Die Wahlen in den Vereinigten Staaten sind Geschichte. Geschichte ist auch die deutsche Wahlberichterstattung, die dieses Mal wirklich exzessiv ausgefallen ist. Exzessiv und töricht, denn wir üblich haben unsere Qualitätsmedien unter Beweis gestellt, wie uninformiert sie sind und dass ihre Agenda nicht in der Information sondern in der Meinungsbildung besteht. Tatsache ist, dass die englische Wikipedia seriöser und informativer ist, als alles was man an deutscher Wahlberichterstatung vernehmen mustse.
Auffallend, wie oft man sich das Statement anhören musste, wir „zerrissen“ die USA doch seien, so als wäre es ein Makel, dass die Entscheidung zur Präsidentschaftswahl äußerst knapp ausgefallen sei. Natürlich sind die USA „zerrissen“. Sie sind ein freies Land mit unterschiedlichen Menschen, unterschiedlichen Meinungen, unterschiedlichen Lebensanschauungen, unterschiedlichen politischen Präferenzen. Es wählt da nun mal nicht jeder die Demokratische Partei, das war noch nie anders, und wenn man nicht gerade ein Redakteur der „Süddeutschen“ oder des „Tagesspiegel“ ist, konnte das einen auch nicht überraschen.
Um jeglichen Verdacht vorzubeugen: Nein, ich hätte nicht Romney gewählt. Wenn ich hätte zur Wahl gehen dürfen, wäre es mir schwer gefallen, ob ich von meinem Wahlrecht überhaupt Gebrauch machen soll oder den Kandidaten der Libertären Partei meine Stimme gegeben hätte. So oder so kann ich mit Obama gut leben. Romney dagegen war mir von Anfang an unsympathisch, ebenso sein Vizekandidadat Paul Ryan, der zugegeben so ziemlich das Schärfste ist, was die USA an Politikern zu bieten haben, diesen unbändigen Sexappeal aber durch seine kulturkonservativen Ansichten relativiert. Allerdings hoffe ich immer noch, dass man Ryan bei einem Blowjob auf der Flughafentoilette erwischt, was ja bei religiös-konservativen Republikanern früher oder später ohnehin zu passieren scheint…
Homopolitisch waren die Wahlen ein voller Erfolg. Die Wähler in Maine, Maryland und Washington haben sich für die Öffnung der Ehe entschieden und mit Tammy Baldwin aus Wisconsin zieht die erste offen lesbisch lebende Senatorin in den Kongress ein.
Indirekt vorteilhaft für die Rechte von Schwulen und Lesben ist der immer stärker offenbar werdende Verlust des Einflusses der religiösen Rechten. Die USA – noch immer die am stärksten religiöse Nation der westlichen Welt – machen gerade so etwas wie eine zweite Säkularisierung durch. Zum ersten Mal hören Amerikaner von Landsleuten, die sich offen dazu bekennen, keiner religiösen Gruppierung anzugehören, insbesondere bei jungen Menschen unter 30. Dieser Trend begann nach den Terroranschlägen vom 11. September und hatte ihre offensichtlichste Ausprägung in den Bestsellern und unzähligen in den USA erfolgten Vorträgen und Debatten bekennender Atheisten, von denen hier stellvertretend Richard Dawkins, Sam Harris und der verstorbene Christopher Hitchens genannt werden sollen.
Es bleibt abzuwarten, welche langfristigen Folgen das für die politische Landschaft der USA haben wird. Eine „Sozialdemokratisierung“ der USA, wie sie auch in Deutschland eher konservative Zeitgenossen befürchten, erscheint mir persönlich eher unwahrscheinlich. Denn die Staaten sind nicht Europa – sie sind im Kern vielfältiger, pluralistischer und freiheitlicher. Was auch der Grund ist, warum man sich als Deutscher eher um seinen eigenes Land und als Europäer eher um die Zukunft der EU sorgen sollte.
Eine Antwort zu “USA! USA!”