Ich weiß nicht, wer auf die Idee gekommen ist, Papst Benedikt XVI. sei ein besonders eloquenter und kluger Mann. Denn seine Äußerungen zur Homosexualität belegen regelmäßig das Gegenteil. Abgesehen davon, dass es an sich schon grotesk ist, dass ein lediger Mann, der aus beruflichen Gründen weder Frau noch Lebensgefährtin haben und sich auch nicht sexuell betätigen darf, die Menschheit regelmäßig über Partnerschaft, Ehe und Sexualität belehrt. Jede andere Organisation, die sich nicht hinter Gott und Religion versteckt, würde man deshalb auslachen.
Vor US-Bischöfen also, hat sich der Papst mal wieder über sein liebstes Thema ausgelassen: Ehe und Familie und den Gefahren, die diesen Institutionen durch die bösen Horden von Homos drohen. Warum sich der Papst so oft dazu äußerst, ist nicht schwer zu erkennen. Viele Menschen haben den Hang, über etwas zu urteilen, was sie selbst nicht betrifft, und es fällt äußerst leicht etwas zu verdammen, was man selbst weit von sich weisen kann.
Was also hat der Papst gesagt?
„Wie Johannes Paul II. bemerkt hat, verläuft die Zukunft der Menschheit nun einmal über die Familie“, so der Papst.
Diese Aussage an sich ist richtig. Fragt sich bloß, wieso ausgerechnet die Handvoll Homosexueller, die schließlich auch aus Familien stammen, daran etwas ändern sollten?
„Man muss in diesem Zusammenhang die starken politischen und kulturellen Strömungen nennen, die versuchen, die legale Definition von Ehe zu ändern“, so der Pontifex auch im Hinblick auf den Streit um die Homo-Ehe in den USA. „Die Kirche widersteht diesem Druck und verteidigt die Ehe als eine natürliche Einrichtung, die aus zwei Personen unterschiedlichen Geschlechts besteht und offen für die Weitergabe des Lebens ist.“ Bei der Definition der Ehe könnten die Unterschiedlichkeit der Geschlechter nicht als irrelevant abgetan werden. „Ehe und Familie sind Institutionen, die beworben und verteidigt werden müssen vor jeder möglichen Falschinterpretation ihrer wahren Natur.“
Man erinnere sich in diesem Zusammenhang daran, dass der Papst und seine Firma der gelebten Homosexualität abspricht, Teil einer „natürichen Ordnung“ zu sein, obwohl sie ganz offensichtlich eine natürliche Tatsache ist, weil sie eben nicht kulturell bedingt ist, sondern ebenso in der Natur vorkommt:
In dem Lehrschreiben Persona humana (1975).[3] entfaltet die Kongregation für die Glaubenslehre die Grundlagen der Sexuallehre der katholischen Kirche: Aus der Finalität (Zeugung) erhält der Akt der leiblichen Hingabe seine Würde. Daher stehe Homosexualität im Widerspruch zur Funktion der Sexualität in der natürlichen Ordnung, wie sie die Kirche seit Thomas von Aquin in der Naturrechtslehre lehre. Konstitutiv gehöre zur natürlichen Ordnung die Komplimentarität der Geschlechter. Die Geschlechtslust sei dann ungeordnet, „wenn sie um ihrer selbst willen angestrebt und dabei von ihrer inneren Hinordnung auf Weitergabe des Lebens und auf liebende Vereinigung losgelöst wird.“ Danach finde die Sexualität ihren Sinn und ihre Würde nur in der Ehe und nur dann, wenn sie auf Fortpflanzung ausgerichtet ist.
Wieso aber bezeichnet die Katholische Kirche die Homosexualität als „Widerspruch zur Funktion der Sexualität in der natürlichen Ordnung“ und erklärt gleichzeitig die Ehe zu einer „natürlichen Einrichtung“?
Denn wenn es etwas gibt, das absolut menschengemacht ist, das rein kulturelle Wurzeln hat, dann ist es doch wohl die Ehe. Es ist absurd zu behaupten- wie das von religiösen Institutionen gerne getan wird -, sie sei ein statischer Bestandteil der Menschheit, deren Definition sich niemals gewandelt hätte. Abgesehen davon, dass sie gewiss keine Erfindung des Christentums ist, Rom also überhaupt gar nicht die Definitionshoheit über die Ehe besitzen kann.
Die Ehe ist das, was die Menschen daraus machen. Daran wird auch der Papst nichts ändern. Natürlich ist es sein gutes Recht, der Menschheit weiterhin einzureden, der Familie oder dem Fortbestand der Menschheit drohe Gefahr, weil nun auch homosexuelle Paare eine Verbindung eingehen können, die man als „Ehe“ definiert.
Und es ist auch sein gute Recht, beständig von Liebe zu reden, diese aber dermaßen einseitig zu definieren, dass Homosexuelle quasi als Ungeheuer dargestellt werden, die zu solchem Gefühl gar nicht fähig seien:
So rief der Papst am Freitag die US-Bischöfe dazu auf, das christliche Verständnis von Sexualität als „Quelle wahrer Freiheit, wahren Glücks und der Erfüllung unserer grundlegenden und angeborenen menschlichen Berufung zu Liebe“ zu betonen. Es gelte, „die Tugend der Keuschheit wertzuschätzen“. „Der Reichtum dieser Vision ist attraktiver als die alles erlaubenden Ideologien“, die oft eine „zerstörerische Gegen-Katechese“ für junge Leute bedeuteten.
Um noch mal zusammen zu fassen: Sexualität soll nach katholischer Lehre verflochten sein mit der Weitergabe des Lebens und auf liebende Vereinigung. Das allerdings nur im Rahmen der Ehe. Menschen, die sich außerhalb einer Ehe lieben – selbst zum Zweck Kinder zu bekommen -, Sex um seiner selbst willen und der Sex von Schwulen und Lesben – selbst wenn sie sich lieben – fällt also schon mal aus.
Polemisch betrachtet ist dieses, vorgeblich „christliche“, Verständnis von Sexualität, das Verständnis eines Züchters von Milchrindern, der in treusorgender Herzlichkeit, den Samen vom Bullen mit der Eizelle der Kuh zusammenbringt, in der Sexualität also ein reines Mittel sieht, um Nachwuchs zu schaffen, uns das alles abgesegnet von ausschließlich einer Firma: eben der Katholischen Kirche. Es widerspricht dermaßen allem, was man von der menschlichen Sexualität weiß, und ist im Kern naiv, unnatürlich und monopolistisch.
Und um nicht missverstanden zu werden: Es ist schön, dass der Papst um die Instution der Familie wirbt, um die Würde des Menschen als liebendes Wesen, um die Einzigartigkeit der Sexualität, wenn sie mit Liebe verflochten ist. Aber er begründet es schlecht. Er diskriminiert. Er spricht realen Menschen Würde und Liebe ab. Er baut Antagonismen zwischen Familie und Homosexualität, zwischen Familie und Sexualität auf, wo keine besteht. Er hat keine Ahnung von Sexualität. Und er hat Angst, seinen Alleinvertetungsanspruch über die Intimsphäre der Menschheit zu verlieren.
Das kann man in gewisser Weise verstehen. Aber respektieren muss man es nicht.
Dieser Artikel verdient Lob.
Die Ehe ist alles Andere als eine natürliche Einrichtung. Sie ist ein bürgerlich-rechtliches Konstrukt, und sie zu definieren, ist Sache der Parlamente. Für religiöse Überlegungen ist da kein Raum.