Der Papst bleibt Katholik

20 Sept

Papst Franziskus hat sich in einem, vom „Spiegel“ als „sensationell“ bezeichneten, Interview zum Thema Homosexualität geäußert, was mehrere Medien zu der Interpretation veranlasst, die Katholische Kirche stehe sozusagen an der Schwelle einer Zeitenwende. Doch was hat Franziskus eigentlich so „sensationelles“ gesagt?

„In Buenos Aires habe ich Briefe von homosexuellen Personen erhalten, die ’soziale Wunden‘ sind, denn sie fühlten sich immer von der Kirche verurteilt. Aber das will die Kirche nicht (…).“

Dass die Katholische Kirche Homosexuelle nicht verurteilen will, ist seit langem Doktrin. Zur Erinnerung: laut offizieller katholischer Lehre ist die homosexuelle Veranlagung alleine nicht sündhaft, nur das „Ausleben“ derselbigen.

„Wenn eine homosexuelle Person guten Willen hat und Gott sucht, dann bin ich keiner, der sie verurteilt (…).“

Auch diese viel zitierte Äußerung ist weniger beeindruckend, als es zunächst den Anschein macht. Denn um die Aussage zu verstehen, müsste man die Frage stellen, was es bedeutet, wenn der Papst sagt, er verurteile eine homosexuelle Person nicht, wenn sie „guten Willen hat und Gott sucht“?

Im Rahmen der katholischen Lehre kann das eigentlich nur bedeuten, dass wenn eine homosexuelle Person zölibatär lebt („guten Willen hat“) und damit bereit ist, der katholischen Lehre zur Homosexualität zu folgen („Gott sucht“), dass dann also keinerlei Gründe zur Verurteilung eben jener Person bestehen.

Einmal hat mich jemand provozierend gefragt, ob ich Homosexualität billige. Ich habe ihm mit einer anderen Frage geantwortet: ‚Sag mir: Wenn Gott eine homosexuelle Person sieht, schaut er die Tatsache mit Liebe an oder verurteilt er sie und weist sie zurück?'“

Es ist immer schwierig, eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten, vor allem wenn diese Gegenfrage keinerlei Antwort bringt. Also, lieber Papst, was denn nun? Schaut Gott eine homosexuelle Person mit Liebe an, oder verurteilt er sie?

Nun, die stimmigste Antwort aus katholischer Sicht wäre: „das kommt darauf an“. Folgt die homosexuelle Person der katholischen – und aus dieser Sicht damit Gottes – Lehre der Enthaltsamkeit, oder „sündigt“ diese Person, indem sie mit dem gleichen Geschlecht in einer sexuellen Beziehung lebt?

Alles in allem sind die Worte des Papstes nicht besonders eindrucksvoll, und auf keinen Fall dazu geeignet, großartige Richtungsänderungen des Vatikan bezüglich des Themas Homosexualität erkennen zu lassen.

Papst Franziskus hat nicht anderes getan, als die seit langem gültige Lehrmeinung der Katholischen Kirche in freundlichere Worte zu verpacken, als es sein Vorgänger getan hat. Das ist alles.

4 Antworten zu “Der Papst bleibt Katholik”

  1. martin 20. September 2013 um 10:58 #

    Wenn ich mich recht erinnere, hatten wir diese Diskussion vor einigen Wochen schon einmal. Und dazu ist eigentlich nichts mehr zu sagen.

  2. hulrich 20. September 2013 um 14:01 #

    Und es taucht immer noch der Anspruch der Katholischen Kirche auf, daß die Kirche uns unter dem Mantel der Barmherzigkeit halbwegs akzeptiert. Der Zustand des Schwulseins als solcher wird immer noch nicht als gleichberechtigt angesehen.
    Mehr und mehr setzt sich die Ansicht durch, daß Homosexualität eine angeborene Veranlagung und damit etwas Natürliches ist, aber die RKK tut sich damit immer noch schwer.
    Aber eins ist sicher, Homosexualität st nichts Krankes, was man heilen muß oder kann, Katholischsein hingegen kann man therapieren und es ist nicht angeboren. 🙂

  3. Adrian 20. September 2013 um 17:12 #

    „Mehr und mehr setzt sich die Ansicht durch, daß Homosexualität eine angeborene Veranlagung und damit etwas Natürliches ist, “

    Wobei ich allerdings nicht verstehe, inwiefern das für die Beurteilung von Homosexualität relevant ist.

  4. Wolfgang Brosche 21. September 2013 um 01:10 #

    Es ist eine politische Schande und eine Schande mangelnder Bildung, daß einer Religion im 21. Jahrhundert noch immer die Deutungshoheit über das Leben der Menschen zugeschrieben wird.
    Es ist eine Schande, daß es noch immer Menschen gibt, die an Adam und Eva, den Sündenfall, die Jungfrauengeburt, die Wiederauferstehung und die Unfehlbarkeit des Papstes glauben, die sich terrorisieren lassen vom Dogmatismus dieser Religion und von den Machtansprüchen des Klerus. Es ist eine abgrundtiefe Frechheit, daß die katholische Religion jede Selbstbestimmung des Menschen nicht nur in Sachen Sexualität als „Kultur des Todes“ bezeichnet – eine Religion, die selbst todesbesoffen und deren zentrales Symbol ein Folter- und Hinrichtungsinstrument ist; eine Religion, deren wichtigster Ritus ein kannibalisch-vampirischer Akt ist. Eine Religion, die noch immer vom Teufel und von Dämonen, von Engeln und Heiligen faselt, von Himmel und Hölle – alles immer wieder psychotische Angstmacherei, die den Menschen das Leben vergällt.
    (Die anderen „Welt“religionen sind nicht besser – aber hier in Europa zeigt das Christentum immer wieder sein widerliches Haupt.)
    Es geht doch nicht um die „Schwulenfrage“… Papst Franzisus hat vor kurzem verlauten lassen, wer nicht seinen Gott anbete, der bete den Teufel an. Das zeigt doch, daß es dieser Catholica um Alles oder Nichts ihrer Deutungshoheit geht. Ein bißchen konziliantes Gewäsch – und schon kriechen wieder alle auf den Knieen.
    Tatsächlich ist die Catholica die Erfinderin der westlichen „Moral“ des Oben und Unten, des Guten und Bösen, überhaupt die Erfinderin der „Sexualität“ als moralische Anstalt.
    Vor dem Christentum gab es sexuelle Akte und das war es dann – darüber wurden keine Menschen abgeurteilt – man lese Foucault.
    Daß nebenbei der Islam ähnlichen Unsinn zum Thema Gut und Böse, zur Sexualität verbreitet, liegt vor allem daran, daß er zum großen Teil nach dem Muster der römisch-katholischen Religion entwickelt wurde, angereichert mit regionalen Kulten aus dem arabischen Raum.
    Das Judentum, aus dem die Catholica etlichen Unsinn entliehen hat, war ebenfalls nur eine regionale Religion allerdings ohne den Drang nach Expansion oder Missionierung; das nur nebenbei; damit mir da keine Klagen kommen.
    Man muß sich an den Kopf fassen oder ihn gegen die Wände schlagen, wenn man feststellt, daß es noch immer Menschen gibt, die der Lebensvergiftungsmaschinerie, den Absurditäten und den Dummheiten der Catholica anhängen.
    Am heutigen Samstag formiert sich unter dem berüchtigten Martin Lohmann in Berlin der „Marsch für das Leben“ – Erzkatholiken, ausnahmsweise mal im Verbund mit Evangelikalen demonstrieren dort gegen die sexuelle und körperliche Selbstbestimmung der Frau, gegen Menschenrechte, die sie der halben Menschheit nicht zugestehen. Daß nebenbei Herr Lohmann immer wieder Schwulenhaß auf perfideste Weise verbreitet, angeblich weil er so erleuchtet ist von seinem katholischen Gott, fällt da schon gar nicht mehr ins Gewicht. (Darüber darf man übrigens nicht vergessen, daß dieser Schwulenhasser bestens vernetzt ist mit obskuren, aber einflußreichen katholischen Organisationen, mit der Wirtschaft und der Politik – so betreibt die katholische Kirche ihre untergründige Wühlarbeit, während sich die menge am seidenweichen Geschwätz des nicht besonders intelligenten Papstes delektiert und nicht mehr genau hinschaut.
    Ach, man kann sich über den Respekt, den Religion und Religioten noch immer genießen nur noch schwarzärgern – das Geschwätz des Oberpopen aus Rom ist seidenweiches BlaBla – was aber die von ihrem erfundenen Gott geleiteten Erzreaktionäre vor Ort treiben, das sollte einem einen Kalten Schauer über den Rücken jagen. Die Religionen sind nicht bloß Schwulenfeinde, sie sind Feinde der Menschenrechte und der menschlichen Selbststimmung, des selbstständigen Denkens, des selbstbestimmten Lebens und Sterbens.

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