Abgetastet von der Chefin

20 Dez

Die Bekleidungsfirma Hollister ist ins Visier von Freunden des deutschen Arbeitsrechts geraten. Ist schon auch ein komischer Verein: Da gibt es nicht einfach Mitarbeiter auf unterschiedlichen Hierarchiebenen, sondern „Overnighter“, also Mitarbeiter, die

die Läden aufräumen und die Regale auffüllen, bevor sie am Morgen wieder öffnen.

Dann gibt es

 „Impacter“, die tagsüber die Regale auffüllen und im Lager arbeiten

und schließlich die „Models“, wegen denen die meisten Menschen vermutlich überhaupt bei Hollister einkaufen:

speziell gecastete oder auf der Straße und in Clubs angesprochene, junge Menschen, deren Job im Grunde darin besteht, im Laden zu stehen und gut auszusehen.

Das nun geht für einen deutschen Gewerkschafter gar nicht:

„Eine solch krude Personalpolitik habe ich in meiner gesamten Laufbahn nicht erlebt“, sagt Günter Wolf, Einzelhandelsexperte bei der Gewerkschaft Ver.di im Bezirk Mülheim-Oberhausen.

Menschen dafür bezahlen, dass sie gut aussehen, wo gibt es denn sowas? Geld verdienen, ohne dafür zu arbeiten quasi.

Arbeitsrechtlich fragwürdig mache dieses Konzept die Tatsache, dass das Unternehmen in Deutschland fast ausschließlich befristete Arbeitsverträge ausgebe.

„Warum Hollister das tut, kann man sich an fünf Fingern abzählen“, sagt Wolf. „Die haben keine Lust, jemanden zu beschäftigen, der älter als Mitte 20 ist. Denn irgendwann sehen die Mitarbeiter ja nicht mehr so gut aus.“ Dieses Geschäftsgebaren, urteilt der Gewerkschafter, grenze an Altersdiskriminierung.

Könnte man da nicht ein neues Gesetz einführen, wonach mindestens x Prozent der Mitarbeiter über 25 sein müssen? Oder Bildungsprogramme starten, damit die Menschen aufhören, andere Menschen weniger gut aussehend zu finden, bloß weil sie nicht mehr Mitte 20 sind?

Aber Hollister macht noch mehr Probleme:

Ein ehemaliger Mitarbeiter aus einer Filiale in Süddeutschland sagt, er sei vor jedem Verlassen des Geschäfts von seiner Chefin abgetastet worden und habe sich in den Rucksack schauen lassen müssen.

Hendrik Bourguignon, Fachanwalt für Arbeitsrecht, meint dazu:

Besonders bedenklich sei es, wenn die Kontrolle durch Personen des anderen Geschlechts gemacht werde.

Nun, das nennt man wohl Heteronormativität.

Zurück zu Hollister: Wo liegt eigentlich das Problem? Wird irgendjemand gezwungen, dort zu arbeiten? Das hat auch die WELT erkannt und schreibt:

Niemand wird gezwungen, ausgerechnet bei Hollister zu arbeiten. Ver.di-Experte Wolf meint jedoch, das sei zu kurz gedacht: „Auch Studenten sind schließlich darauf angewiesen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.“

Doch wieso ausgerechnet bei Hollister? Möglicherweise gefällt den Studenten die Atmosphäre in den Läden besser als es manchem Gewerkschafter recht ist.

Der Chef von Abercrombie & Fitch, zu dessen Unternehmen auch Hollister gehört, hat laut dem Artikel bemerkenswerte Vorstellungen darüber,

wie das – ausschließlich männliche und junge – Kabinenpersonal auszusehen habe, das den Vorstandschef [in seinem Flugzeug, Anm. D.] bediene: glattrasiert, bekleidet mit Abercrombie-Polohemden und ebensolchen Boxershorts, Flip-Flops und einem Spritzer des firmeneigenen Parfüms „Fierce“. 

Ob das einen Teil der kruden Personalpolitik von Hollister erklärt, dass sich der Chef die Mitarbeiter nach seinem ganz persönlichen Geschmack aussucht und auch dementsprechend an- oder besser auszieht?

Und wieso hat sich noch niemand beschwert, es sei diskriminierend, dass in diesem Flugzeug keine Frauen bedienen dürfen?

6 Antworten zu “Abgetastet von der Chefin”

  1. Yadgar 20. Dezember 2012 um 22:46 #

    „glattrasiert, bekleidet mit Abercrombie-Polohemden und ebensolchen Boxershorts, Flip-Flops und einem Spritzer des firmeneigenen Parfüms “Fierce”. “

    Gähn, was für Schaufensterpuppen… also, ich wünsche mir ja eine Airline mit ausschließlich langhaarigen schwarzbärtigen Schönlingen à la Cat Stevens oder Devendra Banhart als Stewards (und natürlich auch Piloten!), und in der Bordmusikanlage läuft nichts als klassische Hippiemusik (also etwa von der Incredible String Band über Jefferson Airplane bis zu den Fleet Foxes), und natürlich sollte „Eight Miles High Airlines“ nur die legendären Destinationen des Hippie Trails anfliegen, also Kabul, Goa und Katmandu, das Ganze natürlich ökologisch korrekt mit Brennstoffzellen-Motoren!

  2. pedro luis 20. Dezember 2012 um 23:42 #

    Recht hat er. Frauenfreie Räume.

  3. pedro luis 21. Dezember 2012 um 00:29 #

    In den Lüften. Vögeln gleich. (Billig, ja, aber naheliegend… oh je , schon wieder ein lapsus…)

  4. pedro luis 21. Dezember 2012 um 00:40 #

    Zur wohl notwendigen Erklärung: In dern 70-ern gab es mal einen Film mit etwa diesem Titel; „Die Stewardessen fliegen in den Lüften. Vögeln gleich.“

  5. marenleinchen 14. Januar 2013 um 10:45 #

    Eine derart strikte (und mMn unnötige) Trennung von Aufgabengebieten kann aber die Möglichkeit verhindern sich hochzuarbeiten. Das sind quasi dann die Läden, die nur aus 400,- Kräften bestehen.

    Und ehrlich gesagt, lebende Schaufensterpuppen finde ich bisschen gruselig.

  6. marenleinchen 14. Januar 2013 um 10:55 #

    Nachtrag: Arbeitskleidung muss sich in regelmäßigen Abständen selbst gekauft werden. Mit 50% Rabatt zwar, aber dennoch. Ich arbeite doch um Geld zu verdienen, nicht ums auszugeben….

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