Die Entscheidung der Leitung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, in Ausnahmefällen homosexuelle Partnerschaften im Pfarrhaus zu ermöglichen, findet Widerspruch. So weit, so normal in einer pluralistischen Kirche. Befremdend ist allerdings die Wortwahl des Widerspruchs. Die uneingeschränkte Öffnung der Pfarrhäuser firmiert in der Erklärung als „totale Öffnung“.
Die Differenzierung mag auf den ersten Blick als Petitesse erscheinen, doch vor dem Hintergrund, den Widerspruch als Akt antifaschistischer Notwehr zu definieren, erinnert die Wortwahl doch sehr an die vom „totalen Krieg“. Und in eine antifaschistische Tradition will man sich seitens der Gegner der Öffnung offensichtlich stellen mit der Ausrufung des „status confessionis“. Denn die Frage, ob der gegeben sei, war in neuerer Zeit hauptsächlich Thema einer innerkirchlichen Auseinandersetzung während des Nationalsozialismus. Nicht einmal damals war man sich einig, ob er gegeben sei. Und nun soll die ausnahmsweise Öffnung von Pfarrhäusern für homosexuelle Paare eine größere Bedrohung des Kerns des christlichen Glaubens sein als die Arisierung der Kirche und die Ermordung der Juden und Jüdinnen?
Da weiß man nicht, ob man der sächsischen Kirche den Austritt dieser Rechtsaußenspieler wünschen soll, nachdem sie endlich erkannt haben, dass Volkskirche eben nicht bedeutet, dass eine kleine radikale Minderheit der Mehrheit ihren Willen vorschreibt. Oder den selbsternannten Antifaschisten die Erkenntnis, dass der Kern des christlichen Glaubens nicht in der Diskriminierung und Ausgrenzung von Homosexuellen besteht, sondern in diesem verrückten Ding namens Liebe.
Wenn man die unzähligen Internetseiten zum Thema (also die mit bible-soundo und jesus-irgendwas im Domainnamen) ernst nimmt, besteht der Kern des christlichen Glaubens in bedingungslosem Bibelgehorsam, also z. B. dem Züchtigen von Säuglingen mit Ruten, der strikten Ablehnung von Demokratie und Menschenrechten, der festen Überzeugung, dass das Universum maximal 12000 Jahre alt ist, Kopftuchpflicht (!) für Frauen und Langhaarverbot für Männer… und natürlich auch der absoluten Ablehnung jeglicher Sexualität außerhalb einer heterosexuellen Ehe.
Anders als für seine sexualle Orientierung ist für seine Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft, die altorientalischer Mythologie und antiker Belletristik entspringt, jedermann selbst verantwortlich.