Georg und Mahmud

8 Dez

Die Klaudaisierung des homo-identitätskritischen Islamdiskurses hat jetzt auch das Waldschlösschen erreicht und so findet dort unter dem Titel „Homosexualität, Islam, Migration“ im kommenden Juni eine Veranstaltung in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung statt, deren Ankündigungstext von der „Verfolgung“ Homosexueller durch „islamische Staaten“ raunt. Doch Verzeihung, „Verfolgung“ setzt der gemeine Islamophile keineswegs in Anführungszeichen, es sind die „Homosexuellen“, die ihm nicht ganz geheuer sind. Weshalb er sich und die Veranstaltungsteilnehmer fragt:

Welchen historischen Anteil hatte der Westen an der Formierung antihomosexueller Diskurse in der islamischen Welt? Was davon ist erfundene Tradition und was tatsächlich „traditionell“?
Inwiefern prägen kolonialistische Annahmen unseren Blick auf „den Orient“ und auf Migrantinnen und Migranten aus mehrheitlich muslimischen Ländern? Wie äußert sich Rassismus in der lesbisch-schwulen Szene? Ist das Konzept lesbischer und schwuler Identitäten historisch verallgemeinerbar? Wen schließt es aus? Und wie sinnvoll ist es, hiesige Identitätspolitik zur Basis globaler Solidaritätsarbeit zu machen?

Eigentlich ist die ganze Diskussion vollkommen überflüssig. Schließlich hatte sich Irans Präsident Ahmadinedschad bereits vor drei Jahren dahingehend geäußert, es gebe im Iran keine Homosexuellen. Während Georg Klauda sich früher damit begnügte, die Anzahl der im Iran hingerichteten Schwulen in Frage zu stellen und ihre Verfolgung zugleich

als Teil eines Modernisierungsprozesses…, der dem aus Europa adaptierten Muster einer Verschiebung vom Gesetz zur Norm folgt und die diskursive Produktion einer neuen, als `abweichend´ markierten Sexualität beinhaltet

begriff, scheint er sich nunmehr endgültig ein Beispiel an Ahmadidingsda zu nehmen, wenn er „Homosexuelle“ konsequent in Anführungszeichen setzt. Denn, so die verquere Logik, wo es keine Homosexuellen gibt, kann man auch keine verfolgen. Der Hass auf den Westen ist dabei nur die Tünche, die die verzweifelte Hoffnung regredierter Metropolenhomosexueller verdeckt, die sich die Mühen homosexueller Subjektwerdung ersparen wollen, aus der Hoffnung heraus, dass ihnen deshalb auch ihre Verfolgung durch jene erspart bleibt, deren ideologische Herkunft sie zuvor wortreich verteidigt haben.

PS: Am heutigen Abend erzählt Klauda seine Märchen aus dem Orient in München. Eine bemerkenswerte Diskussion anlässlich einer Kritik der Veranstaltungsinhalte findet sich hier.

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20 Antworten to “Georg und Mahmud”

  1. Ben 9. Dezember 2010 um 00:22 #

    Aha, Du glaubst also, die Homosexuellenverfolgung im Orient sei kein Modernisierungsunternehmen, man könnte Homosexuelle auch verfolgen, wenn man homosexuelles Verlangen nicht an eine Menschengruppe anheftet und hälst „homosexuelle Subjektwerdung“ irgendwie für was Gutes. Und? Hast Du auch irgendwelche Gründe parat, warum irgendwer diese Meinungen teilen sollte?

  2. Adrian 9. Dezember 2010 um 00:45 #

    @ Ben
    Was soll denn an „homosexueller Subjektwerdung“ schlecht sein? – Hey, ich bin schwul und stehe dazu! Und ja, ich bin mir vollkommen im Klaren darüber, dass ich mit diesem identitären Bekenntnis z.B. Frauen ausgrenze, weil sie nicht mit mir ins Bett dürfen. Ich bin als identitärer Schwuler also voll der Frauen verachtende Sexist! Soll ich jetzt in die Ecke gehen um mich zu schämen?

  3. Ben 9. Dezember 2010 um 01:16 #

    Also erstmal les ich aus Deiner Antwort heraus: „Nein, ich habe keine Begründung dafür, dass man glauben sollte, Homosexuellenverfolgung im Iran sei kein Modernisierungsphänomen, und auch keine dafür, dass man glauben sollte, für Schwulenverfolgung bräuchte es nicht erst die Etablierung einer speziellen sozialen Rolle.“ Und was soll das mit den Frauen? Du glaubst, die sind diejenigen, die bei einer schwulen Rolle ausgeschlossen sind? Und nicht etwa Familienväter oder Jugendliche, die für Lust mit einem Mann keine abweichende soziale Rolle übernehmen möchten? Oder eben die Gehängten, denen es im Traum nicht einfallen würde, sich zu einer „schwulen Identität“ zu bekennen? Schlecht an „homosexueller Subjektwerdeung“ ist z.B. ihre Vereinnahmung als Identitätspolitik mit der man Menschen in fernen Ländern Etiketten anklebt, die sie weder wollen, noch irgendwie gut für sie sind, sie sogar in Gefahr bringen. Auch schlecht daran sind die ganzen Zurichtungen, die daran gekoppelt sind und auch Jugendlichen hierzulande gerne das Leben zu Hölle machen. Dienlich ist „homosexuelle Subjektwerdung“ vor allem den Homophoben, stellt sie doch das erprobtermaßen beste Mittel für folgendes dar: Erzeugung von 13jährigen, heterosexuellen Jungen. Ein Traum des Homophoben, der vor wenigen Jahrzehnten noch nicht verwirklicht war (oder gab es in den 70ern vielleicht nennenswert viele davon?), für den man Toleranz gegenüber den paar Identitätsschwuler ruhig schon mal in Kauf nehmen kann.

  4. Adrian 9. Dezember 2010 um 02:01 #

    @ Ben

    „Also erstmal les ich aus Deiner Antwort heraus“

    Lies heraus was Du willst, aber bitte nicht zu binär, andere Interpretationen könnten sich dadurch ausgegrenzt fühlen…

    „Und was soll das mit den Frauen? Du glaubst, die sind diejenigen, die bei einer schwulen Rolle ausgeschlossen sind?“

    Bei meiner schwulen Rolle jedenfalls schon. Da haben Frauen keinen Part.

    „Schlecht an ‚homosexueller Subjektwerdeung‘ ist z.B. ihre Vereinnahmung als Identitätspolitik mit der man Menschen in fernen Ländern Etiketten anklebt, die sie weder wollen, noch irgendwie gut für sie sind, sie sogar in Gefahr bringen.“

    Klingt logisch, denn jemanden als schwul zu bezeichnen ist in der Tat schlimmer, als ihn dafür aufzuhängen.

    „Auch schlecht daran sind die ganzen Zurichtungen, die daran gekoppelt sind“

    Und anstatt dafür einzutreten, dass diese Zurichtungen nichts schlimmes bzw. falsch sind, eliminieren wir lieber die Definition. Muss ich mir merken, wenn ich demnächst in Marzahn unterwegs bin. Dann werde ich dem nächstbesten Nazi sagen, dass ich gar nicht schwul bin, sondern mich lediglich von Männern ficken lasse – ich bin sicher, er wird mich dann in Ruhe lassen.

    „Ein Traum des Homophoben, der vor wenigen Jahrzehnten noch nicht verwirklicht war (oder gab es in den 70ern vielleicht nennenswert viele davon?“

    Nein, man kannte schließlich das Wort nicht – dennoch gab es die Verfolgung von Männern die gerne mit Männern vögelten bzw. sich in sie verliebten – Wo ist noch mal der Unterschied?
    Genau so gut, könnte ich sagen, es gab im Mittelalter keine Benachteiligung der Frau, schließlich kannte man das Wort „Sexismus“ noch nicht.

    Summa summarum lautet Deine Quintessenz also folgendermaßen: Ich bin selbst schuld, wenn ich von Homophoben verprügelt werde, schließlich bezeichne ich mich als schwul. Und ich bin auch Schuld an der Verfolgung von Menschen im Iran, weil ich einige der Verfolgten als schwul bezeichne.

  5. Ben 9. Dezember 2010 um 02:41 #

    „Klingt logisch, denn jemanden als schwul zu bezeichnen ist in der Tat schlimmer, als ihn dafür aufzuhängen.“
    Mhm, genau das hab ich geschrieben, schon klar. Nebenbei, wofür soll man wo aufgehangen werden? Dafür „schwul zu sein“ im Iran? Oder vielleicht doch eher dafür, dass ein Richter überzeugt ist, man hätte Analverkehr mit einem Mann gehabt?

    „Und anstatt dafür einzutreten, dass diese Zurichtungen nichts schlimmes bzw. falsch sind, eliminieren wir lieber die Definition.“
    Weisst Du, Du kannst von mir aus Definitionen eliminieren, wie Du willst, nur was hat das mit dem Wort „schwul“ zu tun? „Schwule“ bezeichnet nicht deshalb „homosexuelle Männer“, weil das mal jemand so definiert hat, sondern weil „schwul“ ein altes preussisches Schimpfwort ist, dass sich auf diese Leute anwenden ließ und noch lässt. Und Du glaubst, dass ein Nazi in Marzahn seine Abbneigung gegen Homos nicht daraus bezieht, dass er gelernt hat, dass Schwule ein irgendwie „anderer Menschenschlag“ sind? Neinnein, der hat halt was gegen mannmännlichen Geschlechtsverkehr, ganz unabhängig davon, ob dieser zur Übernahme einer Identität verpflichtet, schon klar.

    „Nein, man kannte schließlich das Wort nicht“
    Mensch Junge, ich meinte natürlich die hiesigen Gefilde. Da kannte man „das Wort“ sehr wohl. Etabliert war jedoch nicht, dass Jugendliche, die sich gegenseitig einen runterholen, unter diesen Begriff fallen. Der „Orient“ ist, gottlob, in weiten Teilen frei von 13jährigen Heterosexuellen und es wäre schön, wenn das auch noch ne Weile so bliebe, auch wenn Menschen wie Du schreibkräftig an deren Etablierung arbeiten.

    Im übrigen steht es Dir freilich zu im Netz einfach mal zu schreiben „die Ansichten eines Berliner Soziologen find ich doof.“, aber ich frag mich halt, legst Du auch Wert darauf, dass irgendwer diese Meinung begründeterweise teilt, oder fungierst Du nur als Stichwortgeber für alle, die ja schon immer gewusst haben, dass Homophobie keine Geschichte hat und der Musel ein vormodernes Relikt ist?

    • Damien 9. Dezember 2010 um 09:02 #

      Also was denn nun, Ben? Ist der Grund für die Verfolgung im Iran nun „schwul sein“, wie Du zuvor noch behauptest hast bzw. die Solidaritätsarbeit von bösen Westschwulen oder ist der Grund für Verurteilungen, Analverkehr mit einem Mann gehabt zu haben? Da müsstest Du Dich einfach mal ganz ordinär für eine von beiden Möglichkeiten entscheiden.
      Die Idee mit dem Definitionen eliminieren kam von Dir. Kuscheln mit Nazis? Viel Spaß, solange Du Dich nicht als schwul bezeichnest, scheinst Du da ja nichts zu befürchten zu haben.
      Ich habe kein Problem mit heterosexuellen 13jährigen und bin auch nicht der Ansicht, dass die Anzahl ihrer homosexuellen Mitglieder etwas über die Qualität einer Gesellschaft aussagt. Als wenn Homosexualität etwas besseres wäre. Wie kannst Du eigentlich von „Heterosexuellen“ schreiben? Ist das nicht irgendwie total einengend?
      Im Übrigen war der Beitrag nicht für einen Berliner Soziologen geschrieben. Er soll auch keine Meinung begründen, sondern die Menschen, die ihre Denkfähigkeit nicht vor lauter Begeisterung für sich fickende 13jährige Orientalen verloren haben, darauf hinweisen, dass Deine Wenigkeit nunmehr auch im Waldschlösschen reüssiert. Und nun, Georg, troll Dich!

  6. Ben 9. Dezember 2010 um 09:58 #

    OK, also zu bieten habt ihr: Denunziation: Ich hätte behauptet, man würde fürs Schwulsein im Iran verfolgt, Die Idee von irgendeiner Definition käme von mir, ich wolle mit Nazis kuscheln und hätte was gegen „Heterosexualität“. Alles Sachen, die der des Lesens Mächtige in meinen Sätzen ja gar nicht findet.
    Dazu dann noch das Eingeständnis, dass man gar keine Argumente hat und sich lieber auf das gesunde Volksempfinden verlässt und ein ordentlicher Schuss Paranoia, da hier natürlich nur der Vortragende höchstselbst posten kann.
    Alles in allem also genau, was man von so nem schwulen Rechtsaußenblog erwarten würde, Vielen Dank.

  7. sosay 12. Dezember 2010 um 03:26 #

    @Adrian

    „Was soll denn an ‚homosexueller Subjektwerdung‘ schlecht sein?“

    Zunächst einmal, dass man sich einer sozialen Rolle unterwirft, die ihre eigenen Machteffekte herbeiführt, gerade weil sie als Devianz aufgenommen wird.

    Dass man hier zwischen diskursiver Einschreibung und „bloßer Empfindung“ unterscheiden muss, darauf kommst du nicht. Ich bezweifle, dass überhaupt jemand mann-männliche (oder eben gleichgeschlechtliche) Liebe und Zuneigung per se als „moderne Erfindung“ verkaufen will. Gerade das wollte Klauda ja zeigen: Es findet eine diskursive Veränderung statt, etwa der Übergang vom Gesetz zur Norm.
    Ferner ermöglicht die Identitätspolitik folgendes, auch wenn es paradox erscheint: Schwulenaktivisten sowie Homophobe haben nun eine Gruppe, die sie adressieren und je nach ihrem Ziel „unterstützen“ oder angreifen können. Mit „dem“ Homosexuellen lässt sich einfacher hantieren als mit einem unscheinbaren Mann, der mal hie mal da gleichgeschlechtliche (sexuelle) Kontakte neben seiner Frau oder Freundin pflegt.

  8. Adrian 12. Dezember 2010 um 13:18 #

    „Zunächst einmal, dass man sich einer sozialen Rolle unterwirft, die ihre eigenen Machteffekte herbeiführt, gerade weil sie als Devianz aufgenommen wird.“

    Rede so, dass Dich auch Menschen verstehen die kein durch Arbeiterschweiß subventioniertes Studium der Sozialwissenschaften hinter sich haben!

    „Dass man hier zwischen diskursiver Einschreibung und ‚bloßer Empfindung‘ unterscheiden muss, darauf kommst du nicht.“

    Nee, weil ich nicht mal verstehe, was Du meinst.

    „Mit ‚dem‘ Homosexuellen lässt sich einfacher hantieren als mit einem unscheinbaren Mann, der mal hie mal da gleichgeschlechtliche (sexuelle) Kontakte neben seiner Frau oder Freundin pflegt.“

    Dummerweise habe ich keinen Bock auf Frauen oder Freundinnen. Und nun?

  9. sosay 12. Dezember 2010 um 14:52 #

    Ich fühle mich geschmeichelt, dass du mir akademisches Wissen zuschreibst, jedoch bin ich weit entfernt davon. Ein bisschen Lektüre kann aber helfen, sich mit der Materie seriös auseinanderzusetzen.

    Sollte es wirklich nur darauf zurückzuführen sein, dass du dich nicht sonderlich für die wissenschaftliche Auseinandersetzung interessierst, dann hat mein Kommentar natürlich keine Bedeutung für dich.

    Somit: Entschuldige, dass ich gedacht habe, hier würde man vorher lesen (und verstehen), was man „kritisiert“.

  10. Fg68at 12. Dezember 2010 um 16:23 #

    Iran: Deshalb gibt es ja auch dort die zweitmeisten geschlechtsangleichenden Operationen nach Thailand (wo auch viele aus dem Westen hinfahren).

  11. Ben 13. Dezember 2010 um 11:35 #

    Habt Ihr jetzt wirklich noch einen sinnleeren Eintrag nach dem Motto „schwule Identität ist super, aber wir wissen auch nicht warum.“ geschrieben? Und den entsprechenden Beifall schon geerntet? Bravo.

    Zu Eurer Phantasie, die Schwulen wären die eigentlich Verantwortlichen für Homophobie, lässt sich sagen: Nö, den Aufrechterhaltern von Homophobie ist das Verhalten von ein paar Tunten in den Metropolen des Westens herzlich egal, das stimmt. Warum das ein Grund dafür sein sollte, ein Abziehbild des homophoben Diskurses als eigene Identität anzunehmen und mitzuhelfen sie anderen aufzuzwingen, ist damit aber noch nicht gesagt. Tatsächlich ist ja gar nicht klar, was welchen Anteil z.B. an der Selbstmordrate von Jugendlichen hat: Die homophoben Beleidigungen von Mitmenschen, oder die Aussicht darauf den Rest des Lebens als „Schwuler“ zu leben.
    So sieht „homosexuelle Subjektwerdung“ übrigens in Gegenden aus, die vom toleranten Westen besetzt wurden: http://www.youtube.com/watch?v=e5jtV7MMf1o&feature=player_embedded

    Vielleicht begreift jetzt mal jemand, warum es eine Unverschämtheit (und eine für die Betroffenen gefährliche Sache) ist, wenn zwei Berliner XXXXXXXXXXX Leute in fernen Ländern als „Schwule“ und „Homosexuelle“ deklassieren.

    Ganz egal ist das Verhalten von Schwulen für die etablierte Homophobie freilich auch nicht. Nur das freiwillige Übernehmen der homosexuellen Rolle ermöglicht es schließlich eine homophobe Gesellschaft mit brutalen Zurichtungen in eine homophobe Gesellschaft mit sanften Zurichtungen (Toleranz) zu überführen. Insofern sind die Schwulen in der Tat an der Homophobie hierzulande mitverantwortlich und ich sehe auch nicht, warum man sie aus dieser Verantwortung entlassen sollte.

    Wollt Ihr nicht vielleicht doch verraten, warum Ihr selbst glaubt, dass die „Homosexuellenverfolgung im Iran“ kein Modernisierungsphänomen ist?

    • Adrian 13. Dezember 2010 um 12:16 #

      Ben, für mich bedeutet „schwul“ folgendes: Als Mann ausschließlich auf Männer zu stehen. Mehr nicht. Wenn diese „Identitätsbildung“ ausreicht, um das homophobe Blut in Wallung zu bringen, ist das nicht mein Problem. Und ich sehe es auch nicht als deklassierend an, jemanden als „schwul“ zu bezeichnen.

      Insofern sind die Schwulen in der Tat an der Homophobie hierzulande mitverantwortlich

      Natürlich. So wie die Frau, die vergewaltigt wird, weil sie sich „zu aufreizend“ angezogen hat.

  12. sosay 13. Dezember 2010 um 12:49 #

    Wer heute noch ernstlich daran glaubt, „schwul“ wäre _nur_ ein label, der hat die Homophobie gar nicht erst verstanden. Homophobie ging sofort mit der Etablierung der Homosexualität einher.
    Toleranz heißt immer noch: „Ich leugne deine Homosexualität nicht, ich tue dir nichts körperlich an, aber verhalte dich bitte weiterhin so, wie sich ein Schwuler zu verhalten hat, damit ich dich nicht aus den Augen verliere.“
    Schon allein der biologistische Diskurs ist erst möglich geworden, als man eine andere „Physiologie“ zu erkennen glaubte. Jetzt kann man entweder von „biologischem Fehler“ oder „Natürlichkeit“ sprechen. Sowas war früher gar nicht denkmöglich, ehe man Homosexualität psychiatrisierte und schließlich biologisierte.

    Und nun auch noch blind alle Menschen als „schwul“ zu bezeichnen, deren primäres Interesse das gleiche Geschlecht ist, verkennt diese Veränderung. Identitätsbildung ist immer unterwerfend, aber gleichzeitig auch produktiv (man sehe sich den Markt an, der für jede Identität etwas anbietet). Identität heißt auch, wie ich schon schrieb, Adressierung. Und gerade das kann sehr gefährlich werden, wie Ben bereits wunderbar darlegte.

    • Adrian 13. Dezember 2010 um 12:58 #

      Mich würde wirklich mal interessieren, was euer Rezept gegen Homophobie ist – außer, das man sich fortan nicht mehr als „schwul“ oder „homosexuell“ bezeichnen soll.

      „Und nun auch noch blind alle Menschen als „schwul“ zu bezeichnen, deren primäres Interesse das gleiche Geschlecht ist“

      Wie soll ich sie denn sonst bezeichnen?

  13. sosay 13. Dezember 2010 um 16:54 #

    Ich verstehe nicht so recht, wie du darauf kommst, dass das mein Ziel sei. Es würde an dem Problem rein gar nichts ändern. Sicher, eine allgemeine Indifferenz gegenüber Sexualität wäre auch gar nicht schlimm, aber da wir ja bereits differenzieren, ist es nur ein oberflächliches Problem.
    Das eigentliche Problem wurde bereits von mir und Ben geschildert. Es ist nicht das label für sich, sondern auch die damit einhergehenden Machteffekte und die Annahme einer sozialen Rolle. Foucault hat es so schön zusammengefasst, als er schrieb, dass wir immer noch glauben, wir würden uns sexuell befreien, wenn wir uns bekennten.
    So wurde erst die Essenzialisierung von Sexualität möglich. Von daher muss man letztlich sagen: Ja, „der Homosexuelle“ ist eine junge Erfindung, eine Spezies.
    Sich folglich nicht als „schwul“ zu bezeichnen, ändert an der Sache erst mal wenig, denn dann würde man sich etwas anderes ausdenken. Was angegriffen werden sollte, ist das Sexualitätsdispositiv, der herrschende heteronormative Diskurs, Heterosexismus allgemein. Die Homophobie speist sich ihren Diskurs von diesen Stratagemen ab.

    Und auf deine letzte, komische Frage eingehend:

    Wie wär’s, wenn du deinen Blick wichtigeren Dingen zuwenden würdest?

  14. Adrian 13. Dezember 2010 um 17:54 #

    „Es ist nicht das label für sich, sondern auch die damit einhergehenden Machteffekte und die Annahme einer sozialen Rolle.“

    Welche soziale Rolle übernehme ich denn, wenn ich mich als schwul bezeichne?

    „Foucault hat es so schön zusammengefasst, als er schrieb, dass wir immer noch glauben, wir würden uns sexuell befreien, wenn wir uns bekennten.“

    Aber vielleicht habe ich gar kein Interesse an foucaultscher sexueller Befreiung; vielleicht reicht es mir ja, mich zu bekennen.

    „Wie wär’s, wenn du deinen Blick wichtigeren Dingen zuwenden würdest?“

    Würde ich ja gerne, aber hier habt schließlich damit angefangen, die Benutzung von bestimmten Wörten zu problematisieren.

  15. sosay 13. Dezember 2010 um 22:25 #

    Welche Rolle man als „Schwuler“ übernimmt? Die des Schwulen (als Devianten und „Anderen“). Eigentlich ein no-brainer.

    Eine „foucauldianische sexuelle Befreiung“? Das einzige, wovon wir uns befreien sollten, ist die Sexualität selbst.

    Allein das Bedürfnis, Menschen nach ihrer Sexualität zu klassifizieren, kann doch nur politisch und strategisch sein. Ich wüsste so einige Gründe, warum sich Menschen, allem voran Minderheiten, labeln. Dass das selbst mit Problemen behaftet ist, hat, und ich verweise nochmal auf Bens Beiträge, mit der Identitätspolitik zu tun.

    Von mir aus, nenne und bekenne dich, wie du willst. Aber siehe bitte davon ab, anderen Menschen ein label zuzuweisen, ohne sie vorher gefragt zu haben.

  16. Blub 14. Dezember 2010 um 00:01 #

    Es hat nichts mit Klassifizieren oder Label zuweisen zu tun, wenn jemand sagt, dass er auf Männer steht. Label und Rolle haben auch nichts miteinander zu tun, zumindest nicht jenseits der eigentlichen Bedeutung des Labels.

    Hier politisches und strategisches oder wertendes zu vermuten, ist mit Verlaub ausgemachter Unsinn. Es ist schlicht praktisch, Dinge benennen und die Wahrheit sagen zu können. Und wenn man kein Wort hat und verfolgen will, kann man schlicht Unzucht sagen und das ist auch nichts modernes, das hat Tradition.

  17. sosay 14. Dezember 2010 um 12:08 #

    Jetzt springen wir auch noch zur Wahrheit jenseits der Sprache. Toll.

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