Gelobtes Israel

10 Apr

Wenn man als Palästinenser geboren wurde hat man es schwer: islamische Religion, Stammesdenken, Fatah und Hamas – das alles kann einem das Leben zur Hölle machen. Wenn man aber Palästinenser und schwul ist, dann ist das Leben die Hölle. Und die einzige Hoffnung liegt dann jenseits der grünen Linie, im wahrhaft Gelobten Land. In Israel. In Tel Aviv:

Es ist schwer, mehr Feinde zu haben als ein „Luti“. So nennen Palästinenser Homosexuelle, in Anspielung an den biblischen Lot. In ländlichen Gebieten, wo die Zentralgewalt der Palästinensischen Autonomiebehörde schwach ist, ist die Lage schlimmer als in Hebron: „Große Sippen sorgen dort für Ordnung“, sagt Jussuf: „Wer aus der Reihe tanzt, hat schnell durchlöcherte Kniescheiben oder eine Kugel im Kopf. Zwei schwule Freunde wurden in den vergangenen vier Jahren auf einem Hügel neben ihrem Dorf erschossen. Ein weiterer wurde auf dem zentralen Platz seines Dorfes gehängt“, berichtet Jussuf. Es wusste nur einen Ausweg: „Ich musste nach Tel Aviv.“

Denn in Tel Aviv, da ist man frei:

Tel Aviv gilt in der arabischen Welt als Sinnbild des verhassten zionistischen Judenstaats. Sie steht aber auch, sagt Jussuf, für „absolute Freiheit. Hier ist das Paradies“. Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück. In Tel Aviv fühlt er sich sicher.

Selbstverständlich hat man als „Luti“ auch in Tel Aviv kein leichtes Leben. Doch liegt das keineswegs an den Israelis, sondern an der sozialen Isolation derjenigen, die vor ihren Familien flüchten müssen, um ihr Leben zu retten:

Doch Jussuf will bleiben, um jeden Preis. „No way! Ich gehe hier nie weg“, sagt er. „Es ist nirgends besser als in Tel Aviv. Seit ich hier lebe, habe ich noch nie Rassismus erfahren. Sogar während der Zweiten Intifada, als hier überall von Palästinensern die Busse in die Luft gesprengt wurden.“ Mehr als 40 Mal setzten Polizisten ihn bereits im Westjordanland ab, aber Jussuf fand immer den Weg zurück. „Ich kenne schon alles: die Beamten, die Zellen, die Fragen und die Tricks, um über die Grenzanlagen zu kommen“, sagt er. Entweder geht er durch die Wüste, klettert in Jerusalem über die Mauer oder nimmt eine Route im Norden: „Da kann man sich nachts über die Felder schleichen. Schaul wartet auf der anderen Seite mit dem Auto.“

Jüdische Polizisten flößen Jussuf keine Angst mehr ein: „Die behandeln mich mit Respekt. Gegen Ende ihrer Schicht lassen sie mich oft einfach ziehen. Sie wissen, dass ich heute keinen Schaden mehr anrichte. Sie haben keine Lust auf den ganzen Papierkram“, sagt Jussuf und grinst. Der Mitgliedsausweis des Schwulenvereins sei bei jüdischen Polizisten hilfreich: „Die sagen manchmal: Was, du bist Araber und schwul? Geh nach Hause, Gott hat dich schon genug gestraft.“

Ist es nicht merkwürdig, ja geradezu eine Perversion, dass es angesichts dieser Geschichten immer noch Menschen gibt, die Palästina den Vorzug gegenüber Israel geben? Zumal Menschen, die sich selbst als „links“ und „progressiv“ bezeichnen?

4 Antworten zu “Gelobtes Israel”

  1. Ralf 10. April 2012 um 13:03 #

    Nein, das finde ich weder pervers noch merkwürdig, denn es ist eine Legende, dass politisch „links“ sein etwas mit der Einstellung zu Juden, Schwulen und Lesben zu tun habe.

  2. Tino 17. April 2012 um 00:54 #

    Man kann nur hoffen das Jussuf diesen Ausweis nicht dabei hat, wenn ihn die Hamas-Religionspolizei erwischt und durchsucht…

  3. Tino 17. April 2012 um 00:57 #

    Aber etwas an der Geschichte intessiert mich noch:

    Wer ist Schaul? Ein Israeli? Sein Freund?…oder ein Fluchthelfer?

  4. Tino 17. April 2012 um 01:03 #

    Ahja ok ich habs im Spiegel gelesen.

    Warst du schonmal persönlich in Tel Aviv? Ich weiss das es mal zur Gay Hauptsstadt gewählt wurde 😉

    Wie streng sind die Bullen da wenn man kifft?

    Wenn nicht grad da unten der 3 Weltkrieg am Ausbrechen wäre, dann würde ich direkt mal hinfahren.

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