Die Diskussion um die EKD-Orientierungshilfe zum Thema Familie hat auch eigentümlich frei zum Einsatz gereizt. Und so versucht man sich in dem Blatt an einer Satire:
Nachdem das neue Familienbild der EKD (Evangelischen Kirche Deutschlands) „von allen gesellschaftlich relevanten Gruppen begrüßt wurde“, wie der EKD-Ratvorsitzende Nichtsolaut Schreier betonte, „wollen wir einen Schritt weitergehen Richtung Modernisierung“.
Weg von der Stigmatisierung einer gesellschaftlich etablierten Verhaltensweise, so der Tenor aus der Spitze der EKD. Wenn der Kunde eines Bordells „auf Dauer“ bereit ist, „Verantwortung“ zu übernehmen, sollte er nicht weiter gesellschaftlich ausgegrenzt werden. „Nach unserem theologischen Verständnis“, verpflichtet sich der Kunde „für die Dauer“ von mindestens einer Stunde das Bordell zu besuchen, um einen zu flüchtigen Eindruck zu vermeiden, so die EKD. Die „hohe moralische Verantwortung des evangelischen Freiers“ kommt nach Meinung der EKD dadurch zum Ausdruck, dass er bei seinem Besuch maximal mit drei Frauen sexuellen Kontakt hat.
Vermutlich hatte man bei der Veröffentlichung dieser Zeilen vergessen, was man einst unter der Überschrift „Warum ef?“ schrieb:
Menschen unterscheiden sich in ihrer Vorstellung vom Glück. Erst mit seinem Eigentum kann jeder tun und lassen, was er für richtig hält, ganz eigentümlich und freisinnig – wofür die Buchstaben ef auch stehen. Der Massenmensch kollektivistisch-totalitärer Ideologien dagegen ist eine Nummer, austauschbar und gewöhnlich. Er muss andere um Erlaubnis bitten. Und er wird dabei zwangsläufig feige und verlogen.
Wie passen diese Zeilen zu der Verhöhnung einer Kirche, die sich gerade für mehr Freiheit und unterschiedliche Vorstellungen vom Glück öffnet? Wieso verwendet man zur moralischen Denunziation dieser Kirche ausgerechnet den Verdacht, sie könnte es mit der Prostitution halten, dem Bürgerschreck also, der von seinen Konsumenten ebenso feige und verlogen offiziell in steter Regemäßigkeit verdammt wird? Was hat man bei diesen radikalen Verfechtern von Eigentum und Marktwirtschaft gerade gegen dieses Gewerbe einzuwenden?
Oder geht es im Grunde genommen gar nicht um eine Kritik an der innerkirchlichen Entwicklung, sondern um die Sehnsucht nach der Diskriminierung von Homosexuellen? Die folgenden Sätze in der Satire könnten einen auf diese Idee bringen:
Am Ende der Pressekonferenz teilte Frau Göring-Hermann mit, dass es Überlegungen gebe, auch ein paar Zimmer für homosexuelle Prostituierte zu reservieren. Es dürfe nicht sein, dass „Homosexuelle in irgendeiner Form in kirchlichen Einrichtungen benachteiligt werden.“
Wenn es im Selbstverständnis von ef heißt,
eigentümlich frei steht auf der Seite der libertären Gegenwehr
dann bedeutet diese Gegenwehr für Schwule regelmäßig, dass es Zeit ist, den Kopf einzuziehen. Wieso sich aber mehr Freiheit in der Gesellschaft und ein aufrechter Gang für Schwule ausschließen sollen, das hat ef bis heute nicht erklärt. Man kann daher getrost davon ausgehen, dass diesen Libertären mehr Freiheit gar nicht so wichtig ist, das Ausleben ihrer Vorurteile dafür umso mehr.
Eine schöne neue ef-Blüte, über die man sich aber nicht wundern muss. ef pflegt eben eine Koalition von libertären und rechtskonservativen Inhalten auf Basis solider (u.a. homophober) Ressentiments – die paläolibertäre Zweckehe eben. Richtig ist, dass eine offene Gesellschaft nicht unbedingt „homo-freundlich“ sein muss, denn individuelle Freiheit bedeutet auch Freiheit, Homosexuelle widerlich zu finden. Ehrlich gesagt schein mir das aber eine ebenso wenig verheißungsvolle wie realistische Vision zu sein, im Gegenteil glaube ich, dass ein Mehr an individueller Freiheit zwar kurzfristig auch ein Mehr an homophoben Freiheitsräumen eröffnet, langfristig aber eher ein Verschwinden von Vorurteilen begünstigt. Leider aber erweist ef dem Libertarismus in Deutschland einen Bärendienst, dabei könnte uns mehr davon (libertäres Denken meine ich) eigentlich nicht schaden.
Das sind keine bloßen Vorurteile, die diese sog. Libertären da ausleben. Das sind Ressentiments.
An der FH hatte ich einen Dozenten, der gerne sagte, jeder nehme seine Beispiele aus dem eigenen Erfahrungsbereich. Der eigentümliche Autor der eigentümlichen Freiheit, der mit der Freiheit anderer Menschen so große Probleme hat, bedient sich im Rotlichtmilieu… na ja, man versorgt sich dort, wo man sich auskennt. Wie wir alle wissen, denken die Rechtsreligiösen immer gerne an Prostitution, Kinderschändung oder Sex mit Tieren, wenn es um die Grundrechte von Schwulen und Lesben geht. Sei jedem die eigene Phantasie gegönnt, möge sie noch so unappetitlich sein, aber muss man seine Perversion unbedingt öffentlich ausleben?