Ist Homophobie normal?

25 Jan

Nachdem ich eine Zeit lang mit der Idee geflirtet habe, Geschlechterrollen seien weitgehend kulturell bestimmt, bin ich mittlerweile wieder auf der anderen Schiene gelandet. Als Biologie im Herzen, ist es für mich im Grunde genommen nicht tragbar, einer These zuzustimmen, die behauptet, der Mensch komme als geschlechtsloses Neutrum zur Welt, welches lediglich durch kulturelle und gesellschaftliche Einflüsse zum Mann oder zur Frau gemacht wird. Dabei lässt sich bei allen höheren Säugetieren, insbesondere bei Affen, klar erkennen, dass Männchen und Weibchen sich im Verhalten unterscheiden. Warum sollte das beim Menschen anders sein, der schließlich auch nur ein Affe ist?

Natürlich hat der Mensch als kulturelles Wesen eine Fülle von Möglichkeiten, seine Geschlechtsrolle auszugestalten, aber bestimmte Grundmuster scheinen in der Tat determiniert zu sein, was auch logisch ist, wenn man sich vor Augen hält, warum es überhaupt Geschlechter gibt: zur Mischung des Genpools zum Zwecke der Reproduktion. Und man kann sich der Tatsache schlechterdings nicht verschließen, dass – rein biologisch versteht sich – Männer zum Besamen da sind und Frauen zum gebären und dazu, den Nachwuchs über die ersten kritischen Monate zu helfen, weil eben nur Frauen in der Lage sind, die Neugeborenen mit Nahrung zu versorgen, sie also zu stillen, bzw. um es biologisch auszudrücken, zu säugen.

Wenn es den Mann aber zum Besamen gibt (wozu sollte es ihn als Mann auch sonst geben?) und die Frau zum Gebären und Säugen (und wozu sollte es sie als Frau sonst geben?), wenn also nur der Mann besamen und nur die Frau gebären und säugen kann, dann ist es doch nicht unlogisch zu behaupten, dass diese unterschiedlichen Aufgaben sich auch in bestimmten, biologisch verankerten, unterschiedlichen Verhaltensmustern wiederspiegeln.

Ich habe keine Ahnung ob diese Verlautbarungen meinerseits Schockwellen durch unsere Leserschaft jagen werden, mit Befremden werden sie sicherlich von denen aufgenommen werden, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Geschlechter zu dekonstruieren oder zu beweisen, dass es so etwas wie Zweigeschlechtlichkeit nicht gibt.

Mit einem dieser Exemplare, einem gewisser „Jason“ hatte ich kürzlich einen kurzen Schlagabtausch auf dem Blog „Alles Evolution“. In diesem Schlagabtausch habe ich mein Herz sprechen lassen und all das ausgebreitet, was ich vor einigen Jahren nicht einmal mir gegenüber eingestanden hätte.

Ich begann unseren dualen Schlagabtausch mit folgenden Worten:

Die Zweigeschlechtlichkeit ist ein grundlegender Fakt. Da gibt es nichts zu diskutieren und auch die Handvoll Interesexuellen werden die Ta[t]sache nicht verschleiern können, dass der Mensch sowie alle Säugetiere aus zwei Geschlechtern besteht – Mann und Frau.

Bezug nehmend auf „Jasons“ Behauptung, die kulturelle Norm der Zweigeschlechtlichkeit sei ein wesentlicher Grund dafür, dass u. a. Homosexuelle aus der Gesellschaft ausgeschlossen würden, antwortete ich wie folgt:

Ich als Homosexueller sehe nicht, wie mich die Zweigeschlechtlichkeit ausschließen sollte – im Gegenteil, ich bestärke sie ja geradezu durch den Fakt, dass ich als männliches Geschlecht eben auf das männliche Geschlecht un[d] nicht auf das weibliche oder auf beide stehe.

Der Satz mag auf den ersten Blick etwas verwirrend anmuten, deshalb werde ich ihn nochmals näher erläutern: Die Behauptung Homosexuelle würden unter anderem die Zweigeschlechtlichkeit in Frage stellen, weil sie sich eben nicht in die „heteronormativen Matrix“ einfügen, trifft meines Erachtens nicht zu. Sicherlich ist es wahr, dass ein Schwuler nicht der Norm entspricht, dass ein Mann nun mal auf Frauen zu stehen hat, aber inwiefern widerlegt dass die Zweigeschlechtlichkeit? Wenn ein Schwuler sich dadurch definiert, dass er als Mann auf Männer steht, und eben nicht auf Frauen, hat er damit ja wiederum die Zweigeschlechtlichkeit bestätigt.

„Jason“ fragte mich im Anschluss, und Bezug nehmend auf meine erste Äußerung, was denn genau an der Zweigeschlechtlichkeit ein Fakt wäre. Meine plakative Entgegnung:

[Der Fakt besteht darin,] Dass Du jemandem die Unterhose runterziehst und entweder einen Schwanz oder eine Möse vorfindest.

„Jason“:

„wenn homosexuelle nicht ausgeschlossen werden, dann komm ich gerne zu deiner hochzeit und hoffe, du spendest blut für mich.“

Ich:

Derar[t]ige Diskriminierungen erfolgen allerdings nicht auf Grund der Zweigeschlechtlichkeit (mehr siehe unten)

„Jason“:

„der begriff [der zweigeschlechtlichkeit] meint die kulturell geprägte vorstellung davon, dass menschen natürlich in zwei geschlechter einzuteilen wäre, und dass daraus eine kohärenz zwischen sex, gender und desire einherginge.“

„Aha“, dachte ich mir, hier kommen wir dem Kernanliegen von „Jason“ doch schon ein wenig näher. Es geht ihm also nicht in erster Linie um die Kritik an der Zweigeschlechtlichkeit als physischem Ausdruck, sondern an allem was daraus folgt.

Meine Antwort (etwas grob):

Falsch. Mensch unterteilen sich natürlich in zwei Geschlechter. Daraus ergibt sich aber nicht in jedem Fall eine Kohärenz zwischen Sex, Gender und Desire. Es ergibt sich allerdings die Kohärenz, dass Heterosexualität dabei die Norm ist. Logisch, denn wie sonst wäre eine Reproduktion der Gattung Mensch möglich?

Die Meinung, Heterosexualität sei die Norm, eben auf Grund der Reproduktion, war eine der Tabus, die ich in einem früherem Stadium meiner schwulen Existenz zwar gedacht, aber niemals in dem Maße geäußert hätte. Dabei kommt es noch besser…

„Jason“:

„homosexualität ist in dem fall deshalb von interesse, weil aus der binären Geschlechtermatrix eben auch die vorstellung folgt, die geschlechter müssten sich in ihrem begehren aufeinander beziehen.“

Das ist im Übrigen genau das, was auch ich an der sogenannten „Heteronormativität“ kritisiere, nämlich die Vorstellung, ein Mann müsse sein Begehren in jedem Fall auf eine Frau richten, eben weil er ein Mann ist. Aber vielleicht gibt es für die Heteronormativität ja auch eine ganz einfach Ursache. Nämlich:

Das [die Geschlechter sich in ihrem Begehren aufeinander beziehen] ist ja auch zumeist der Fall.

Dieser letzte Satz war der Einstieg meinerseits in eine furiose Verteidigung?/Rechtfertigung?/Begründung? der Heteronormativität, in der ich, wie gesagt, ganz mein Herz habe sprechen lassen:

Es ist eine reichlich merkwürdige Argumentation die Du [„Jason“] vollführst: Zweigeschlechtlichkeit führt zur Heteronormativität, diese ist abzulehnen, also besteht die Lösung darin, Zweigeschlechtlichkeit als nicht existent zu dekonstruieren.

Beschreitest Du etwa, dass Penis und Vagina füreinander geschaffen sind? Dass im G[e]genzug das Verhältnis Penis und Po etwas komplizierter ist? Dass es also durchaus Gründe für Heteronormativität geben könnte, eben weil die Heterosexualität für die meisten Menschen nun mal die Norm ist und auch diejenige Form der Sexualität ist, die am ehesten für sich beanspru[che]n könnte, „logisch“ zu sein, weil sie nun mal „Sinn“ ergibt (Repro[d]uktion)?

Was also ist, wenn es Zweigeschlechtlichkeit tatsächlich gibt, Heteronormativität nun mal die Norm ist und Homophobie möglicherweise sogar der „normale“ Impuls einer Menschheit die überwiegend heterosexuell ist [und] deshalb all das mit Skepsis betrachtet, was sie nicht kennt und was scheinbar keinen Sinn ergibt?

Eben jene letzte Frage beschäftigt mich in letzter Zeit vermehrt. Ja, was wäre denn, wenn Heteronormativität nicht nur ein gesellschaftliches Machtkonstrukt ist, sondern tatsächlich etwas ganz gewöhnliches, wenn letzlich also auch Homophobie der normaler Impuls einer überwiegend heterosexuellen Menschheit ist, die aus guten Grund heterosexuell ist, weil eben das der Reproduktion dienlich ist?

Oder anderes gefragt: Ist Heteronormativität nicht etwas völlig natürliches und logisches, etwas das man nicht ändern und nicht verhindern kann und wenn dann nur graduell? Müssen wir Homos also damit leben?

Meine (vorläufig) Antwort auf diese Fragen lautet übrigens: „prinzipiell schon“.

17 Antworten zu “Ist Homophobie normal?”

  1. pedro luis 25. Januar 2012 um 14:06 #

    Da bin ich ganz deiner Meinung. Aber es macht Spaß, der Heteronormativität durch die bloße Existenz als schwuler Mann tagtäglich eine schallende Ohrfeige zu versetzen!

  2. Adrian 25. Januar 2012 um 14:19 #

    Stimmt, vor allem, weil Homosexualität ja durchaus normal ist, und sogar biologisch erklärbar. Aber das sind eben komplizierte Sachfragen, die sich nicht jedem Hetero (und auch Homo) sofort erschließen 🙂

  3. terminatus30 25. Januar 2012 um 19:12 #

    Wow, Respekt für diese Sachlichkeit. Eine solche begegnet mir weder bei uns heterosexuellen Männerrechtlern noch im Diskurs mit homosexuellen Männerrechtlern oft.

  4. joha1170@web.de 27. Januar 2012 um 19:32 #

    Nur läßt sich aus meiner Erfahrung häufig feststellen, das heterosexuelle Menschen die sich in ihrer Sexhualitätä gefestig fühlen, oft garnicht homophob sind!

    Wo hingegen es oft Menschen sind die in ihrer sexuellen Ausrichtung eher ungefestigt sind, die dann noch zu homophoben Aussagen und Taten greifen um in einer Art Schutzreflex von sich selber abzulenken oder abzuwehren!

    Ich als homosexueller Mann, bin mir meiner sexuellen Ausrichtung seid dem Teenageralter sicher und konnte die o.g. Beobachtung immer wieder machen!

    Natürlich ist das kein Forschungsergebniss, sonder reiner Erfahrungswert.

  5. georgi 27. Januar 2012 um 20:07 #

    …ist natürlich blöd, wenn man nur Mädchenmannschaft kennt, und „heteronormative Matrix“ und „Poststrukturalismus“, und das alles bloß, weil sich vernünftige Menschen aus dem Internet heraushalten.

    Kurz und bündig erklärt Dir ein Physiker, warum der Gender-Begriff für sich alleingenommen zweckmäßig und notwendig ist; und wenn man sich für soziologische und politische Phänomene interessiert, zum Beispiel, warum Homosexuelle häufig verfolgt werden, Gender der interessantere Teil des Geschlechterverhältnisses ist als der biologische Sexus.

    Als Biologie im Herzen, ist es für mich im Grunde genommen nicht tragbar, einer These zuzustimmen, die behauptet, der Mensch komme als geschlechtsloses Neutrum zur Welt, welches lediglich durch kulturelle und gesellschaftliche Einflüsse zum Mann oder zur Frau gemacht wird.

    Glaube mir! Es gibt auch unter Soziologen immer noch vernünftige Menschen, die über so einen Quark den Kopf schütteln! Du mußt einsehen, daß nicht alle Leute so blöd sind wie Mädchenmannschaft; und Christians Bemühungen, der Welt nachweisen zu wollen, daß Männer, Frauen, Schwule biologische Wesen sind, und nach biologisch determinierten Programmen funktionieren, für die Katz sind. Vernünftige Menschen muß man nicht überzeugen, die Mädchenmannschaft kann man nicht überzeugen.

  6. Adrian 28. Januar 2012 um 16:28 #

    @ joha1170@web.de
    „Nur läßt sich aus meiner Erfahrung häufig feststellen, das heterosexuelle Menschen die sich in ihrer Sexhualitätä gefestig fühlen, oft garnicht homophob sind!“

    Das hängt sicherlich davon ab, wie man Homophobie im konkreten Fall definiert. Genau genommen hätte mein Beitrag lauten müssen „Ist Heterosexismus normal?“, da es prinzipiell eher darum, als um Homophobie geht.

    @ georgi
    Ich verstehe Deinen Einwand nicht so recht. Ich bestreite ja gar nicht dass Geschlechtsrollen auch kulturell determiniert sind. Aber eben nur „auch“.

  7. Dida 29. Januar 2012 um 01:01 #

    Wieso gibt es gebilligte homosexuelle Handlungen im Tierreich und durchaus auch ausserhalb des Bereichs der „Verirrung“.
    Unter Menschenaffen wird homosexuelles Verhalten oft beobachtet. Bonoboaffen sind eine komplett bisexuelle Tierart ohne Probleme mit der Fortpflanzung. Trotz kompletter „Durchseuchung“ mit Gleichgeschlechtlichkeit.

    Ich halte Homophobie eher für ein kulturelles Phänomen, das zeigt auch, dass Homosexualität nicht immer und überall geahndet wurde. Was soll aus evolutionärer Sicht auch dagegen sprechen?
    Höchstwahrscheinlich haben sich vor 20.000 Jahren selbst die Mammutjäger schon hin und wieder gegenseitig ausgeholfen wenn sie auf langen Jagdausflügen unter sich waren. Und das wahrscheilich ohne sich danach mit nagenden Sinnfragen ihre sexuelle Orientierung betreffend herumzuschlagen. Ohne religiöse „Homosex ist böse“ Indoktrinierung, würde die Sache ganz anders aussehen.

    Es gäbe dann vermutlich nicht mehr „strikt“ Homosexuelle, aber es würde auch kein Prinzip der Monosexualität, zumindest was sexuelle Handlungen angeht, geben.

    Man sieht es doch wenn Männer in geschlossenen Biotopen (Gefängnis z.B) unter sich sind. Dann erhöht sich (notgedrungen) auch die Anzahl homosexueller Handlungen und es sind sicher nicht alle von denen schwul oder bi.

  8. Clemens 30. Januar 2012 um 15:35 #

    Hallo Adrian,

    was ich in Deinem Beitrag nicht verstehe, ist der Sprung von der Heteronormativität zur Homophobie und Dein plötzliches Verständnis dafür. Wenn ich etwas nicht kenne, führt das doch nicht automatisch zu Skepsis, egal ob ich zu einer Mehr- oder einer Minderheit gehöre. Es könnte genauso gut zu Interesse führen. Bei chinesischem Essen funktioniert das z.B. bei Europäern häufig. Klar, manche reagieren auch skeptisch darauf, aber das ist doch individuell verschieden.
    Heterosexuelle Betätigung ohne darauf folgende Schwangerschaft ergäbe Deiner Logik nach auch „keinen Sinn“. Trotzdem würdest auch Du sicher kaum behaupten, dass irgendjemand Ernstzunehmendes dieser mit Skepsis begegnet. Mein Eindruck ist, Du verwechselst Biologie mit Biologismus. Warum nur? Wenn man selbst grad mal eher schwarz sieht was Veränderungsmöglichkeiten angeht, muss man deshalb doch nicht gleich die sozialen Verhältnisse naturalisieren.

    Besten Gruß
    Clemens

  9. Adrian 31. Januar 2012 um 11:54 #

    Hallo Clemens,

    „was ich in Deinem Beitrag nicht verstehe, ist der Sprung von der Heteronormativität zur Homophobie und Dein plötzliches Verständnis dafür.“

    Der Sprung von der Heteronormativität zur Homophobie ist m. E. recht eindeutig. Irgendwo muss die Homophobie ja herkommen. Die Heteronormativität legt die Grundlagen. Soweit ich weiß, bestreitet das auch kein Queer-Theoretiker. Nur gehen die eben, anders als ich, davon aus, dass Heteronormativität ein gesellschaftliches Machtkonstrukt ist.
    Von Verständnis kann keine Rede sein. Ich versuche lediglich, mir selbst etwas klar zu machen.

    „Bei chinesischem Essen funktioniert das z.B. bei Europäern häufig. Klar, manche reagieren auch skeptisch darauf, aber das ist doch individuell verschieden.“

    Chinesisches Essen kann man aber nicht mit Sexualität vergleichen. Denn auch chinesisches Essen ist letztendlich Nahrungsaufnahme, etwas also was alle Menschen brauchen und damit auch verstehen.

    Aber Sexualität? Auf dieser Erde gibt es nun mal Männer und Frauen. Beide sind biologisch füreinander geschaffen. Wozu also Homos?

    „Heterosexuelle Betätigung ohne darauf folgende Schwangerschaft ergäbe Deiner Logik nach auch „keinen Sinn“.“

    Erstens ist es nicht meine Logik. Und natürlich ergibt es durchaus Sinn. Denn damit es zur Schwangerschaft kommen kann, braucht man nun mal heterosexuelle Betätigung. Die Heterosexualität ist ein klarer Mechanismus der Natur um Fortpflanzung zu gewähren. Wozu aber Homos?

    „Mein Eindruck ist, Du verwechselst Biologie mit Biologismus.“

    Biologie ist der Kern unserer Existenz und damit auch der Kern jedweder Kultur und der sozialen Verhältnisse.

    „Wenn man selbst grad mal eher schwarz sieht was Veränderungsmöglichkeiten angeht, muss man deshalb doch nicht gleich die sozialen Verhältnisse naturalisieren.“

    Ich sehe nicht schwarz, ich wäre ja blind zu behaupten, es hätte sich für Homos nicht einiges zum positiven geändert. Aber ich gelange mittlerweile zu der Auffassung, dass man bestimmte Dinge nie erreichen wird. Die Heteronormativität wird man nicht abschaffen können. Und da Homophobie auch auf der Heteronormativität beruht, wird auch diese immer virulent sein.
    Wie gesagt, ich versuche bloß zu verstehen, warum sich Menschen, auch im aufgeklärten Westen, so schwer tun mit Homos. Auch soziale Verhältnisse haben schließlich eine Grundlage.

    Besten Gruß
    Adrian

  10. crumar 31. Januar 2012 um 23:13 #

    Hi Adrian, das Problem an den Poststrukturalisten ist, sie verwechseln ständig Geschlechter*rolle* und Geschlechter*identität*, bzw. sie differenzieren eben nicht.
    Und sie gehen mit der Biologie – der materiellen Basis unseres Daseins – nicht um, sie verleugnen sie schlicht.
    Und – ganz idealistische Philosophie – stellen das Verhältnis dann auf den Kopf.

    Die Geschlechterrolle ist in der Tat eine kulturell/gesellschaftlich geprägte und produziert produzierende (- aber keine konstruierte, diese Objektivierung geht viel zu weit).
    Die Geschlechtsidentität ist es hingegen nicht.
    Und diese verweist wiederum auf den biologischen Geschlechterdualismus (der ist einfach Fakt) und auf die Tatsache, dass Geschlechtsidentität für 99,6% der Bevölkerung kein Problem darstellt.

    Aus dem gesagten lässt sich jedoch keine „natürliche“ Homophobie ableiten.
    Sondern es sind stumpf Mehrheitsverhältnisse – wenn 95-97% der Gesellschaft heterosexuell sind und monosexuell leben, dann sind diese schlicht Norm setzend.
    Und definieren wirkmächtig, was als „normal“ zu gelten hat – das ist „normativ“.

    Jedoch ist „Norm“ ebenso ein kulturell-politisch wandelbarer Begriff.
    M.E. stehen viele Jungen und Männer unter diesem Diktat von „normal“ – von der sexuellen Orientierung bis hin zur (Erwerbs-) Biographie.
    Deshalb ist der Zwang der Selbstvergewisserung als „normal“ zu gelten immer verwiesen auf das, was gesellschaftlich (und vor allem medial) als normal gilt.
    Und die Angst, aus dem gesellschaftlich definierten Spektrum von „normal“ herauszufallen.

    Von daher ist die Erweiterung des Verständnisses der Geschlechterrolle des Mannes produktiv.
    Die jedoch gleichzeitig einhergeht mit der Abwertung (heterosexueller) Männlichkeit seitens nämlicher Theorie und ihren queer-feministischen Freunden und Freundinnen.
    Und das ist fatal.

    Gruß, crumar

  11. Dida 2. Februar 2012 um 19:56 #

    „Erstens ist es nicht meine Logik. Und natürlich ergibt es durchaus Sinn. Denn damit es zur Schwangerschaft kommen kann, braucht man nun mal heterosexuelle Betätigung. Die Heterosexualität ist ein klarer Mechanismus der Natur um Fortpflanzung zu gewähren. Wozu aber Homos?“

    Weil Sexualität generell zumindest bei höher entwickelten Säugetieren wie dem Menschen nicht nur den „Sinn“, „Zweck“ oder sonstiges der Fortpflanzung hat sondern auch bzw hauptsächlich zum Zweck des Spaßes ausgeführt wird. Und weil es Aggressionen reguliert, Beziehungen festigt usw.

    Abgesehen davon gibt es einfach Abweichungen von der Norm. In Bezug auf alles. Man könnte auch fragen, wieso gibt es Linkshänder oder Leute mit sechs Fingern an jeder Hand oder wieso gibt es Albinos. Oder wieso gibt es Behinderte. Es gibt sie eben einfach. Darauf mit Repressalien reagieren zu wollen, halte ich für komplett unnötig.

    Aber um noch eine wirre Theorie zum Besten zu geben:
    Vielleicht gibt es Homosexuelle auch für Waisenaufzucht. Ich denke bei solchen Gedanken immer an die Frühmenschen.
    So, Steinzeitpapa kriegt ne Blinddarmentzündung und stirbt mangels ärztlicher Betreuung. Steinzeitmama wird kurz darauf beim Beerenpflücken von nem Säbelzahntiger erwischt. Drei kleine Steinzeitkinder stehen alleine da.
    Die anderen Familien haben genug damit zu tun, die eigenen Kinder durchzubringen und können sie deshalb nicht aufnehmen. Man muss ja bedenken, dass es da ums nackte Überleben ging und man sein Essen nicht im Supermarkt kaufen konnte.
    Aber dann sind ja zwei am weiblichen Geschlecht desinteressierte Steinzeittypen die beide relativ erfolgreiche Jäger sind und deshalb genug zu essen haben und nehmen die kleinen auf.
    Vielleicht ist das zu verklärt gedacht aber auf der anderen Seite, selbst bei in homosexuellen Partnerschaften lebenden Pinguinen und anderen Tieren beobachtet man, dass auch die offenbar einen Kinderwunsch (bzw. Brutinstinkt^^) haben. In Zoos und auch in freier Wildbahn werden dann gemeinschaftlich Eier oder lebende Junge geklaut und aufgezogen.
    Jedenfalls könnte ich mir vorstellen, dass es etwas mit Altruismus zu tun haben könnte.

    Den Zweck oder die Pflicht, so sie denn erfunden wird, zur Fortpflanzung können die meisten Homosexuellen ausserdem wohl ebenfalls erfüllen, sie sind ja biologisch nicht beeinträchtigt.
    Wenn zum Beispiel schwuler Mann A. und lesbische Frau B. einen Kinderwunsch hegen, vielleicht tun sie sich dann zusammen und zeugen, auch wenn der Akt beiden keine sonderliche Freude bereitet, ein oder mehrere Kinder. Auftrag erledigt.

  12. keppla 3. Februar 2012 um 12:48 #

    Ich glaube, dass Homophobie eher etwas gesellschaftliches ist, ihre Entstehung aber mglw. Biologisch begünstig.

    Dass Homophobie direkt der Fortpflanzung dient, glaube ich nicht. Es ist ja gerade nicht so, dass alle Männchen einer Population zusammenarbeiten müssen, damit die Weibchen schwanger werden, im gegenteil ist es bei vielen spezies so, dass sich sogar ein Großteil der (Heterosexuellen) Männchen nicht fortpflanzt, weil sie die Konkurrenz verlieren.

    Weiterhin gibt es für nahezu das gleiche Biologische Modell Mensch über die dokumentierte Geschichte hin sehr unterschiedliche Ausprägungen von Homophobie oder -philie, vom Antiken Griechenland zum Puritanischen Amerika, was dagegen spricht, dass es eine _direkte_ veranlagung zur homophobie gibt.

    Andererseits findet man afaik die Diskriminierung nach Sexuellen Präferenzen häufiger in verschiedenen Kulturen als z.B. die Diskriminierung nach anderen wahllosen Merkmalen wie, wasweisich, Haar- oder Augenfarbe, was darauf hindeutet, dass es begünstigende Faktoren gibt.

    Mal Spekulativ: ich könnte mir vorstellen, dass ein nebeneffekt der Heterosexualität ist, dass man nicht nur heterosexuellen Sex ansprechend findet, sondern auch homosexuellen abstoßend. Persönlich kann ich das auch nachvollziehen, küssende Männer wirken auf mich erstmal irgendwie ekelig. Nein, nicht „verwerflich“ oder „abnormal“ oder sonstwas, und ich leite daraus auch keine Forderungen ab (tu ich für Austernesser auch nicht, auch wenn Austern echt ekelhaft sind). Es ist auch nicht so, dass ich mich „in meiner Sexualität angegriffen fühle“, was auch immer das genau heißen mag (rein technisch ist es eh ein Gewinn für mich: zwei potentielle Konkurrenten weniger). Es ist am ehesten damit vergleichbar wenn ich sehe, wie jemand was isst was ich nicht mag, auf einer rein emontionalen Ebene etwas abstoßend.

    Mal unterstellt, diesen Impuls haben auch noch andere, könnte ich mir vorstellen, dass im „richtigen“ Umfeld aus diesem Ekel dann der ganze gesellschaftliche Überbau der Homophobie, mit dem Üblichen blabla entsteht, in einem „falschen“ Umfeld dieser Ekel, wie der vor Austern, in seine Schranken gewiesen wird und keine Rolle spielt.

  13. Girlfag 5. Februar 2012 um 15:17 #

    „Mal Spekulativ: ich könnte mir vorstellen, dass ein nebeneffekt der Heterosexualität ist, dass man nicht nur heterosexuellen Sex ansprechend findet, sondern auch homosexuellen abstoßend. “

    Wieso dann die Ungleichbehandlung von männlichen und weiblichen homosexuellen handlungen?
    Ich wette bei einer Menge Homohassern ist Party in der Hose angesagt wenn es zwei Frauen sind.

  14. Adrian 6. Februar 2012 um 05:56 #

    @ Girlfag
    „Wieso dann die Ungleichbehandlung von männlichen und weiblichen homosexuellen handlungen?“

    Na, das ist nun wirklich nicht überraschend. Logisch dass ein heterosexueller Mann, der schließlich auf Frauen steht, sexuelle Handlungen zwischen Frauen anziehender findet, als zwischen Männern.

  15. Dida 7. Februar 2012 um 00:23 #

    „Na, das ist nun wirklich nicht überraschend. Logisch dass ein heterosexueller Mann, der schließlich auf Frauen steht, sexuelle Handlungen zwischen Frauen anziehender findet, als zwischen Männern.“

    Aber doch nur wenn man die Ablehnung von Homosexualität nicht naturalisiert oder moralisiert – was solche Leute aber fast immer tun.
    Man kann nicht gegen Homosexualität sein weil sie unmoralisch, unnatürlich, ungöttlich, nicht der Reproduktion dienlich usw ist, aber dann Lesben-Sex geil finden. Weil es schöner ist.
    Geht einfach nicht.

  16. El Nino 7. Februar 2012 um 14:46 #

    Die finden aber nicht Lesben als Lesben geil, sondern die Fantasie es mit zwei
    ( bisexuellen) Frauen gleichzeitig zu treiben. Die Imagination des heterosexuellen Zuschauers selber daran teilzuhaben steht dabei im Vordergrund.
    Maximal bisexuelle Frauen sind für die OK.
    Gegen echte Lesben mit rein homosexueller Identität haben die genauso etwas wie gegen Schwule.

    Warum dafür von „Girlfag“ extra ein Foto verlinkt wird bleibt mir ein Rätzel.
    Wenn man jedesmal in Diskussionen über männliche Homosexualität zur Demonstration ein Bild über schwule Erotik verlinken würde, dann wäre der Blog voll von schwulen Pornos 😀

  17. Dida 7. Februar 2012 um 15:15 #

    „Gegen echte Lesben mit rein homosexueller Identität haben die genauso etwas wie gegen Schwule.“

    Bist du dir da sicher?
    Ich habe das Gefühl dass weibliche Homosexualität weniger Gegenstand „homosexualitätskritischer“ Diskussionen ist und weniger kritisch gesehen wird.
    Selbst bei Ex-Gay Aktivisten ist das meistens eher eine Randnotiz.

    Im Mittelpunkt sind bei „die Homosexuellen“ aber meistens die „Arschficker“ mit der Geschlechtsidentitätsverletzung und dem kindlichen Vater-Problem. Und „homosexueller Lebensstil“ meint meistens auch eher HIV positive, polygame, drogenabhängige SzeneSCHWULE als Lesben.

    „Die finden aber nicht Lesben als Lesben geil, sondern die Fantasie es mit zwei
    ( bisexuellen) Frauen gleichzeitig zu treiben. Die Imagination des heterosexuellen Zuschauers selber daran teilzuhaben steht dabei im Vordergrund.
    Maximal bisexuelle Frauen sind für die OK.“

    Und dennoch begehen zwei küssende oder rummachende Frauen eine unnatürliche, nicht auf Fortpflanzung ausgerichtete Handlung. Und gegen Gott ist es auch.
    Wenn zwei Männer sich küssen, blödeln sie vielleicht auch nur herum oder sind in Wahrheit „nur“ bi, aber Stress kriegen sie trotzdem mit höherer Wahrscheinlichkeit.

    Und was ist mit Frauen? Meiner Erfahrung nach stehen Frauen ungefähr so sehr auf schwule Typen (bzw. MSM) (ich meine jetzt nicht Uschis die eine beschwanzte asexuelle beste Freundin zum Shoppen suchen sondern Frauen die es geil finden wenn Männer miteinander Sex haben) wie Männer auf Lesben (bzw. FSF).
    Wundert mich dass da nie Beschwerden kommen angesichts der Ungleichverteilung w/w und m/m Erotik in der Öffentlichkeit.

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