Meine Söhne entwickeln sich ganz normal: Sie zielen mit ihren Plastikpistolen auf alles.

7 Mär

Der Schweizer Ableger von Wüstenstrom scheint fast noch skuriler zu sein als sein deutscher Bruder. In der Schweizer Schwulenzeitschrift display findet sich in der aktuellen Ausgabe ein Interview mit Wüstenstrom-Mitarbeiter Rolf Rietmann. Der erklärt dort nicht nur, Homosexualität sei heilbar, nein, noch dazu existiere sie überhaupt nicht. Und Heterosexualität? Offenbar schon, denn Rietmann konstatiert lediglich:

Es gibt keine Schwulen, Lesben, Bisexuellen oder Asexuellen.

Rietmann hat aber nicht nur ein wenig differenziertes Bild menschlicher Sexualität, auch seine Vorstellung von Männlichkeit ist vor allem eins, bestechend einfach strukturiert. Auf die Frage:

Es gibt in den USA sogenannte Schwulenheiler, die von Schwulen fordern, sich männlicher zu verhalten. Rumspucken, breit laufen, Fussball gucken… Verlangen Sie das auch?

entgegnet Rietmann:

Nein, das bringt überhaupt nichts. Der Klient muss es selber wollen.

So wie Rietmann es selber wollte,

gefühlsmässig zu den Männern gehören. Ich fühlte mich damals der Männerwelt nicht zugehörig, denn Männerthemen wie Fussball und Auto interessierten mich nicht.

Ob jemand dem Herrn mal stecken könnte, dass es zahlreiche schwule Fussballvereine gibt, Schwule nicht nur Fahrrad fahren und neben Hula-Hoop- auch Auto-Reifen wechseln können?

Bemerkenswert finde ich, wie Rietmann auf die Ausgrenzung von Menschen reagiert. Sie ist ihm nicht etwa Grund für einen Einsatz gegen Diskriminierung, sondern Beleg für die Notwendigkeit seiner Organisation:

Wüstenstrom braucht es weiterhin, denn ich kenne keine Gesellschaft, in der Homosexualität durch und durch akzeptiert wird.

Da muss ich ausnahmsweise einmal Rosa von Praunheim zitieren:

Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt.

Rietmann zeigt sich sicher, dass seine Söhne nicht schwul sein können, schließlich gebe es kein Schwulen-Gen, das er vererben könnte. Mal abgesehen davon, dass es doch (s.0.) Homosexualität, also wohl auch Schwule, gar nicht gibt, imponieren auch die folgenden Auslassungen Rietmanns durch eine enorme Unterkomplexität in der demonstrierten Weltsicht:

Meine Söhne entwickeln sich ganz normal, sind kleine Raufbolde. Sie zielen mit ihren Plastikpistolen auf alles. Ich sehe keine Ansätze, dass sie schwul werden.

Bei sich selbst ist er da nicht ganz so sicher. Es sei durchaus möglich,

dass homosexuelle Gefühle zurückkommen könnten, falls in meinem Leben grosse Probleme auftauchen. Wenn ich wieder das Gefühl bekomme, nur geduldet zu werden. So etwas gibt es in schwierigen Situationen, zum Beispiel, wenn jemand stirbt oder die Kinder von zu Hause ausziehen.

Unter dem Interview befindet sich eine Werbung für ein Anti-Hämorrhoiden-Gel. Und das passt irgendwie zu diesem Artikel, denn das Angebot von Wüstenstrom ist ebenso überflüssig wie die nervigen Dinger am Ausgang.

Leider ist das komplette Interview nur im gedruckten Heft zu lesen.

9 Antworten zu “Meine Söhne entwickeln sich ganz normal: Sie zielen mit ihren Plastikpistolen auf alles.”

  1. Atacama 7. März 2013 um 14:47 #

    „Wüstenstrom braucht es weiterhin, denn ich kenne keine Gesellschaft, in der Homosexualität durch und durch akzeptiert wird.“

    Ich dachte, jede Gesellschaft die Homosexualität toleriert hat ist untergegangen. Nun auf einmal gab es solche Gesellschaften nie. Was denn nun?

    „Ich fühlte mich damals der Männerwelt nicht zugehörig, denn Männerthemen wie Fussball und Auto interessierten mich nicht.“

    Und das Problem löst man indem man so tut als würden einen solche Themen interessieren obwohl sie das nicht tun nur damit man mitreden kann?
    Sich selbst zu verleugnen um gemocht zu werden, ist doch die absoluten Basis einer jeden stabilen Freundschaft.

  2. Atacama 7. März 2013 um 20:34 #

    Mir fällt da noch was ein was ich in irgendeinem Text dazu gelesen habe.
    Das mit den Pistolen gilt in irgendwelchen Psychoanalyse (oder Ex Gay) Theorien als phallisch. Pistolen, Gewehre usw. gelten ja als Phallussymbole (Form + Fähigkeit zu „schiessen“) und da heisst es dann, dass Jungs die sich damit beschäftigen eine „normale“ männliche (heterosexuelle) identität haben (zumindest gilt das als ein Indiz).

    Es ist zu vermuten, dass ein Mann wie Rietmann ganz besonders ein Auge darauf hat, dass bei seinen Söhnen alles „lehrbuchmäßig“ verläuft und ihnen deshalb nur ausgewählte Spiele, Verhaltensweisen und Interessen durchgehen lässt und eben auch, auf „Alarmsignale“ und „Normalitätsmerkmale“ achtet. Denn ein schwuler Sohn eines Ex-Gay-Heilers wäre ja peinlich.
    Deshalb hat er wahrscheinlich diese Dinge erwähnt, damit auch alle wissen, dass da „echte Kerle“ heranwachsen bzw. dass er alles richtig macht.

  3. Adrian 7. März 2013 um 23:30 #

    @ Atacama
    Ich bin ja der Meinung, ein Vater dessen Söhne mit Pistolen auf alles zielen, hat bei der Erziehung eindeutig versagt.

  4. Atacama 8. März 2013 um 00:22 #

    vielleicht läuft das ja nach dem Motto „besser ein Killer als einer der mit Puppen spielt“ ;D

    • Damien 8. März 2013 um 11:02 #

      Das wußte schon Franz-Josef Strauß: „Lieber ein kalter Krieger als ein warmer Bruder.“

  5. Atacama 8. März 2013 um 21:46 #

    Eigentlich eine Sache die zum Nachdenken anregen sollte. Gewalt und Mord unter Männern wird weitestgehend als „besser“ und akzeptabler angesehen als einen zu küssen.
    Ich glaube, dass Bilder von verhungernden Flüchtlingskriegern, Folterszenen und verstümmelte Kriegsopfer viel weniger „empörte Reaktionen“ hervorrufen als zwei küssende Männer. Echt merkwürdig das alles.
    Frauen klammere ich da mal aus die sind ja auch nicht so schlimm wenn sie mal rummachen.

  6. Blub 8. März 2013 um 22:35 #

    Was ist eigentlich aus dem Lack-und-Leder-Rockerimage der Schwulen geworden, das mir als Kind in den 80igern öfter in Filmen begegnet ist? Die ham sicher auch Knarren zum Rumballern…. wieso denken heute alle an Wattebäuschchen?

  7. Adrian 8. März 2013 um 22:59 #

    @ Atacama
    „Ich glaube, dass Bilder von verhungernden Flüchtlingskriegern, Folterszenen und verstümmelte Kriegsopfer viel weniger “empörte Reaktionen” hervorrufen als zwei küssende Männer.“

    Das liegt vmtl. daran, dass Gewalt und Hunger normaler sind als Homosexualität. Es sind instinktive Dispositionen, die jeder Mensch kennt und/oder nachempfinden kann. Für Homosexualität gilt das nicht.

  8. Alreech 13. März 2013 um 23:49 #

    Verhungernde Flüchtlingskinder, Folter und Kriegsopfer rufen auch Empörung hervor, nur richtet sich diese Empörung gegen die Schuldigen.
    Den Kapitalismus, der entweder direkt dafür verantwortlich ist (wie im Irak 1990 und 2003) oder indirekt (durch Unterlassung, wie 1991 – 2002 im Irak) dafür verantwortlich ist.
    Diese Empörung ist gerecht, da sie sich gegen die moralisch minderwertigen Motive (die Gier des Kapitalismus) des Schuldigen wendet.
    Diese Empörung hat IMHO auch einen bestätigenden Effekt, mit dem man seine eigenen, moralisch höheren Stand festigt (ICH bin nicht so gierig…).

    Die Empörung welche durch zwei sich küssende Männer hervorgerufen wird ist die Empörung die sich gegen den Verstoß von Sitte und Anstand wendet.
    Für manche ist es eben ein Verstoß gegen Sitte und Anstand das sich zwei Männer küssen, manche begründen das auch mit religiösen oder kulturellen Normen.
    Diese Empörung hat IMHO auch immer einen bigotten Beigeschmack – man würde ja selber gerne so hemmungslos sein – ist es aber mangels Gelegenheit (weder Mann noch Frau zum rummachen verfügbar) oder Erziehung nicht.
    So was kann schon wütend machen…

    Anyway, ich kann dem Herrn Exschwulen nur empfehlen seinen Söhne gleich von Anfang an männliche Vorbilder vor zusetzen, dann werden sie auch nicht schwul. 😉

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