Der zehnte Jahrestag der Terroranschläge des 11. September steht bevor; für das Feuilleton also die perfekte Gelegenheit, nun endlich auch einmal die eigentlichen Opfer der Anschläge zu Wort kommen lassen: die Moslems. Deren Religion wird nämlich seit 10 Jahren mit Terrorismus, Intoleranz und Gewalt in Verbindung gebracht – völlig unzutreffend natürlich, denn wie jeder weiß, ist der Islam eine Religion des Friedens und islamische Staaten Hochburgen der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Humanität.
Dumm nur, dass der Westen das einfach nicht erkennen will. So klagt etwa die libanesische Schriftstellerin Joumana Haddad in der „Welt“:
Mein 19-jähriger Sohn, Mounir, ist gerade zurückgekehrt. Er ist mit seinen Freunden durch Europa gereist. Sie hatten eine tolle Zeit, wie er sagt. Nur eine Sache hat mich irritiert, während er dort war: Jedes Mal, wenn ich ihn anrief, sprach er mit mir auf Englisch oder Französisch. Nicht ein Wort auf Arabisch. Und warum? Er hatte, wie er mir nun erklärte, Angst, die Leute, die er dort traf, würden ihn nicht mehr willkommen heißen, wenn sie wüssten, dass er ein Araber ist. Deshalb gab er sich als Kanadier aus.
Mounir hatte also Angst davor, am Telefon auf arabisch zu sprechen, weil wie jeder weiß, die Westler so boshaft intolerant sind, dass sie arabisch sprechenden Menschen sofort aus ihrer Mitte verstoßen. Kanadier dagegen, die kann jeder leiden, die lassen ihre Frauen nicht mit Kopftüchern rumrennen, hängen Homos nicht am Galgen auf, und der Besitz eines Korans ist in Kanada auch nicht strafbar, so wie es umgekehrt bei der Bibel in diversen arabischen Ländern der Fall ist.
Ist das nicht auch Terrorismus? Sich für seine Identität zu schämen? Sie verstecken zu müssen wegen all der Vorurteile?
Natürlich ist das Terrorismus. Zumindest wenn man keine Werte und Moralvorstellungen mehr kennt. Dann ist es nämlich alles was einem nicht passt, „Terrorismus“. So einfach kann Argumentieren sein.
Andererseits ist es in der Tat nicht gerade schön, wenn Mounir auf seiner Reise mit Vorurteilen konfrontiert worden ist, was sich allerdings schwer bezeugen lässt, weil er auf Grund seines Vorurteils vom intoleranten Europäer, es gar nicht erst auf einen Versuch hat ankommen lassen und es statt dessen vorgezogen hat, über seine wahre Herkunft zu schweigen.
Wäre Mounir etwas couragierter gewesen, hätte er feststellen können, dass es durchaus Europäer gibt, die ihn mit offenen Armen empfangen hätten. So etwa die politische Linke, die sich mit ihm auf eine Wasserpfeife zurückgezogen hätte um ihm – stellvertretend für alle arabischen Völker – den wärmsten Dank für den unermündlichen antiimperialistischen Kampf gegen die USA und den Zionismus auszusprechen, die vielfältige Kultur des Islam zu bewundern und die emanzipatorischen Qualitäten von Kopftuch und Burka lobzupreisen.
Aber auch die Rechte wäre Mounir freundschaftlich zugetan. Immerhin kommt er aus einer Region und Kultur, die traditionelle Familienwerte hochhält, in der die Religion noch eine sinnstiftenden Rolle spielt, und die sich den dekadenten Begleiterscheinungen des Westens – wie etwa Alkohol, Prostitution und Homosexualität – verweigert.
Summa summarum hätte Mounir zu dem Schluss kommen können, dass im Prinzip nur einer ihm gegenüber Berührungsängste hat – nämlich ich. Aber auch die hätten sich leicht beseitigen lassen: durch einen Burger bei McDonalds und einen Cocktail am Nollendorfplatz.
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