Roland Heintze, schwules Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft, wirft dem CSD-Verein der Hansestadt vor, LSU und FDP zu diskriminieren.
Natürlich hat Heintze mit seinem Vorwurf Recht, denn was sonst als Diskriminierung soll es sein, wenn die CSD-Veranstalter LSU und FDP auffordern,
ihre Teilnahme an Parade und Straßenfest zu überdenken
– das ist schließlich nicht üblich und eine derartige Sonderbehandlung wird anderen teilnehmenden Gruppen nicht zuteil. Man könnte sich anstelle der Konservativen und Parteiliberalen natürlich beleidigt zurückziehen, doch warum eigentlich sollte man den CSD den Linken überlassen? Schlimm genug, dass das Verhalten der Veranstalter auch noch auf Verständnis stößt. Ich finde das Ansinnen der Veranstalter befremdlich und noch mehr den von ihnen referierten Wunsch mehrerer Personen, LSU und FDP
von der CSD-Demonstration und weiteren Pride-Veranstaltungen auszuschließen.
Warum sollen in diesen Tagen nicht alle die Stonewall gedenken, die das tun möchten? Und warum sollen sie es nicht gemeinsam tun? Sicher gibt es unter den Beteiligten stets Sympathische und Unsympathische. Wer mag, kann ja Flugblätter verteilen oder Plakate hochhalten, in denen die jeweils nicht Genehmen gedisst werden. Aber fällt eigentlich niemand auf, dass die politischsten Diskussionen im Zusammenhang der CSDs in den vergangenen Jahren fast immer darum gingen, wer dieses Mal auszuschließen ist? Sei es 2011 in München, wo die Männer schon aus dem Namen der Veranstaltung getilgt werden sollten, 2010, als man sich in Köln über Deutschlandfahnen auf der CSD-Parade erschreckte, in Madrid an Juden beim CSD störte und in Toronto an denen, die die Juden nicht mögen und in Berlin versuchte, die Parade zu einem Aufmarsch der Friedensbewegung umzufunktionieren oder 2007, als Transsexuelle an der Kölner Parade nicht teilnehmen durften, weil sie im falschen Etablissement beschäftigt waren.
Ob das die Zukunft und die immer wieder gewünschte Politisierung der CSDs befördert, wage ich zu bezweifeln.
Ich bin selbst nicht ganz sicher, wie ernst ich die Frage meine, aber was ist eigentlich Politisierung?
Für mich war Politik immer ein ganz merkwürdiger, kaum fassbarer Begriff. ist nicht irgendwie alles Politik, und (Der Umkehrschluss gilt ja in gewisser Weise immer.) dann gleichzeitig nichts?
@Muriel: Wenn alles Politik wäre, bräuchte man dafür keinen eigenen Begriff.
Es gibt eine Diskussion um „Anti-Politik“, an der ich den einen oder anderen Gedanken spannend finde, hier findet sich z.B. ein interessantes Zitat aus dem Kontext osteuropäischer Dissidenten zur Zeit des Staatskommunismus:
Was mir daran gefällt, ist diese „als ob“-Idee. Sie scheint mir Handlungsspielräume zu eröffnen, die wir nicht sehen, wenn wir uns von vorgegebenen Rahmen schon das Denken einengen lassen – häufig ohne es überhaupt zu bemerken.
Demnach wäre Politisierung gar nicht anzustreben. Oder?
Wenn ich jetzt mal aufhöre zu trollen und einen konstruktiven Kommentar versuche, könnte ich sagen, dass wir unter Politik vielleicht sinnvollerweise die Arbeit an einer Gesellschaftsordnung verstehen könnten, ohne damit vorwegzunehmen, wie diese aussehen soll. Damit wäre auch die Bemühung um den Abbau von Dogmatismus und staatlichem Zwang politisch zu nennen, und eine Politisierung wohl zumindest in Ordnung.
Ich bin der Meinung, dass Parteien, die sich massiv gegen Lesben und Schwule engagieren, auf einem CSD in der Tat nichts zu suchen haben. Und mehr ist dazu nicht zu sagen.
@Ralf: Aber die LSU ist keine Partei und engagiert sich, vor allem in der Mutterpartei, massiv für Lesben und Schwule. Und dass die FDP, bei aller Halbherzigkeit, sich massiv gegen uns engagiert, finde ich auch reichlich übertrieben formuliert.