Ich habe nichts gegen Christdemokraten, solange man es ihnen nicht ansieht

25 Apr

CSD Berlin schließt CDU von der Parade aus

ist eine Erklärung des Berliner CSD e.V. überschrieben. Zur Begründung heißt es:

Dies ist eine Konsequenz der verfassungswidrigen Entscheidungen des letzten CDU-Parteitags, des CDU-Präsidiums und der zunehmend polemischen, diffamierenden und verhetzenden Äußerungen zahlreicher CDU-PolitikerInnen in den letzten Monaten.

Was für ein merkwürdiges Argument soll das denn sein, dass eine Entscheidung verfassungswidrig sei? Wenn sie verfassungskonform wäre, wäre sie dann etwa besser? Und die Äußerungen von einzelnen Politikern sollen dazu herhalten, eine ganze Partei von einer Parade für sexuelle Selbstbestimmung auszuschließen? Das erinnert mich an Sippenhaftung.

An welchen Äußerungen stört man sich beim Berliner CSD ganz besonders? Offensichtlich an der hier, die entsprechend prominent platziert ist:

Ende Februar legte Erika Steinbach, die Sprecherin für Menschenrechte der CDU/CSU-Fraktion, nach: „Wer beschützt die Verfassung vor dem Verfassungsgericht?“

Lustig, nicht? Da streiten sich nun also die Steinbach und der Berliner CSD e.V., wer der bessere Verfassungsschützer ist.

Und nicht nur die Verfassung will man schützen, auch den Anstand hat man neuerdings für sich gepachtet:

Bis in die Parteispitze hinein verstiegen sich UnionspolitikerInnen im Ton und schreckten nicht vor beleidigenden, würdelosen und unanständigen Äußerungen zurück.

Meine Güte, machen die sich Sorgen. Ob sich Unionspolitiker mit ihren Hetzparolen die eigene Würde unterminieren, ist doch deren Problem. Nein, ist es nicht, meint der Berliner CSD, weshalb ganz genau sortiert wird. Verboten: CDU-Logos und Wahlkampfmaterial. Lesben und Schwule in der Union hingegen

und alle CDU-AnhängerInnen, die das grundgesetzwidrige Verhalten ihrer Partei klar ablehnen, sind weiterhin als Gruppen oder Einzelpersonen am CSD willkommen, aber eben in klarer Abgrenzung zur Partei.

Klingt ein wenig nach „ich habe nichts gegen Schwule, solange man es ihnen nicht ansieht“. Am Ende ist der ganze Beschluß nur der Versuch, die CDU vor ihren eigenen Widersprüchen zu schützen, wie CSD-Geschäftsführer Robert Kastl erklärt:

Mit der Teilnahme am CSD würde die Union quasi gegen sich selbst demonstrieren. Das ist irgendwo zwischen absurd und schizophren.

Schizophren könnte man es andererseits auch nennen, die CDU ausgerechnet dort von einem CSD auszuschließen, wo sie sich ausdrücklich für die Gleichstellung im Steuerrecht ausgesprochen hat.

Und warum eigentlich,

sollen in diesen Tagen nicht alle die Stonewall gedenken, die das tun möchten? Und warum sollen sie es nicht gemeinsam tun? Sicher gibt es unter den Beteiligten stets Sympathische und Unsympathische. Wer mag, kann ja Flugblätter verteilen oder Plakate hochhalten, in denen die jeweils nicht Genehmen gedisst werden. Aber fällt eigentlich niemand auf, dass die politischsten Diskussionen im Zusammenhang der CSDs in den vergangenen Jahren fast immer darum gingen, wer dieses Mal auszuschließen ist? Sei es 2011 in München, wo die Männer schon aus dem Namen der Veranstaltung getilgt werden sollten, 2010, als man sich in Köln über Deutschlandfahnen auf der CSD-Parade erschreckte, in Madrid an Juden beim CSD störte und in Toronto an denen, die die Juden nicht mögen und in Berlin versuchte, die Parade zu einem Aufmarsch der Friedensbewegung umzufunktionieren oder 2007, als Transsexuelle an der Kölner Parade nicht teilnehmen durften, weil sie im falschen Etablissement beschäftigt waren. Ob das die Zukunft und die immer wieder gewünschte Politisierung der CSDs befördert, wage ich zu bezweifeln.

Das gilt heute genauso wie im letzten Jahr. Und sage niemand, der Ausschluss der Union sei Zeichen einer Politisierung. Wenn er überhaupt mehr als albernes Machtgehabe ist, dann ist er Ausdruck einer erneuten ideologischen Verengung der Parade. Und die hat spätestens vor zwei Jahren ihren Anfang genommen:

Mit dem Versuch der Vergabe des Zivilcouragepreises ausgerechnet an Judith Butler hatte sich auch der große Berliner CSD nachhaltig in die Volksfront zur Befreiung Palästinas eingereiht. Unwesentlich, dass Butler den Preis dann wegen angeblicher Rassismusduldung seiner Verleiher gar nicht annehmen wollte und Jan Feddersen die durch den Eklat eingetrene Politisierung begrüßte. Unwesentlich vor allem deshalb, weil Robert Kastl, Geschäftsführer des Berliner CSD e.V., in einem bis zum Erbrechen differenzierten Beitrag  im CSD Magazin 2011 erklärte, Butlers Feststellung, Hamas und Hisbollah seien Teil der globalen Linken, sei analytisch und wissenschaftlich nicht zu beanstanden. Und das war nicht als Kritik an der Linken gemeint. Im Gegenteil. Und so waren sich Kastl und Butler letztendlich einiger als die Ikone der Gender Studies sich und uns eingestehen wollte. Es war eben doch kein blöder Zufall, dass man beim Berliner CSD e.V. den Preis an die universitäre Speerspitze der Israel-Boykott-Bewegung verleihen wollte.

Weshalb sich die Entscheidung des CSD Berlin erneut als Freundschaftsangebot an die Kreuzberger Schmuddelkinder lesen lässt, die die CDU bestimmt genauso doof finden wie die Schöneberger, auch wenn sie deren Einsatz für schwulen Verfassungsschutz nicht besonders mögen werden.

2 Antworten zu “Ich habe nichts gegen Christdemokraten, solange man es ihnen nicht ansieht”

  1. Adrian 25. April 2013 um 17:02 #

    Also ich habe persönlich nichts gegen Christdemokraten, solange sie ihre Vorlieben im Privaten ausleben. Ich bin allerdings ein Gegner der Förderung der Christdemokratie. Christdemokratie sollte auch nicht in der Schule gelehrt werden, das ist Sache der Eltern. Im Übrigen halte ich die Ehe für eine Institution, die Rot und Grün vorbehalten sein sollte.

  2. Just Dave 26. April 2013 um 08:56 #

    Ich finde die Entscheidung falsch. Denn auch bei der Parade läuft nicht die ganze CDU mit, sondern hauptsächlich die LSU, die für das Thema Gleichstellung und Toleranz innerhalb der Union kämpft. Mit dem Ausschluss vom CSD trifft man damit die Falschen. Man sollte deren Arbeit eigentlich unterstützen, denn immerhin ist das Thema mittlerweile auch in der Union Thema. Wären alle in CDU/CSU so wie die LSUler wäre die Partei auch nicht mehr so schrecklich unwählbar und das sage ich als überzeugter Grüner.

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