Goodbye Berlin!

24 Jun

Nur noch wenige Tage, dann verlasse ich die Hauptstadt und gehe zurück in die rheinische Heimat. Ein guter Zeitpunkt, um mit dem Schreiben hier fortzufahren, das mir in der letzten Zeit manchmal gefehlt hat. Die angekündigte Tätigkeit ist im Aufbau und reicht mir nicht aus. Ab und an ein wenig Polemik, Kritik, Auseinandersetzung mit den Feinden der Freiheit, dafür ist GayWest einfach ein guter Platz.

Neue Literatur hat mich inspiriert: Philipp Blom, Ein Lob der offenen Beziehung, Ralf König und nicht zuletzt Rebecca Niazi-Shahabi. Entgegen ersten Befürchtungen hat mich die Lektüre der „bösen Philosophen“ von Gott nicht entfernt, sondern mich ihm nähergebracht. Beim Kirchentag in Dresden hörte ich dann Pierre Stutz Dorothee Sölle zitieren, so ungefähr, eine Kirche, die Schwule im Namen Gottes diskriminiere, mache sich zum Machtinstrument der Heteronormativität. Ich habe daraufhin mit der Re-Lektüre von Sölles „lieben und arbeiten“ begonnen und, nach Abzug der 80er-atomarer-Holocaust-Paranoia, mit Gewinn weitergelesen. Den einsamen Gott der Schöpfung, der aus Willkür Menschen und eine fertige Schöpfung herbeizaubert und jederzeit wieder vernichten könnte, enttarnt sie als Projektion von Menschen, die die Herrschaft von Menschen über Menschen in alle Ewigkeit perpetuieren und mit himmlischen Weihen versehen wollen. Ihr Gegenentwurf ist ein Gott der Befreiung, der aus der Sehnsucht nach Beziehung heraus Menschen schafft, mit denen er gemeinsam Welt weiter gestalten will. Das hat mich weiter gebracht in meiner Suche nach einer für mich heute passenden Theologie und einem für mich passenden Gottesbild.

Manch einer hat mich nach dem größten Unterschied zwischen Berlin und Köln gefragt. Einer, der mir einfiel, ist die unterschiedliche CSD-Paraden-Politik. In Berlin kann sich in die Parade ohne Wagen jeder einreihen, anarchisch und spontan. In Köln braucht es dafür Antrag und Genehmigung. Trotzdem (oder gerade deshalb?) ist Berlin für mich durch. Der Anlass, der mich hierher geführt hat, ist gründlich erledigt. Ursprünglich einmal war es die linke schwule Szene, die mich angezogen hatte. Doch von meiner Sympathie für diese Szene ist nichts mehr übrig, spätestens seit dem gar nicht alternativen Israel-Hass auf dem Kreuzberger CSD 2003 (Näheres dazu hier). Danach war mir der Schöneberger CSD deutlich sympathischer. Doch auch dies hat sich im letzten Jahr geändert. Mit dem Versuch der Vergabe des Zivilcouragepreises ausgerechnet an Judith Butler hatte sich auch der große Berliner CSD nachhaltig in die Volksfront zur Befreiung Palästinas eingereiht. Unwesentlich, dass Butler den Preis dann wegen angeblicher Rassismusduldung seiner Verleiher gar nicht annehmen wollte und Jan Feddersen die durch den Eklat eingetrene Politisierung begrüßte. Unwesentlich vor allem deshalb, weil Robert Kastl, Geschäftsführer des Berliner CSD e.V., in einem bis zum Erbrechen differenzierten Beitrag  im CSD Magazin 2011 erklärte, Butlers Feststellung, Hamas und Hisbollah seien Teil der globalen Linken, sei analytisch und wissenschaftlich nicht zu beanstanden. Und das war nicht als Kritik an der Linken gemeint. Im Gegenteil. Und so waren sich Kastl und Butler letztendlich einiger als die Ikone der Gender Studies sich und uns eingestehen wollte. Es war eben doch kein blöder Zufall, dass man beim Berliner CSD e.V. den Preis an die universitäre Speerspitze der Israel-Boykott-Bewegung verleihen wollte. In diesem Sinne: Goodbye Berlin!

2 Antworten zu “Goodbye Berlin!”

  1. Thommen 24. Juni 2011 um 21:29 #

    Vielfach wird Christus nicht verstanden: Er hat symbolisch die Menschen von den Herrschaftszwängen ihrer Vorväter und Vormütter gelöst und seinen Gläubigen aufgetragen, selber die Verantwortung zum Leben anzunehmen. Also auch an sich selber zhu glauben. Natürlich konnte er damals nicht soweit gehen, das Führer-System Gottes ganz abzuschaffen. Aber er hat versucht, ihm ein menschlicheres Antlitz zu geben.
    Viele Gläubigen vergessen, dass es Millionen Jahre gab, in denen die Menschen auch ohne Gott ausgekommen sind…

  2. tapferimnirgendwo 25. Juni 2011 um 14:50 #

    Gestern habe ich etwas herausgefunden, das mich schockiert hat. Ich würde mich freuen, wenn es auch hier geteilt werden könnte:

    auf deutsch: http://tapferimnirgendwo.wordpress.com/2011/06/24/queen-gegen-drag-queens/

    auf englisch: http://tapferimnirgendwo.wordpress.com/2011/06/25/the-queen-v-drag-queens/

    Danke.

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