Erdbeereis für junge Rechte

14 Apr

Die politische, kulturkonservative Rechte hat den Kampf um die Deutungshoheit der Homosexualität verloren. Ihr Bemühen, Homosexualität als krankhaft, abnormal und zerstörerisch für die Gesellschaft zu zeichnen,  hat schwere Rückschläge hinnehmen müssen. Waren sie vor einigen Jahrzehnten noch die größten Verfechter der Strafbarkeit (männlicher) Homosexualität, geben sie sich heute offiziell froh, dass Homosexualität kein gesellschaftlicher Skandal mehr ist. Die Opposition gegen Homo-Ehe und Adoptionsrecht gleicht mittlerweile verzweifelten Rückzugsgefechten. Argumentation ist kaum noch vorhanden. Wie auch? Das was bisher an „Argumenten“ hervorgebracht wurde, war nichts anderes als unverhülltes Ressentiment, etwas, das zu äußern immer peinlicher wird, da homosexuelle Menschen nicht mehr bloße Abstraktionsfläche sind, sondern man um ihre Existenz als lebende, atmende Menschen nicht mehr herumkommt.

Thorsten Hinz liefert in der „Jungen Freiheit“ ein eindrucksvolles Beispiel für ein solches Rückzugsgefecht. Zunächst selbstredend die Versicherung, dass niemand etwas gegen homosexuelle Menschen habe:

Es herrscht hierzulande weitgehend Einigkeit darüber, daß Homosexualität keinen Skandal mehr darstellt. Ob eine öffentliche Person schwul ist, interessiert nur noch in dem Maße wie das freie Partnerschaftskonzept des Bundespräsidenten, das uneheliche Kind des bayerischen Ministerpräsidenten oder der Familienkrach im Hause Kohl.

Dann der Einwand, dass es im Kampf um die Homo-Ehe gar nicht um die in ihr involvierten Menschen gehe, sondern im Gegenteil um eine gesellschaftliche Verschwörung:

Um Pragmatismus und behutsame Anpassung an die Lebenswirklichkeit geht es den Verfechtern der sogenannten Homo-Ehe aber gerade nicht. Sie wollen die Gleichstellung des Ungleichen. Ihr Plan, die Institution der Ehe auf Homosexuelle auszuweiten, läuft darauf hinaus, sie und die bestandssichernde „Heteronormativität“, die ihr zugrunde liegt, zu entwerten.

Ob die Ehe durch die Einbziehung von homosexuellen Paaren entwertet wird, liegt freilich im Auge des Betrachters. Jemand, der schwule und lesbische Paare nicht leiden kann, wird durch solche Verbindungen natürlich die Ehe abgewertet sehen. Ich für meinen Teil empfinde diese Einbeziehung eher als Aufwertung der Ehe.

Und wie sieht es mit der „bestandssichernden Heteronormativität“ aus? Nun, zunächst einmal ist es reichlich unlogisch zu suggerieren, die Heirat homosexueller Paare würde Mann und Frau davon abhalten, ebenfalls den Bund fürs Leben einzugehen. Es ist auch kaum denkbar, dass die Öffnung der Ehe dazu führen wird, dass Heteros dazu animiert werden, ihre bislang unterdrückten homosexuellen Gelüste auszuleben (was allerdings auch nicht schlimm wäre). Was nun die „Bestandssicherung“ angeht, darf man daran erinnern, dass Heteros – zumindest in der westlichen Welt – diese ein wenig vernachlässigt haben, und das alles, obwohl die Homo-Ehe bis vor kurzem gar nicht zur Debatte stand. Kinder, Familien und die Akzeptanz der Homosexualität sind keine Gegensätze. Wer die Geburtenrate steigern will, sollte das Wort lieber an die Masse der Heteros richten und seine Energie nicht darauf verschwenden, den Homos das Leben schwer zu machen.

Hinz folgt mit einer Erklärung, warum die politische  Rechte überhaupt Opposition zeigt, einschließlich des Vorwurfes, dass die Homos immerhin angefangen hätten, den Konflikt zu suchen:

Man kann den Konservativen und Rechten wahrlich nicht vorwerfen, den Konflikt künstlich anzuheizen. Sie reagieren nur auf den kulturrevolutionären Furor der Gegenseite, die eine intime Angelegenheit wie die Abweichung einer Minderheit von der sexuellen Norm aggressiv in die Öffentlichkeit trägt und zum Ausgangspunkt einer gesellschaftspolitischen Kehre machen will.

Es ist selbstverständlich, dass Liebe und Zuneigung in die Öffentlichkeit getragen wird – Heteros machen das beständig und nicht weniger „aggressiv“ als es Homosexuellen vorgeworfen wird. Was Schwule und Lesben wollen, ist ein Stück gelebte Normalität. Es ist nicht unser Problem, dass Hinz die Existenz homosexueller Menschen als „Aggression“ wahrnimmt. Mit einem geliebten Menschen Hänchen zu halten, zu flirten und Küsschen auszutauschen, ist etwas, was Heteros ganz automatisch tun, ohne groß darüber nachzudenken. Man könnte sagen, es ist ein menschlicher Instinkt und es wäre in höchstem Maße unfair, dies Homosexuellen vorzuwerfen und vorzuenthalten, nur weil Personen wie Hinz so etwas nicht sehen möchten.

Ein weiteres Vehikel dazu ist der Ruf nach dem Outing homosexueller Fußballer. Der Fußballplatz, diese letzte Sphäre kampfbetonter Männlichkeit (auf die eine am Selbsterhalt interessierte Spezies niemals verzichten kann), soll sich in eine Auslaufzone für „sorgende Haustiere“ verwandeln. Im Gegenzug wird der Frauenfußball, eine Domäne der „unweiblichen, nämlich der unattraktiven und unfruchtbare Frauen“ (Norbert Bolz), hofiert.

Es geht selbstredend nicht darum, dem Fußballplatz seine Sphäre „kampfbetonter Männlichkeit“ zu nehmen. Hinz sei gesagt, dass es bereits jetzt homosexuelle Fußballer gibt, die an dieser „Männlichkeit“ ebenso partizipieren, wie ihre heterosexuellen Geschlechtsgenossen. Dass Hinz in Homosexualität und „kampfbetonter Männlichkeit“ einen Gegensatz zu erkennen glaubt, sollte nicht dazu führen, dass schwule Fußballer auch weiterhin ein Leben im Schatten führen müssen, etwas, dass Hinz selbstverständlich niemals von heterosexuellen Fußballspielern verlangen würde.

Das Zitat von Bolz macht überdies ziemlich klar, worum es Hinz geht: Um die Aufrechterhaltung konservativer, heterosexuell-männlicher Sichtweisen auf Geschlecht und Geschlechtsrollen: Fußballspieler dürfen nicht schwul sein (weil das den Fußball verweiblichen würde), während Frauenfußball zu einer Vermännlichung der Protagonistinnen führe, und dies zudem nur diejenigen Frauen praktizieren würden, mit denen ein „richtiger Mann“ nicht ins Bett steigen würde. Hinz und Bolz sei allerdings gesagt, dass weder Männer noch Frauen auf der Welt sind, um so zu leben, wie es den Beiden gefällt. Und Frauen sind auch nicht dazu da, um Bolz zu gefallen oder ihm Kinder zu gebären.

Andererseits wird das Interesse an der Homo-Ehe vor allem von Politikern und Funktionären formuliert, was einfach damit zusammenhängt, daß Treue und Monogamie von den meisten Homosexuellen anders definiert werden als von Heterosexuellen. Ihre festen Partnerschaften dauern durchschnittlich nur anderthalb Jahre und schließen eine hohe Zahl weiterer Sexualpartner (zehn bis fünfzehn pro Jahr) ein.

Ich habe keine Ahnung, ob diese Zahlen stimmen, doch nehmen wir sie einmal als Wahrheit an. Was würde uns das sagen? Dass Homosexuelle bindungsunfähig sind? Nun, wahrlich nicht! Heteros sollten wissen, dass es nicht leicht ist, feste Partnerschaften zu etablieren und aufrecht zu erhalten, und das obwohl gegengeschlechtliche Paare gesellschaftlich und sozial  untersützt werden, und ihnen eine Fülle von sozialen Wohltaten sowie staatlichen und religiösen Institutionen zur Verfügung stehen, die eben genau dafür sorgen sollen, stabile Partnerschaften zu begründen und zu erhalten.

Homos dagegen haben so gut wie nichts von alledem. Mehr noch, ihre Partnerschaften sind zusätzlichen Schwierigkeiten ausgesetzt, von Gleichgültigkeit über Ignoranz bis versteckter und offener Feindseligkeit. Es gibt in dieser Gesellschaft so gut wie  niemanden, der jungen Schwulen und Lesben ein Beispiel dafür gibt, wie homosexuelle Partnerschaften gelebt werden können.

Dazu kommt, dass Homos kaum eine bis keine Jugend haben. Während nämlich Heteros ihre Jugendzeit dazu benutzen, die aufregende Welt der ersten Liebe, der ersten Dates und des ersten Sex zu erkunden, während sie die Blüte ihrer Jahre dazu verwenden können, sich die „Hörner abzustoßen“ müssen Schwule und Lesben sich mit ihrer eigenen Andersartigkeit, sowie dem inneren und äußeren Coming-Out auseinandersetzen. Und gerade während dieser für alle Jugendlichen schwierigen Zeit, erweisen sich Eltern und das weitere soziale Umfeld, für junge Schwule und Lesben nicht selten eher als Bürde statt Hilfe.

Auf dieser Grundlage sollte es einen nicht überraschen, dass Partnerschaften unter Schwulen und Lesben etwas chaotischer anmuten, als man es von den ach so stabilen, perfekten Hetero-Beziehungen und Ehen (mit 50 Prozent Scheidungsrate) gewohnt ist.

Der (schwule) Sexualwissenschaftler Martin Dannecker bestätigt die Neigung des Homosexuellen zum „flüchtigen, gleichzeitig relativ zufälligen Sexualobjekt, das vor allem dazu geeignet sein muß, rasche sexuelle Befriedigung zu vermitteln. Dieses Objekt steht primär im Dienste der Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der narzißtischen Homöostase (Gleichgewicht – Th. H.).“ Unter diesen Umständen ein grundsätzliches Adoptionsrecht zu installieren, kommt einem Versuch am lebenden Menschen – hier: am Kinde – gleich.

Kaum überraschend, dass hier vor allem von männlicher Homosexualität die Rede ist. Doch warum reden wir dann nicht gleich von männlicher Sexualität im Allgemeinen? Dass diese eher als weibliche Sexualität darauf ausgerichtet ist, „rasche sexuelle Befriedigung“ zu suchen, bedarf wohl kaum einer weiteren Erörterung. Was dies nun alles mit der Aufrechterhaltung eines „narzisstischen Gleichgewichts“ zu tun hat, bleibt ein Rätsel, welches vermutlich nicht mal Dannecker erklären kann. Und schon gar nicht lässt sich daraus ein grundsätzliches Verbot der Adption rechtfertigen. Immerhin werden auch Heteros, welches wild durch die Gegend vögeln, eher wenig Interesse an Kindern haben, zumal auch sie von den zuständigen Behörden weniger für eien Adoption in Betracht gezogen würden, als das sesshafte, „bürgerliche“ Pärchen mit langgehegtem Kinderwunsch. Der von Hinz kolportierte Antagonismus zwischen schwuler Triebhaftigkeit und heterosexuellem Verantwortungsbewusstsein ist nichts weiter, als eine lächerliche Phantasie.

Was bleibt demnach an Argumenten übrig?

Es geht primär auch gar nicht um den Homosexuellen. Er wird nur als Projektionsfigur und Speerspitze für einen gesellschaftlichen Umbau benutzt. Die Regellosigkeit soll zur Regel werden. Wenn die Geschlechterrollen disponibel sind, können Familie, Heimat, Nation, Kultur, Tradition, territoriale Verwurzelung, Sprache usw. um so leichter abgeräumt werden.

Summa summarum lässt sich die Sorge von Hinz auf folgenden Kern reduzieren: Nicht alle Menschen sind so wie er. Nicht alle empfinden so wie er. Und nicht alle teilen seine Meinung. Manche wollen keine Familie.  Und wieder andere leben in ganz anderen Familien, als Hinz sie sich vorstellt. Einige scheren sich nicht um Nation und Heimat. Und wieder andere finden, dass einige Traditionen überholt sind. Einige sprechen gar mehrere Sprachen. Und andere finden Traditionen, Kultur und Familie ganz toll, wissen aber nicht, wieso das im Gegensatz zu „disponiblen Geschlechterrollen“ stehen soll. Und die ganz Renitenten können nicht verstehen, wo der Zusammenhang besteht zwischen Homosexualität und „disponiblen Geschlechterrollen“.

Dass die Welt nicht nach den alleinigen Vorstellungen eines Thorsten Hinz gestaltet ist, macht diesem natürlich zu schaffen, und es wäre bösartig von mir, sich allzusehr über seien Ansichten zu mokieren. Eigentlich ist er in seiner pessimistisch-eingecshränkten Weltsicht eher zu bedauern. Und wahrlich: Wäre Hinz ein Kind, würde ich ihm zum Trost ein Erdbeereis kaufen. Aber was bitte schön soll man zu einem erwachsenen Hinz sagen?

Nun, wie wäre es damit?

Lebe Du doch wie Du es für richtig hälst! Heirate eine Frau, zeuge einen Stall voller Kinder, und schaue männlich Fußball! Bleibe in Deinem Dorfe, mit Deiner Tradition, Deiner Sprache, Deiner Kultur! Es mag ja sein, dass Homos Dich stören. Aber sie sind nun mal Teil dieser Gesellschaft und nicht weniger Mensch als Du. Daran wirst Du Dich gewöhnen müssen. Denn Du bist nicht alleine auf dieser Welt!

8 Antworten zu “Erdbeereis für junge Rechte”

  1. Arne Hoffmann 14. April 2013 um 22:43 #

    Super Artikel, herzlichen Dank dafür!

  2. Martin 15. April 2013 um 01:12 #

    So ein Witz, Verweiblichung durch Homosexualität… Wenn das ins Spiel gebracht wird weiss man das der Redner keinen Schimmer vom Thema hat. 2013 und immer noch so ein Elend, heute hab ich meinen depresiven tag 😦

  3. Adrian 15. April 2013 um 10:39 #

    Ach, Martin, die Sonne scheint, es wird langsam Sommer. Schau Dir all die hübschen Männer da draußen an, wie sie sich langsam wieder entblättern 😀
    Und Typen wie Hinz haben den Kampf doch eh verloren 😉

  4. Atacama 15. April 2013 um 13:35 #

    „Der Fußballplatz, diese letzte Sphäre kampfbetonter Männlichkeit (auf die eine am Selbsterhalt interessierte Spezies niemals verzichten kann)“

    Heisst das, wenn morgen der Dritte Weltkrieg ausbricht, dann zücken Mats Hummels und Manuel Neuer und Co. mal eben die Kalaschnikow und retten uns alle?

  5. Robert Michel 15. April 2013 um 17:51 #

    Ich finde es immer wieder witzig, dass die Konservativen mit den Feministen darin übereinstimmen zu scheinen, dass die Geschlechtsrollen soziale Konstrukte seien und damit einer gewissen Willkür ausgesetzt sind. Wenn man hingegen annimmt, dass es biologische Gründe hat, dass sich die Geschlechterrollen auf bestimmte Weise herausprägen, hat man auch keine Angst vor der Vorstellung, dass ihre Lockerung ihre Auflösung zur Folge hat. Geschlechterrollen sind das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses, spiegeln somit die Präferenzen von Millionen wieder und sind daher nicht willkürlich.

  6. Alreech 15. April 2013 um 18:19 #

    Ach, kampfbetonte Männlichkeit und Schwulsein schließen sich aus ?
    Jemand sollte dem Typen mal eine DVD von Frank Millers 300 schicken. 😉

    Wenn etwas die kampfbetonte Männlichkeit (und Weiblichkeit) bedroht dann ist es der gesellschaftliche akzeptierte Schönwetterpazifismus.
    Killerspiele z.B. bei denen mensch in ein Kämpferrolle schlüpft sind als was ganz Schlimmes verrufen, und mit Wettbewerb ( dem zentralen Element jeder Marktwirtschaft ) haben immer mehr Deutsche ein Problem.

  7. Ralf 20. April 2013 um 19:01 #

    Das alte Lied: „Ich hab ja nichts gegen Schwule… so lange sie nicht genauso behandelt werdern wollen wie alle anderen auch.“

  8. Sergej 12. Mai 2013 um 12:37 #

    Thorsten Hinz ist doch selbst schwul!

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