Mein Schwanz gehört mir!

28 Jun

Beschnitten oder unbeschnitten? – Das ist hier die Frage

Das Landgericht Köln hat entschieden, dass die religiöse Beschneidung von Jungen eine Körperverletzung darstellt. Dass die Debatte um das Urteil sehr emotional geführt wird erscheint mir logisch, denn schließlich geht es um Religion, Schwänze und letztendlich um Sex, auch wenn letzteres kaum jemand zugeben wird. Eine brisante Mischung, also…

Meine Meinung zu dem Urteil ist dabei recht eindeutig: Ich halte die Beschneidung von minderjährigen Jungen –  die schließlich nicht selbst darüber entscheiden können – natürlich für Körperverletzung, und kann auch schwerlich nachvollziehen, wie man das anders sehen kann. Denn was ist es anderes, als die dauerhafte Entfernung eines natürlich vorhandenen Teil des Körpers? Eines Körperteiles übrigens, der so unwichtig nicht ist:

Während des ganzen Lebens hält die Vorhaut die Eichel zart und feucht und schützt sie vor Verletzungen, Reibung und Austrocknung. Reibung (auch durch Kleidung) führt zu Verringerung der Reizbarkeit.

Über die religiösen Gründe der Beschneidung braucht man meines Erachtens kein Wort zu verlieren, es ist ein simpler Initiationsritus, der sich mittlerweile verselbstständigt hat und  zum Selbstzweck geworden ist. Wäre es kein weitgehend religöses Ritual, würde die Debatte auch nicht derartig emotional geführt werden.

Doch neben den religiösen Gründen, gibt es ja auch medizinische Gründe, die die Beschneidung rechtfertigen:

Die Zirkumzision kann aus folgenden Gründen gesundheitlichen Komplikationen vorbeugen:

  • Die Keimbesiedlung der Eichel wird erschwert. Physiologisch verhält sich der Präputialraum (der Raum zwischen Vorhaut und Eichel) eines unbeschnittenen Penis wie ein intertriginöser Raum. Auch pathogene Keime wie koagulasepositive Staphylokokken, Escherichia coli, Proteus mirabilis oder Pseudomonas aeruginosa sind nicht selten anzutreffen. Hinzu kommen Hefepilze, insbesondere Malasseziaarten. Die Zirkumzision schafft „trockene Verhältnisse“ an der Eichel, was hinsichtlich des Infektionsrisikos in diesem Bereich als „günstigere Grundsituation“ eingeschätzt wird. Bei freiliegender Eichel ist die Keimbesiedlung quantitativ wesentlich geringer.
  • Die Ansammlung von Smegma wird erschwert. Das Smegma praeputii des Mannes besteht aus dem Talg der Vorhautdrüsen gemischt mit dem Zelldetritus des Eichelepithels und Bakterien. Es sammelt sich am unbeschnittenen Penis zwischen Vorhaut und Eichel. Bei mangelnder Genitalhygiene werden die Ablagerungen sichtbar und es kommt zu einer intensiven Geruchsbildung. Die Smegmaansammlung gilt als Herd für Entzündungen (→ Balanitis, Balanoposthitis) und kann darüber hinaus die Entstehung lokaler Karzinome (→ Peniskarzinom) begünstigen.
  • Die in der Vorhaut selbst in hoher Konzentration sowie nah an der Hautoberfläche vorliegenden Langerhans-Zellen und CD4-Rezeptorzellen sind für die Übertragung von Viren beim Geschlechtsakt mitverantwortlich.

Ganz abgesehen von Untersuchungen, die einen Zusammenhang zwischen Beschneidung und einem verringerten Risiko von HIV und Geschlechtskrankheiten nahelegen.

Einen Einfluss auf die zwischenmenschliche Sexualität hat die Beschneidung offenbar nicht, auch wenn es schwierig ist, diesbezüglich Vergleichswerte anzustellen, denn wie soll ein beschnittener Mann wissen, wie sich Sex mit einem intakten Penis anfühlen würde – oder umgekehrt?

Einen Hinweis gibt allerdings die Technik der Selbstbefriedigung, da die Masturbation durch die Beschneidung ein wenig erschwert wird, was mich im Übrigen zu der kühnen Behauptung veranlasst, das könnte ein ursprüngliche Grund gewesen sein, sie überhaupt erst anzuwenden.

Persönlich mag ich unbeschnittene Penisse ein wenig lieber, sie sind mir vertrauter und einfacher zu handhaben. Selbstverständlich hat die Praxis mich dahingehend belehrt, dass es im Detail nur geringe Unterschiede gibt. Letzten Endes kommt es eh auf die Technik und noch mehr auf den Mann an.

Alles in allem bleibt die Beschneidung meines Erachtens ein weitgehend sinnfreies Ritual, welches religiös-kulturell inspiriert ist und für das in der Neuzeit allerlei medizinische Vorteile aufgeführt werden, um sich nicht mit der leidigen Tatsache auseinandersetzen zu müssen, dass man es in der Tat mit einer Körperverletzung zu tun hat.

Dass die Folgen für die Männer nicht der Rede wert ist, macht die ganze Sache dabei erträglich.

8 Antworten to “Mein Schwanz gehört mir!”

  1. STFN 28. Juni 2012 um 13:33 #

    Hi,
    Da stimme ich dir doch in vielen Teilen zu…
    Zu deiner These die Beschneidung ist in erster Linie gegen Selbstbefriedigung gedacht, da würde ich dir im Bezug auf Europa voll zustimmen.
    Die ganze Sache kam im 18.Jhdt. auf, um genau das zu verhindern, etwa durch den Arzt Tissot. http://de.wikipedia.org/wiki/Simon-Auguste_Tissot
    aber auch anderen. Die Briten haben es Langezeit praktiziert, bis die Krankenkassen bemerkt haben das die gesundheitlichen Vorteile nicht die Risiken aufwiegen.

  2. Peter 28. Juni 2012 um 19:59 #

    Du schreibst: „denn wie soll ein beschnittener Mann wissen, wie sich Sex mit einem intakten Penis anfühlen würde – oder umgekehrt?“
    Dabei ist das ganz einfach: Es gibt ja massig Leute, sie sich erst im Erwachsenen-Alter beschneiden lassen (müssen). Und wenn man deren Berichten Glauben schenkt – und warum sollte man das nicht tun – dann ist der Sex nach der Beschneidung um Klassen besser. Wie so oft, sind es halt nur Vorurteile von Unwissenden oder Ideologen.
    Allgemeine Informationen zur Beschneidung gibt es hier: http://www.eurocirc.org/
    Und hier sogar ein spezielles Angebot für Schwule: http://cuttingclub.de/

    • Adrian 28. Juni 2012 um 20:11 #

      Ja, all diese Umfragen. Irgendwie glaub ich denen nicht so richtig. Denn welcher Mann gibt schon gerne zu, dass der Sex schlechter geworden ist? Und wieso sollte der Sex beschnitten besser sein? Welche physiologischen Grundlagen gäbe es dafür?

  3. Jotuklan 29. Juni 2012 um 02:10 #

    Für das Märchen von der wundersamen, langanhaltenden Potenz beschnittener Männer hab ich ja nur noch ein müdes Lächeln über,
    mir wäre derartiges bisher nicht aufgefallen,
    eher das Gegenteil….

    Also mein Mann ist Anfang 30, er wurde als Kind beschnitten, und mittlerweile ist seine Eichel ungefähr so empfindlich die Haut an seinen Knien,
    da er beim Sex kaum mehr etwas spürt, ist das mit seiner Standfestigkeit natürlich nicht mehr so besonders weit her.

    Wenn das nur meinen Mann beträfe, wäre es halt ein Einzelschicksal,
    aber ich hab das immer wieder erlebt,
    Mann, beschnitten, spürt nichts mehr beim Sex = Niete im Bett.

    Es stimmt wohl schon das Männer die Probleme mit vorzeitigem Samenerguss haben davon profitieren wenn nach der Beschneidung ein paar Nervenenden an der Eichel absterben, sie spüren dann weniger und können deshalb länger im Bett durchhalten,
    aber das sterben der Nervenenden geht ja munter weiter,
    solange bis da garnicht mehr viel läuft.

    Deshalb trau ich diesen Lobeshymnen auf die Beschneidung auch nicht,
    ein Mann der nach der Beschneidung für eine Weile besseren Sex hat, wird kaum eine Gelegenheit auslassen auf seine neue verbesserte Potenz hinzuweisen,
    aber wenn nach ein paar Jahren sein Sexualleben den Bach runter geht, weil er einfach nichts mehr spürt, dann wird er sich wohl kaum hinstellen und mit dem gleichen Elan verkünden das er keinen mehr Hoch kriegt.

    Daher ist das Ammenmärchen vom lebenslangen Super-Sex durch Beschneidung wohl nur ein Effekt einer verzerrten Mitteilungbereitschaft!

    Es gibt übrigens auch Berichte von Männern die als Kind beschnitten wurden und mit Dehngeräten sich wieder eine Vorhaut haben wachsen lassen,
    die sagen auch das der Sex jetzt viel besser ist,
    weil die Eichel nun viel empfindlicher sei und sie den Sex deshalb mehr genießen können, und so auch längere Erektionen haben.
    Solchen Berichten bin ich da eher geneigt sie zu glauben,
    es entspricht einfach meiner eigenen Erfahrung,
    das ein Mann mit Vorhaut, dauerhaft(!) ein zufriedeneres Sexualleben lebt.

    PS:
    (Das Genitalverstümmelung von Kindern, egal welchen Geschlechts, aufs schärfste geächtet gehört, brauch ich hier wohl nicht eigens erwähnen, oder?)

  4. Martin 29. Juni 2012 um 02:23 #

    Ich bin beschnitten worden als ich 4 war. Ulkigerweise haben meine Eltern als ich geboren wurde beschlossen, dem Rest der Familie zu zeigen das man auch unbeschnitten ein Jude sein kann und verkündet das ich nicht beschnitten würde. Das wurde ich dann aufgrund einer Phimose aber doch. So kanns gehen 🙂

    Keine Ahnung ob es besser oder schlechter ist, es macht auf jeden Fall Spass.

  5. Atacama 29. Juni 2012 um 15:48 #

    Ich hab mal von einem Mann gelesen der beschnitten war und mit Kondom nicht mehr kommen konnte weil er zu wenig spürte.
    Aber ob es nun bei anderen viel toller danach war oder ob es generell besser oder schlechte ist, da kann man ewig drüber diskutieren. Unterm Strich ist es eben eine medizinisch nicht zwingend notwenige (also bei Jungs/Männern die in dem Bereich keine Probleme haben, versteht sich) Operation/“Verstümmelung“ die nur mit dem Einverständnis des Betroffenen durchgeführt erden sollte.

    Egal ob religiöse Gründe dahinter stehen oder nicht. Man liest ja dass es im Islam darauf beruht, dass Mohammed ohne Vorhaut zur Welt kam. Was wenn Mohammed keine Arme gehabt hätte?

  6. Dummerjan 3. Juli 2012 um 17:26 #

    Die Diskussion wird in Hinsicht auf die Entfernung der Vorhaut geführt. Jedoch gibt es auch andere, weiterführende Praktiken (Auftrennen des Penis, Zerquetschen eines Hodens) die nie diskutiert werden, aber auch existieren. Das tun nun zwar die Juden und Moslems nicht, jedoch wären diese ja auch durch die Religionsausübung geschützt.

    Die Komplikationen der Zirkumzision unter klinischen(!) Bedingungen:
    http://www.pflegewiki.de/wiki/Komplikationen_der_Beschneidung#.C3.9Cberm.C3.A4.C3.9Fige_Gewebsentfernung

    und
    „dass Zirkumzision an Jungen in Deutschland rund 30 mal häufiger durchgeführt werden, als es angesichts der Häufigkeit therapiebedürftiger Vorhauterkrankungen und heutiger konservativer Behandlungsmodalitäten medizinisch notwendig wäre“ (ebenda)

    Weiterhin bemerkt man:
    „Pensikrebs betrifft weniger als 1 aus 100000 Männern und ist eine der seltensten Krebserkrankungen überhaupt.Mann müsste mehr als 100000 Jungen oder Kinder Beschneiden um einen Fall von Peniskrebs zu vermeiden.
    2.Peniskrebs betrifft fast auschließlich Männer im Greisenalter mit schlechter Intimhygiene.- Kein Wunder also wenn in den USA Pensikrebs gehäuft beschnitten auftritt , da noch bis 1930 rund 2/3 der Jungen zu Hause außerhalb von Krankenhäusern zur Welt kamen und folglich der Beschneidung entkamen.) Die Konsequenz ist so ernüchternd wie schockierend: Jährlich sterben mehr Babies und Jungen an den Folgen der Beschneidung als alte Männer an Peniskrebs. “
    http://www.phimose-info.de/phimose-forum/viewtopic.php?f=2&t=1994

    Außerdem:
    S. http://www.cirp.org/library/general/gellis1/

    Und aus dem Deutschen Ärzteblatt:
    „Bedacht werden müssen zudem mögliche Risiken einer Zirkumzision. Schwere Komplikationen (zum Beispiel eine Harnröhrenfistel) sind sicherlich selten, kommen aber gerade nach nicht ärztlich durchgeführten Beschneidungen vor. Komplikationen, die ohne Verschulden des Operateurs auftreten, sind dagegen viel häufiger und müssen dementsprechend gewürdigt werden: In bis zu 32 Prozent werden Meatusstenosen [Verengung der Harnröhrenmündung] nach Neugeborenenzirkumzisionen beobachtet.“

    Wieviel Evidenz braucht es denn noch?

  7. Gismatis 15. Juli 2012 um 01:53 #

    An Jotuklan: Grundsätzlich kann persönliche Erfahrung Umfragen nicht ersetzen. Zum Beispiel liegt meine Beschneidung schon viele Jahre zurück und mein Lustempfinden hat sich weder mit der Beschneidung noch seither verändert. Nur ist mir klar, dass ich das nicht verallgemeinern darf. Jeder Mann reagiert anders. Dies zeigen eben die Umfragen.

    Ich glaube ja, dass das sexuelle Empfinden vor allem Kopfsache ist und weniger eine Frage der Anatomie, die völlig überbewertet wird. Das Gehirn ist sehr flexibel. Wenn ein Beschnittener beim Geschlechtsverkehr nicht mehr viel spürt, dann möglicherweise deshalb, weil er bei der Selbstbefriedigung viel Druck ausübt und damit viel Reibung erzeugt, sofern er die Eichel direkt stimuliert. Sein Gehirn gewöhnt sich an diese Stimulation und verlangt nach ihr. Der normale Geschlechtsverkehr bietet dann zu wenig Reizung. Unbeschnittene sind hier weniger gefährdet, weil sie die Eichel in der Regel nicht direkt reiben. Die Gleichung «wenig Reizung = wenig Lust, viel Reizung = viel Lust» ist absolut unzutreffend. So können viele Männer, mich eingeschlossen, ohne genitale Stimulation zum Orgasmus kommen.

    Es sterben auch keine Nervenenden ab. Das ist Unsinn! Lediglich die Hornschicht der Eichel wird etwas dicker. Sie ist aber auch beim Beschnittenen immer noch viel feiner als zum Beispiel die der Fingerkuppen, und trotzdem sind die Fingerkuppen viel tastempfindlicher als die Eichel. Es kommt eben vor allem auf die Dichte der Nervenenden an und viel weniger auf die Dicke der Haut.

    Beschnittene, die ein Empfindungsproblem haben, haben dieses wahrscheinlich nicht aufgrund der fehlenden Vorhaut, sondern wegen etwas anderem. Wenn sie dann meinen, in der Beschneidung die Ursache gefunden zu haben, und sich deshalb einen Vorhautersatz herbeidehnen, sorgt allein schon die Erwartungshaltung dafür, dass sie prompt mehr spüren.

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