Der Lesben und Schwulenverband in Deutschland (LSVD), der sich seit jeher Ausgrenzung und Diskriminierung auf die Fahnen geschrieben hat – was man schon alleine daran erkennt, dass er sich immer noch nicht Lesb_innen, Schwul_innen, Bisexuell_innen, Intersexuell_innen und Transidentität_innen-Verband in Deutschland (LSBITD) nennt – hat erneut ins Fettnäpfchen linker Nörgler getreten, ruft er doch für die rege Teilnahme einer Umfrage der Universität Kiel auf, die Norbert Blecht von der schwulen BILD-Zeitung „queer.de“, bereits als fundamental rassistisch entlarvt hat. Warum? Nun diese Umfrage, dies sich zum Ziel gesetzt hat „die Lebenswirklichkeit und die Diskriminierungserfahrungen von Lesben, Schwulen und Trans-Personen zu untersuchen“ (Zitat LSVD) wagt es doch tatsächlich auch Moslems mit einzubeziehen und zu suggerieren, auch diese könnten homophob sein.
Das geht natürlich gar nicht, denn wie wir alle wissen, sind Moslems im Allgemeinen und der Islam im Besonderen voll cool, hipp und geil, die beste Religion der Welt und über jeden Verdacht erhaben. Homophobe Moslems gibt es schlicht nicht, und etwas anderes zu behaupten ist neoliberal, rassistisch und zionistisch – mindestens.
Norbert Blech schreibt auf queer.de daher folgerichtig:
Es beginnt noch eher harmlos, mit der Frage: „Wie sehr sind Ihrer Meinung nach die folgenden Gruppen bzw. Institutionen in Deutschland bereit, Homosexualität und andere Formen sexueller Vielfalt zu respektieren?“ Gefragt wird einzeln wie bemerkenswert allgemein nach Polizisten, Fußballfans, Neonazis, katholischen und evangelischen Christen, Muslimen und Personen mit russischem, türkischem und arabischen Migrationshintergrund.
Nun könnte man an der Studie tatsächlich so einiges bemängeln, z. B. das Fehlen von Personen mit jüdischen … äh zionistischen Migrationshintergrund, vor denen man sich – wie jeder weiß – schließlich am meisten zu fürchten hat, insbesondere, wenn man sich als „links“ versteht. Aber Muslime? Sind das nicht unsere Freunde?
Natürlich sind sie das, und deshalb ist es geradezu skandalös, sie in einer Umfrage mit Neonazis zu „vergleichen“, so der Titel des queer.de-Beitrages. Zwar werden nach dieser Prämisse in der Kieler Studie auch Polizisten, Fußballfans und katholische sowie evangelische Christen mit Neonazis „verglichen“, aber hey, das ist schließlich in Ordnung so, schließlich sind Polizisten, Fußballfans und Christen de facto Neonazis, wie jeder weiß der das richtige Weltbild hat.
Der Kontext der Studie hält aber noch ganz andere Gräueltaten bereit:
Da stehen unter anderem folgende Thesen zur Zustimmung bereit: „Wenn Zuwanderer nicht bereit sind, die Rechte von Lesben und Schwulen in Deutschland zu achten, sollten sie unser Land wieder verlassen“. Und: „Den Islam in Deutschland zu akzeptieren ist gleichbedeutend mit gesellschaftlichem Rückschritt.“ Man darf auch abstimmen, ob man sich „wie ein Fremder im eigenen Land“ fühlt und ob Muslimen „die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden“ solle.
Ist das nicht furchtbar? In dieser Studie darf man Thesen zustimmen, die Norbert Blech nicht gefallen. Wo leben wir bloß? Bei den Sarrazenen?
Das alles klingt nach Sarrazin – oder „Politically Incorrect“.
Norbert Blech jedenfalls ist empört und fühlt sich auch weise genug uns mittzuteilen, dass er in dieser Umfrage keinerlei Sinn erkennt:
Wie Respekt geschaffen werden soll, wenn alle Muslime wieder grundsätzlich und ziemlich allein unter Homophobie-Verdacht gestellt werden, ist dabei schleierhaft.
Denn wie gesagt: Polizisten, Fußballfans und Christen, bei denen ist es okay, wenn man sie „grundsätzlich und ziemlich allein unter Homophobie-Verdacht“ stellt, aber Moslems? Da hört der Spaß auf!
Was diese Befragung wissenschaftlich bringen soll, ebenfalls. Vielleicht kommt raus, dass Schwule nicht so islamophob sind, wie man denkt, was zu begrüßen wäre. Doch eher steht zu befürchten, dass es neue Schlagzeilen über vermeintlich homophobe Muslime geben wird.
Auch auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, aber man kann es gar nicht oft genug sagen: Polizisten, Fußballfans und Christen, die sind grundsätzlich homophob, Moslems aber grundsätzlich nicht. Und auch nur anzumerken, dass es vielleicht doch homophobe Moslems geben könnte, ist geistiger Faschismus.
Eine entsprechende Debatte wird vor allem in der Hauptstadt seit Jahren geführt, angeheizt mit Statistiken, Umfragen und Pressemitteilungen des Schwulen Überfalltelefons Maneo. Dass diese Statistiken nicht sonderlich aussagekräftig sind, dass rechte Blogs zu ihrer Manipulation aufriefen und dass trotzdem der Großteil der anti-schwulen Gewalt auf das Konto von Personen ohne Migrationshintergrund geht, spielte dabei keine Rolle.
Außer natürlich für Norbert Blech und alle jene, welche das Kommunistische Manifest mittlerweile durch den Koran eingetauscht haben. Friede sei mit ihnen!
Gay West sollte nicht politische Korrektheit reklamieren, wenn er dieser selber aufsitzt! 😉
Wieso alle die LGBTinnen mit ihren Interessen bei einem Schwulenverband am richtigen Ort sind, wäre die grundsätzliche Frage. Ich gewinne immer mehr den Eindruck, dass nach dem historischen „linken Sammelbecken“ nun das „schwule Sammelbecken“ aufgebaut werden soll. Schon bei Schwulen und Lesben gehen die Interessen auseinander. Da wäre Ehrlichkeit erste politische Korrektheit!
Über den reißerischen queer.de-Titel lässt sich sicherlich streiten. Auch die ersten zweidrittel der Befragung sind neutral gehalten und nicht wirklich zu beanstanden. Aber der Knackpunkt ist einfach der folgende Fragen- oder vielmehr Aussagenblock:
1. Wenn Zuwanderer nicht bereit sind, die Rechte von Lesben und Schwulen in Deutschland zu achten, sollten sie unser Land wieder verlassen.
2. Bei ihren Forderungen nach Gleichberechtigung und Anerkennung sollten Lesben und Schwule mehr Rücksicht auf die Gefühle und Wertvorstellungen der hier lebenden Muslime nehmen.
3. Den Islam in Deutschland zu akzeptieren ist gleichbedeutend mit gesellschaftlichem Rückschritt.
4. Lesben und Schwule können darauf vertrauen, dass die erkämpften Fortschritte nicht wieder verloren gehen.
5. Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden.
6. Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land.
Sechs Aussagen, wovon sich vier explizit auf Muslime bzw. den Islam beziehen. Genau dieselben Aussagen (bzw. Aussagen, die zumindest in dieselbe Richtung gehen) gibt es zu den ganzen anderen abgefragten Gruppen (Neonazis, Polizisten, Christen usw.) nicht!
Allein aus sozialwissenschaftlicher Sicht ist das einfach schlecht durchdacht und umgesetzt. Es entsteht für die Befragten der Eindruck, als hätten die Interviewer schon selbst die verantwortliche Gruppe ausfindig gemacht. Und nicht nur das: Es werden auch verschiedeste andere Verzerrungen provoziert:
Die Aussagen sind kein bisschen neutral formuliert, klingen sogar so, als wenn sie wortwörtlich vom nächsten Stammtisch aufgegriffen wurden. Folge: Wertende und emotional-aufgeladene Begriffe, die ein anscheinend bekanntes typisch muslimisches Verhalten suggerieren. Außerdem haben alle Aussagen, mit einer einzigen Ausnahme, dieselbe negative – also gegen Muslime gerichtete – Tendenz.
Beides unterstützt die Zustimmungstendenz, die besagt, dass die Befragten dazu neigen, den jeweiligen Aussagen zuzustimmen. Ein einigermaßen gut ausgebildeter Sozialwissenschaftler muss wissen, dass man dem leicht entgegenwirken kann, indem man die gleichen Items entweder einfach nochmal positiv formuliert (bspw. „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland erlaubt sein“) und ebenfalls abfragt oder einfach in der Formulierung variiert (50 % positiv vs. 50 % negativ formulierte Fragen).
Und was soll dieser merkwürdige ideologisch aufgeblasene autoritär-nationalistische Hang („ein Fremder im eigenen Land“, „Islam akzeptieren = gesellschaftlichem Rückschritt“, „erkämpften Fortschritte“)?
Dazu kommt, dass (bspw. anhand von selbstkritischen Einschätzungsfragen) nicht mal geprüft wird, welchen Einfluss evtl. die starke Medienberichterstattung – wodurch erwiesenermaßen wahre gesellschaftliche Verhältnisse zum Teil enorm verzerrt werden (http://www.tagesspiegel.de/politik/migranten-als-problem-ueberschaetzt/3793626.html) – auf die eigene Wahrnehmung hat.
Und das was mir als aller erstes ins Auge gefallen ist: Die für eine Studie eher unwichtigen personenbezogenen Daten werden gleich zu Anfang abgefragt, während die heiklen Fragen erst ganz zum Schluss kommen.
Tendenziöse Frageformulierung, Fehlendes Entgegenwirken der Zustimmungstendenz und des Halo-Effekts, Fehlpositionierung… das alles sind grobe methodische Schnitzer. Und es sind jetzt nicht Sachen, die nur Profis erkennen. Es sind Sachen, die man als Grundlage der Methodik im ersten Semester vermittelt bekommt und die man als Sozialwissenschaftler einfach absolut zu verhindern wissen MUSS!
Die Muslime als komplett Homophobie-befreite Gruppe anzusehen ist die eine Sache. Aber sie als die Hauptverantwortlichen für Homophobie zu sehen bzw. Kommentare, die eindeutig tendenziöse Studien entlarven als paranoid, übertrieben islamfreundlich oder schlicht als lächerlich abzustempeln ist genauso falsch. Zumal die, die den Islam nicht als die Wurzel allen Übels sehen, eindeutig in der Minderheit sind. Zur Erinnerung: Gläubige Muslime stellen weit weniger als 5 % der deutschen Bevölkerung.
@ Julian
„Sechs Aussagen, wovon sich vier explizit auf Muslime bzw. den Islam beziehen. Genau dieselben Aussagen (bzw. Aussagen, die zumindest in dieselbe Richtung gehen) gibt es zu den ganzen anderen abgefragten Gruppen (Neonazis, Polizisten, Christen usw.) nicht!“
Es dürfte auch generell schwierig sein, Polizisten, Neonazis und Christen den Zuzug nach Deutschand zu verbieten, ganz einfach weil diese schon da sind. Wir haben nun mal eine Debatte um Einwanderung im Lande, und dabei geht es nun mal um Moslems.
Im Übrigen würde ich auf die Fragen so antworten:
1. Wenn Zuwanderer nicht bereit sind, die Rechte von Lesben und Schwulen in Deutschland zu achten, sollten sie unser Land wieder verlassen.
Frage verstehe ich nicht. Was sind Rechte von Schwulen und Lesben? Also wohl „Nein“
2. Bei ihren Forderungen nach Gleichberechtigung und Anerkennung sollten Lesben und Schwule mehr Rücksicht auf die Gefühle und Wertvorstellungen der hier lebenden Muslime nehmen.
„Nein“
3. Den Islam in Deutschland zu akzeptieren ist gleichbedeutend mit gesellschaftlichem Rückschritt.
„Nein“
4. Lesben und Schwule können darauf vertrauen, dass die erkämpften Fortschritte nicht wieder verloren gehen.
Ich vertraue in dieser Frage gar keinem. Also „Nein“
5. Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden.
„Nein“
6. Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land.
„Ja“
Ich verstehe einfach nicht, warum immer so ein Eiertanz um den Islam gemacht wird. Mein Gott, das ist ne Religion, nichts weiter; eine Religion die es nun wahrlich verdient hat, von linken Schwuppen genauso verachtet zu werden, wie diese das Christentum verachten. Mindestens.
Adrian, Dein letzter Satz zeigt das ganze Problem: Alles, was bei Christen nicht mehr hingenommen wird, soll Muslimen „aus Respekt vor der anderen Kultur“ erlaubt sein. Zwischen dem Christentum und dem Islam wird mit zweierlei Maß gemessen. So lange Hass und Gewalt schlecht sind, wenn sie von Christen oder Nazis ausgehen, und tolerabel, wenn sie von Muslimen verübt werden, ist und bleibt was faul im Staate Deutschland.
Hass und Verachtung ist nun wirklich das letzte Problem, das in dieser Auseinandersetzung auf den Tisch gelegt werden muss. Das kenne wir doch schon von Klemmschwestern in Kirche und Politik.
Kritik und Polemik ist nicht verboten!
Ich habe bis heute nicht wirklich verstanden, wieso Linke den Islam für „die beste Religion“ halten oder überhaupt irgendwie „islamfreundlich“ sein sollten… ich vermute eher, dass die sogenannt proislamischen Linken bei näherer Betrachtung am Islam als Religion nicht die Bohne interessiert sind (wie Linke ja generell mit Religion nicht wirklich etwas anfangen können), sondern sich bloß als Anwalt scheinbar oder auch tatsächlich gesellschaftlich unterprivilegierter Gruppen profilieren wollen, die Muslime also letztlich vor allem als Vehikel für ihre moralische Eitelkeit (nein, das eklige rechtspopulistische G-Wort dafür kommt mir jetzt nicht über die Tastatur) benutzen.
Wären Muslime gesellschaftlich so integriert und allseits akzeptiert wie sagen wir Ingenieure, Lutheraner oder Autofahrer, käme kein Linker auf die Idee, sich mit dem Thema „Islam“ überhaupt abzugeben…
Das sind wohl die schwulen Ausläufer des Kalten Krieges! 😉
Es gibt mehrere Gründe als Linker Solidarität mit Muslimen zu haben.
Muslime stehen in forderster Front im antiimperialistischen Kampf.
Z.B. in Palästina, in Kurdistan, in Somalia und im Iran.
Auch wenn manche diesen antiimperialistischen Kurs verlassen haben und deswegen keine Solidarität mehr verdienen, z.B. die Kurden die mit den Amis gemeinsame Sache gemacht haben um Saddam loszuwerden.
Anders als der Kapitalismus ist der Islam sozial, so gibt es z.B. die Pflicht Almosen zu geben. 1*
Auch die Ausbeutung der Frau – etwa durch Sexistische Werbung und Kleidung – wird durch die traditionelle muslimische Kleiderordnung verhindert. 2*
1* Interview mit Oskar Lafontain
2* Interview von Osama bin Laden
Es ist sehr erhellend, zu erkennen, wie ideologisch hier „links“ gedacht wird. Die Maoisten haben ihre Freude daran, mit den Muslimen Hand in Hand mit Tschador und in Mao-Kleidung in die Zukunft zu schreiten… Die Frauen werden ideologisch ausgebeutet, was um nichts besser ist wie der Sexismus.
Dass auch Linke mit Diktatoren verkumpelt sind, ist so bekannt wie die biblischen Geschchten. Müdes Lächeln.