geht: Ausgrenzung von Andersdenkenden, Unfehlbarkeitsansprüche, das Bündnis mit homophoben Terroristen und völkischen Diktaturen sowie das zustimmende Schweigen zur islamistischen Geschlechterapartheid.
George Orwell hätte keine bigottere politische Verdrehung erfinden können als Karol Woytilas Anti-Globalisierungsfachmann. Der Klerus und die Antiimperialisten haben den Regenbogen instrumentalisiert, um ihren Hass auf alles, was sie für westlich halten, in „ästhetisch ansprechender“ Verpackung zu präsentieren – eben jener, die das Beste am Westen, die sexuelle Emanzipation, sich einst als Symbol gesucht hatte. Und so konnte es nicht ausbleiben, dass einige wenige katholische Ewiggestrige, die den Schwindel nicht verstanden, aufschrieen, als Padre Zanotelli wenige Tage nach Beginn der Operation „Iraqi Freedom“ in Rom am regenbogendekorierten Altar die jährliche Gedenkprozession für Oscar Romero zum antiamerikanischen Aufmarsch umfunktionierte: Es stehe der ehrwürdigen Kirche nicht an, die Farben des Lasters zu übernehmen, so ihr berechtigter Einwand.
Doch flugs war das „Pace„-Marketing mit einem eigenen Geschichtsbild-Update zur Stelle: Schon vor Jahrzehnten sei der Regenbogen Symbol „der italienischen Friedensbewegung gewesen“, und zum Beleg dafür mussten ausgewählte Bilder von vereinzelten Auftritten von Xaverianer-Mönchen auf politischen Demonstrationen herhalten, die unter den Farben, die in der Bibel für das Ende der Sintflut stehen, für ihre Missionarstätigkeit warben. Der damit formulierte Anspruch war klar: Auch wenn damals in Italien von einer politischen Bewegung unter dem Regenbogen keine Rede sein konnte, gehörte das Symbol schon immer denen, die es heute vermarkten. Die Lesben und Schwulen haben es sich nur zeitweilig geborgt und müssen den homophoben Wortführern des Friedens mit dem Islamismus im Grunde noch dankbar dafür sein.
Und was kommt als nächstes? Eine Solidaritätserklärung der Hamas mit Bischof Algermissen, wenn der mal wieder gegen die Perversen schießt? Vielleicht erleben wir ja auch Heinz Josef Algermissen auf Missionsreise, an Bord der nächsten Gaza-Flotte. Doch Obacht, Herr Bischof! Ein mitgeführtes Holzkreuz könnte in der Dämmerung leicht wie eine Waffe wirken. Und das kann, wie man weiß, zu bösen Missverständnissen führen. Das Beste ist, Sie machen einen auf christlicher Märtyrer und werfen sich vor einen Ihrer Kameraden, wenn der gerade von einem israelischen Soldaten angegangen wird und werden dann posthum zu einem zweiten Janusz Korczak erklärt. Schließlich sind die Palästinenser die Juden von heute und die Israelis die neuen Nazis.
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