Vor kurzem sinnierte ein entfernter Bekannter, die Zeit des klassischen Buches sei vorbei; E-Books, das wäre die Zukunft. Ich habe nur gelacht und 1.000.000 Euro dagegen gewettet. E-Books sind im Kommen, aber sie sind kein Ersatz für Bücher; sie sind eine Ergänzung.
Für mich müssen Bücher aus Papier bestehen, ich muss sie umblättern können, sie aufschlagen können ohne erst einen Knopf zu drücken, sie stundenlang lesen können, ohne dass mir die Augen wehtun oder ich mir Sorgen um die Energieversorgung machen muss. Ich brauche in meiner Wohnung mindestens einen Schrank voll mit Büchern, und Menschen, die so etwas nicht haben – die also nicht lesen -, werde ich niemals mit mehr als einem flüchtiges „Hallo“ bedenken.
Doch was soll man eigentlich lesen? In den letzten Jahren habe ich mich daran gewöhnt, dass in nahezu jedem Roman irgendwann eine Beziehung zwischen Mann und Frau geschildert wird. Doch irgendwie langweilt mich das und ich kann und will mich damit nicht mehr identifizieren.
Warum also keine „schwulen Bücher“ lesen, Bücher also in dene die Hauptfigur offen schwul lebt? Diese Art der Literatur gibt es immerhin schon einige Jahre. Ein guter Gedanke? Irgenwie nicht, denn ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass „schwule Bücher“ entweder Coming-Out Geschichten sind oder tragikomische Seifenopern jenseits von Gut und Böse. So wie etwa das da:
Luke fängt bald an zu arbeiten. Als Trainee in einer Agentur. Zum Teil freut er sich, zum Teil merkt er, dass gerade ein Abschnitt zu Ende geht. Ein paar Tage bevor er in der Agentur anfängt, haben er und sein Freund Cem einen Dreier mit Patrick, der – wie sich später herausstellt – in der gleichen Agentur arbeitet. Die Dreierbeziehung entwickelt sich zu einer scheinbar dauerhaften. Allerdings endet diese Menage à trois nach einem halben Jahr, als Patrick gesteht, sich in Luke verliebt zu haben. Luke ist nun in der Zwickmühle. Ohne dass Cem es weiß, treffen sich er und Patrick von nun an zu zweit. Wie lange wird es gut gehen?
Himmel, wie aufregend! Eine Dreierbeziehung – und wer weiß wie lange das gut geht? Und der Quotenmigrant Cem muss natürlich auch dabeisein. Und selbstverständlich die lesbische Freundin. Und das befreundete schwule Spießerpaar, deren Spießigkeit sich dadurch auszeichnet, dass sie keinen Dreier haben. Gähn!
Nein, so was lese ich nicht, das ist nicht meine Welt, ich bin schließlich keine 2o mehr und weiß inzwischen, dass es den Osterhasen nicht gibt…
Gibt es eigentlich keine normalen Romane für Schwule, die so wie alle anderen sind, nur dass die männliche Hauptfigur eben nicht auf Frauen steht? In denen Schwule keinen Dreier machen? In der sie nicht mit ihrem Coming-Out kämpfen? Romane auf deren Covern kein halbnackter Mann abgebildet ist?
Ein Roman vielleicht über ein schwules Spießerpaar in Zehlendorf? Oder über einen schwulen Anwalt in London? Oder einem schwulen Zeitungsredakteur in Kansas? Gibt es sowas?
Die meisten Geschichten leben von Konflikten.
Viel schwule Literatur habe ich nicht gelesen und eines wo das Schwulsein wirklich komplett unproblematisch war und ohne Beziehungsstress habe ich eigentlich nicht gefunden, wobei ich nicht genau weiss, was du mit „normal“ meinst.
Ausserdem gibt es in dem Bereich sehr viel „Billigliteratur“, was einfach schlecht geschrieben ist oder was nur ein Porno in Schriftform ist, wo ich mir denke, das kriegt man visuel schneller und besser hin.
Ich kann ja mal was empfehlen:
http://www.amazon.de/Die-Mitte-Welt-Andreas-Steinh%C3%B6fel/dp/3551353158/ref=sr_1_2?ie=UTF8&qid=1350819092&sr=8-2
„Die Mitte der Welt“
Die Geschichte eines schwulen jungen Mannes in einer Kleinstadt, seine Kindheit und sein Erwachsenwerden. Ein Buch das ich in meiner Jugend verschlungen und seitdem bestmmt schon zehnmal gelesen habe, immer wieder schön. Ich liebe den Schreibstil des Autors. Der Fokus liegt nicht so sehr auf der Sexualität, sondern auf den Wirren des Erwachsenwerdens, sein Leben mit seiner manchmal etwas schwierigen Familie (Zwillingsschwester sehr distanziert, Mutter (bekam die beiden mit 17) ist die „Dorfschlampe“) und seine erste Liebe.
Dazu werden viele interessante, liebens- oder hassenswerte Nebenfiguren eingefügt die ihm wichtig sind und von denen er lernt.
Eigentlich hätte er auch hetero sein können (oder eine hetero Frau), denn die Art seiner Orientierung ist für das Funktionieren der Geschichte nicht so relevant. Insofern denke ich, dass das am ehesten dem entspricht was du suchst.
http://www.amazon.de/Ali-Ramazan-Roman-suhrkamp-taschenbuch/dp/3518462865/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1350819607&sr=1-1
„Ali und Ramazan“
Zwei Waisenhausjungs in der Türkei der 90er, die sich von Kindheit an lieben und nie loslassen. Problematischer als das Schwul-Sein ist ihre Perspektivlosigkeit und Armut als sie aus dem Waisenhaus entlassen werden. Traurige Geschichte (musste heulen), aber dennoch schön.
Wurde in der Türkei zum Buch des Jahres 2010 gewählt trotz der Thematik.#
Und zu guter Letzt ein englisches Buch das man gratis im Internet lesen kann, was aber derbe krass geschrieben ist. Verdammt gut imo, aber inhaltlich manchmal schwer zu verdauen.
http://www.marquesate.org/special-forces-soldiers.html
Die Geschichte beginnt im Afghanistan-Krieg der Sowjets in den 80ern. Vadim ist ein hohes Tier bei den Russen und natürlich ungeoutet und vergewaltigt gerne Männer, je mehr sie sich wehren desto besser. Seine Sexualität ist sehr auf Dominanz ausgerichtet.
Dan ist ein SAS Soldat (is dato hält er sich für hetero) der auch dort ist und ihn erwischt es gleich im ersten Kapitel.
Nach diesem Erlebnis begenen sie sich mehrmals wieder und die ganze Geschichte ist eigentlich ein Epos (gibt noch drei weitere Teile, auch auf der Seite zu finden) über mehrere Jahrzehnte. Als mir die Geschichte empfohlen wurde, dachte ich erstmal, was das für ein Schwachsinn sein soll. Wie kann aus einer Vergewaltigung eine Freundschaft oder gar Liebe entstehen, aber die Frau die es geschrieben hat, schafft das wirklich unfassbarer weise.
Sie verwendet viel Zeit auf die Charakterentwicklung und man lernt mit der Zeit sowohl Vadim, als auch Dan besser „kennen“ und verstehen.
Allein die Beschreibung der Vergewaltigung und sonstiger Kriegsgräul (oder Dans grausame Folter als Racheaktion an Vadim) ist sehr abschreckend, muss man selber wissen.
Interessant dabei ist auch, dass die Autorin sich sehr viel militärisches Know How angeeignet hat und auch auf dem Gebiet sehr realistisch schreibt.
Im Gegensatz zu den ersten beiden Geschichten kommt hier viel (detailierter) Sex vor.
Wobei, in dieser Geschichte ist das Schwul-Sein natürlich nicht „normal“ und einfach, zumal bei der Armee. Aber ich empfehle sich jetzt trotzdem mal^^
Ansonsten kenne ich keine, ausser welche auf denen ein halbnackter Mann abgebildet ist und die wohl eher für verträumte Teeniemädchen geschrieben sind.
Ich muss erschüttert feststellen: Sowas hab ich auch nicht im Angebot. Ich habe eine asexuelle Protagonistin in Nimmer mehr und ein paar einigermaßen dysfunktionale heterosexuelle Beziehungen in Eine Riesenemenge Geld sowie (leider nur fast) keine Paarbeziehung in Menschenähnlich.
Aber offen schwul ist bei mir niemand. Ich sollte da gelegentlich was machen.
Außerhalb von überschaubare Relevanz fällt mir aberwas ein. Richard Morgans The Steel itself ist ein durchaus gelungener Fantasyroman mit schwulem Protagonisten. Allerdings lebt der auch nicht glücklich liiert, und ich persönlich fand die letzten paar Seiten ziemlich doof.
Bücher hätte ich übrigens am liebsten nur noch elektronisch.
@ Atacama
Danke für die Tipps, aber so richtig fesselnd klingt das alles nicht 😉
Ich hab schon einige Male etwas in der Richtung gelesen:
Einen SF-Roman, in dem wegen der Überbevölkerung der Welt nur noch gleichgeschlechtlicher Sex erlaubt war, und die Abenteuer und Aufklärungsarbeit eines schwulen Kommissars mit teilweise detallierten Beschreibungen der Aktivitäten.
Titel und Autor sind mir leider entfallen, aber auf der Suche nach selbigen bin ich auf den Autor „Lennart Larson“ gestoßen, der unter dem Oberbegriff „Sex and Crime“ recht gute Sachen schreibt. (Amazon, Ebay, Emule,…….)
Irgendwelche „aufgeplusterten“ Probleme wegen der Sexualität seiner Protagonisten bleiben außen vor.
„Die Mitte der Welt“ mag ich ebenfalls sehr gerne. Ansonsten fallen mir noch „Making History“ von Stephen Fry ein, „Mysterious Skin“ von Scott Heim, die allesamt anbetungswürdigen Bücher von David Sedaris, und „Band Fags!“ von Frank Anthony Polito (die Quasi-Fortsetzung „Drama Queers!“ fand ich nicht ganz so gelungen).
Naja dann will ich noch von zwei Büchern abraten die ich gelesen habe.
http://www.amazon.de/Cocaine-oder-Lust-Hingabe-ebook/dp/B004J1768K/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1350906999&sr=8-1
http://www.amazon.de/Die-Sehnsucht-meines-Bruders-Waters/dp/3000227229/ref=sr_1_2?ie=UTF8&qid=1350907031&sr=8-2
Die sind beide ganz ganz furchtbar. Der Autor kann einfach nicht schreiben. Man erwartet ja nicht viel von solchen Schundromanen, aber die stechen echt noch negativ hervor.
Obwohl die so schlecht sind, dass es schon fast wieder lustig ist.
Aber ich würde jedem abraten, dafür Geld auszugeben.
Es hat mir keine Ruhe gelassen und ich bin mit Hilfe eines Freundes fündig geworden: Autor: Tony Fennelly. Titel: „Mord auf der Klappe“, auch enthalten in der „Matty Sinclair Trilogie“, erschienen bei Rotbuch Taschenbücher. (Amazon und Ebay)
Die Stories sind unterhaltsam und amüsant geschrieben.
@Adrian: Die Trilogie steht bei mir im Regal und Du kannst sie Dir gerne bei Gelegenheit ausleihen. Obwohl ich angesichts des zitierten Titels des ersten Bandes skeptisch bin, ob Du das willst 😉
Ist aber wirklich sehr unterhaltsam.
Oder geh doch mal in den Prinz Eisenherz Buchladen in Berlin. Die können Dir bestimmt was empfehlen. Ich fühl mich da in der Regel sehr gut beraten.
Ach, Buchläden. Ich sitze ja lieber am Rechner und lasse mich von der ganzen Welt beraten 😉
Schließt sich ja nicht aus. Du musst auch nicht hingehen zum Eisenherz, die schicken Dir die Bücher auch kostenlos zu. Und machen die Beratung bestimmt auch telefonisch oder per Mail. 🙂 Andererseits: Im Buchladen kann man Männer treffen. Schwule Männer…
@Damien
Danke für den Hinweis 🙂
Wenn du mit dem ersten Titel der Trilogie „Mord auf der Klappe“ meinst – Durch diesen Titel hab ich mich durchgefressen; die beiden andern Titel kenn ich noch nicht, hab mir aber das Buch grade bei Amazon bestellt……..
Ein persönlicher Liebling:
http://www.amazon.de/Die-wilden-Jahre-Allan-Gurganus/dp/3442540968/ref=sr_1_2?ie=UTF8&qid=1351785084&sr=8-2
Originaltitel „Plays well with others“ 🙂
Großartiger Roman über die New Yorker Künstlerszene in den 80ern, selbstredend auch Schwule dabei, darunter auch der Erzähler. Wunderwunderbar.
Das hier mochte ich auch:
http://www.amazon.de/Rotes-Glas-Roman-Maria-McCann/dp/3548680038/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1351785575&sr=8-1