Der LSVD hat heute die Antworten der von ihm angefragten Parteien auf seine Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl veröffentlicht. Wie nicht anders zu erwarten, schneiden FDP und vor allem CDU/CSU eher schlecht ab, während die Grünen voll auf (LSVD-)Linie sind. Schaut man sich das Ganze näher an, wirkt das Ergebnis allerdings bald nicht mehr so eindeutig wie auf den ersten Blick:
Das liegt zum einen daran, dass die Wahlprüfsteine auf Fragen zur Gleichstellung von Lesben, Schwulen und Transgender beruhen, die allerdings nicht nur durch den Abbau von staatlichen Benachteiligungen erreicht werden soll, sondern explizit auch durch das Verbot der Diskriminierung durch Privatleute oder Religionsgemeinschaften. Dies bezieht sich bspw. auf das Arbeitsrecht, die Vermietung von Immobilien, den Zutritt zu Veranstaltungen, etc. Bezüglich eines vom LSVD in diesem Zusammenhang geforderten Verbandsklagerechts im Rahmen des AGG erklärt die FDP in bester Tradition und in Respekt vor dem Individuum:
Die FDP lehnt ein erweitertes Verbandsklagerecht ab. Bei Diskriminierungen spielen im Regelfall sehr individuelle Gesichtspunkte eine Rolle. Verbandsklagen, die Gruppeninteressen betreffen, wären daher nicht geeignet, dem Einzelnen besser zu seinem Recht zu verhelfen und Rechtssicherheit und Genugtuung im Einzelfall herzustellen.
Zum anderen wirkt das Ergebnis auf den zweiten Blick gar nicht mehr so eindeutig, weil der Verband bei der Auswertung der Antworten eine gewisse Kreativität an den Tag legt. Exemplarisch sei dies an einigen Antworten vor allem der FDP betrachtet.
FDP wie Union lehnen die Forderung, Artikel 3 Absatz 3 GG um das Kriterium der „sexuellen Identität“ zu erweitern, als Symbolpolitik ab. Daraus eine Ablehnung der Gleichbehandlung von Homosexuellen zu machen, scheint mir gewagt.
Auf die Frage des LSVD
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass Deutschland im EU-Ministerrat die Annahme eines umfassenden Rahmenwerks für eine EU-weite Gleichstellungspolitik für Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle unterstützt?
antwortet die FDP nachvollziehbar:
Dies hängt von der Ausgestaltung einer entsprechenden Vorlage ab und wird im Dialog mit den europäischen Partnern zu diskutieren sein.
Ist die grüne Antwort
Deutschland muss sich in der EU für ein umfassendes Rahmenwerk für eine EU-weite Gleichstellungspolitik einsetzen.
für Lesben, Schwule und Transgender tatsächlich überzeugender?
Auf die Frage
Wie wollen Sie gegen homophobe „Therapieangebote“ vorgehen, die von christlich-fundamentalistischen Organisationen durchgeführt werden?
erklärt die FDP u. a.:
Ebenso wie die medizinische Fachwelt lehnt die FDP Therapieangebote, die auf eine Änderung der sexuellen Orientierung abzielen, strikt ab.
Beim LSVD läuft das unter „vage Antwort“. Dabei ist die Antwort eindeutig. Die FDP sieht offenbar keine Notwendigkeit seitens des Staates gegen derartige Organisationen und Angebote vorzugehen. Wozu auch? Liegt es nicht in der Entscheidungsfreiheit des Einzelnen, diese wahrzunehmen oder eben nicht?
Die liberale Antwort auf die Frage
Wie wollen Sie sich dafür einsetzen, dass die Themen homosexuelle Lebensweisen und Transgeschlechtlichkeit in Schule und Unterricht in angemessener Weise behandelt werden?
Die Zuständigkeit für die Schulangelegenheiten, von der Finanzierung bis hin zur inhaltlichen Ausgestaltung des Unterrichts, liegt ausschließlich bei den Ländern. Dies gilt uneingeschränkt auch für die Frage der Durchführung von Sexualkundeunterricht und Sexualaufklärung bis hin zu der Auswahl und Finanzierung von Schulmaterialien. Die Möglichkeiten des Bundes, bei der Ausgestaltung und Durchführung von Unterricht mitzuwirken sind von jeher durch das Grundgesetz eingeschränkt und wurden in Folge der von der Großen Koalition beschlossenen Föderalismusreform noch weiter begrenzt. Die Initiative der Bundesregierung zur Lockerung dieses sog. „Kooperationsverbotes“ (Art. 91b GG) ist bislang von SPD und Grünen im Bundesrat blockiert worden.
Die von der FDP durchgesetzte Bundesstiftung Magnus Hirschfeld fördert die Bundesvernetzung der regionalen Schulaufklärungsprojekte zu homosexuellen Lebensweisen. Durch eine Erhöhung des Stiftungskapitals wollen wir die finanziellen Spielräume für eine solche Förderung weiter erhöhen.
gilt dem LSVD erstaunlicherweise ebenfalls als „vage“.
Die Frage
Wie wollen Sie sich auf UN-Ebene für die nachhaltige Verankerung der Menschenrechte unabhängig von der sexuellen Orientierung und Geschlechteridentität einsetzen?
haben die Liberalen laut LSVD nicht beantwortet. Tatsächlich wird in der Antwort darauf verwiesen:
In der zu Ende gehenden Wahlperiode haben das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium bereits konkrete Menschenrechtsprojekte für Homosexuelle im Ausland finanziert. Die Budgethilfe wurde für Staaten gestrichen, die Strafgesetze gegen Homosexualität verschärfen. Die Bundesminister Westerwelle und Niebel haben sich auch persönlich klar positioniert. Die deutschen Botschaften sind zunehmend für schwul-lesbische Menschenrechtsfragen engagiert. Die Inklusion von LSBTI ist der Auswärtigen Politik und der Entwicklungszusammenarbeit ist daher bereits in vollen Gange.
Alles in allem zeigt sich angesichts der Wahlempfehlung des Verbands
Geben Sie Ihre Stimme nur den Parteien und Personen, die für eine vollständige Gleichstellung von Lesben, Schwulen und Transgender eintreten.
dass der LSVD keineswegs die Interessen von allen Homo- und Transsexuellen vertritt, sondern lediglich die Interessen von homo- und transsexuellen Etatist_innen.
Aus der Nähe des LSVD zu den Grünen, die sich in teilweise eigenwilliger Auslegung einzelner Antworten insbesondere der FDP niederschlägt, ist allerdings nicht zu schließen, dass die FDP für die Gleichstellung von Schwulen und Lesben einträte. Aus ihrem Abstimmungsverhalten im Bundestag folgt das Gegenteil.