Wer hat uns verraten?

20 Okt

Ich weiß, ich weiß, der Titel ist abgedroschen und klischeehaft, aber ich konnte ihn mir angesichts der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD nicht verkneifen. So berichtet die Seite „tuckenalarm“:

im wahlkampf hatte die spd die völlige gleichstellung schwuler und lesbischer partnerschaften mit der ehe versprochen. nach den sondierungsgesprächen mit cdu/csu ist davon jetzt nicht mehr die rede: in einem papier der spd-spitze, dass zehn bedingungen für eine große koalition mit der union formuliert, taucht die gleichstellung homosexueller nicht mehr auf.

(Bevor jemand sich wundert: Ja, „tuckenalarm“ schreibt alles in Kleinbuchstaben. Ich weiß nicht warum, vielleicht hat es etwas mit dem Kampf gegen den Heterosexismus zu tun, vielleicht können sie sich aber auch einfach keine Großbuchstaben leisten, GANZ ANDERS ALS WIR HIER.)

Zurück zum Thema: Hat irgendjemand etwas anderes erwartet? Hat irgendjemand erwartet, dass ausgerechnet unser aller Tante SPD die Gleichberechtigung von LGBT höher schätzt als, sagen wir mal, die Privilegierung von Frauen?

das papier listet dann zehn “unverzichtbare” forderungen an eine koalition mit der union auf: Es geht um mindestlohn, altersarmut, rente, pflegeversicherung, frauenquote, kommunalfinanzen, infrastruktur, bildung, finanztransaktionssteuer und wachstum. von einer öffnung der ehe für homosexuelle ist keine rede mehr.

Man mag mich für für leicht erregbar halten, aber ich empfinde es als leicht dreist, dass die SPD es tatsächlich für „unverzichtbar“ hält, Frauen in die Vorstandsetagen großer Firmen zu boxen, während Schwule und Lesben auch weiterhin gegenüber Heterosexellen benachteiligt bleiben sollen.

Aber gut, man muss halt Prioritäten setzen.

11 Antworten zu “Wer hat uns verraten?”

  1. man.in.th.middle 20. Oktober 2013 um 13:42 #

    Es war schon vorher klar, wer in der SPD die Hosen anhat und „harte Bedingungen für die Bildung einer großen Koalition mit der Union“ stellen darf:

    http://www.stern.de/news2/aktuell/spd-frauen-stellen-bedingungen-fuer-grosse-koalition-2061865.html

    Alles eine Frage der Machtpositionen innerhalb der Parteien.

  2. Hermann Zeller 20. Oktober 2013 um 15:08 #

    „Wer hat uns verraten …“
    Dieser damals schon abgedroschene Reim aus der frühen Weimarer Republik wurde gerne von den Nazis aufgegriffen, als sie Sozialdemokraten zu Tausenden verschleppten, folterten und ermordeten.
    Man kann kritisieren, dass die SPD-Führung unsere legitimen Forderungen nicht die Priorität einräumt, wie wir es uns wünschen. Aber der Vorwurf des Verrats ist völlig daneben und bei solchen Sprüchen wird mir nur übel.

  3. martin 20. Oktober 2013 um 16:54 #

    Wenn man sich einmal vor Augen hält, worin eine Gleichstellung schwuler und lesbischer Partnerschaften juristisch denn nun noch bestehen würde, dann kann man sich angesichts von Punkten wie Mindestlohn, Altersarmut, Rente usw. schon fragen, für wie wichtig man sich als Homosexueller selbst halten kann, um diesen letzten verbliebenen Gleichstellungsschritt tatsächlich für ein den anderen Forderungen auf der Liste gleichrangiges Ziel zu halten. Beziehungsweise, wenn man Wert auf die Zehnzahl legt: Auf welches dieser zehn Ziele kann ein guter Sozialdemokrat denn zugunsten des Homo-Adoptionsrechts guten Gewissens verzichten? Im Gegensatz zur Finanztransaktionssteuer etwa handelt es sich bei der Gleichstellung schwullesbischer Partnerschaften ja auch nicht um eine Forderung, die sich ganz ohne politische Entscheidungsfreude – nämlich vor dem Verfassungsgericht – gleichsam von alleine ergeben könnte. Ich kann diese tuckenalarm-Verwunderung also nur ironisch zur Kenntnis nehmen. Das alles soll übrigens nicht heißen, dass man auf diese SPD-Forderungen größtenteils nicht auch gut und gerne verzichten könnte. Aber das ist ja ein anderes Thema.

  4. Adrian 20. Oktober 2013 um 18:33 #

    @ martin
    „Auf welches dieser zehn Ziele kann ein guter Sozialdemokrat denn zugunsten des Homo-Adoptionsrechts guten Gewissens verzichten?“

    Auf die Frauenquote. Für eine Partei, die für sich in Anspruch nimmt, die Rechte der Arbeitnehmer zu vertreten, ergibt es m. E. nicht allzu viel Sinn, Frauen ausgerechnet in Führungsetagen von großen Firmen hieven zu wollen, oder?

  5. martin 20. Oktober 2013 um 23:17 #

    @ Adrian:
    Keine Ahnung. Ob das Frauen oder Männer sind ist mir gleich. Aber sind nicht auch weibliche Führungskräfte Arbeitnehmer(innen)? Ich fürchte jedoch, ich kann der unglücklichen Lage, hier die Sozialdemokratie verteidigen zu müssen, nicht gerecht werden. Ich weiß, ich weiß, ich habe selbst damit angefangen. Jetzt lieber kein weiteres Wort mehr dazu.

  6. Fiete 21. Oktober 2013 um 01:15 #

    Ich verstehe den ganzen Humbug nicht.
    Mal der Reihe nach:
    Schwule und Lesben wollen gleichberechtigt sein mit Heteros, oder ? Soweit mir bekannt, sind sie es auch.
    Da sehe ich also kein Priblem.
    Nun rabulieren irgendwelche Feministen und Genderbekloppte herum, daß wir eine Ergebnisgleichstellung bräuchten, eine Art Umverteilungskommunismus, in dem jeder, egal wie viel er arbeitet und was, Chef ist und ein exakt gleiches Gehalt bekommt.
    Da das leicht erkennbar schwachsinnig ist, wird aus allen möglichen Lehren Unsinn zusammeneredet, der suggerieren soll, daß dieser Traum natürlich nur für Frauen in Führerpositonen wahr werden, für alle anderen aber Gesetz sein soll. Antje Schrupp & Co versuchen das täglich schön zu faseln.

    Tatsächlich geht es darum, an die Humanressource Kind zu kommen, die die höchsten Umsätze in den Dienstleistungsbereichen liefert.
    Dazu will man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, damit Frauen kurz nach der Geburt vollzeit arbeiten müssen, wodurch das kind in Kinderkasernen zwangsfremdbebildet werden soll, was dann erfreulicherweise noch mehr lukrative Folgen nach sich zieht ( Bindungsunfähigkeit, Burn-out, AD[H]S, etc.pp. ).

    Kurz: die Familie an sich soll abgewertet, im Endeffekt zerstört werden.
    Dazu wird logscherweise Pflegschaft und Adoption gefördert, um die Nachfrage nach entelterten Kindern anzukurbeln.

    Nun kommen die Schwulen und Lesben in’s Spiel:
    Denen erzählt man, daß eine Homo-Partnerschaft mit der Ehe gleichzustellen wäre.
    Warum?
    Eine Partnerschaft ist ein freiwillige Lebensgemeinschaft, die Ehe ist ein durch Dritte reglementierter Knebelvertrag.
    Und was hat es mit Gleichberechtignung zu tun, wenn wenn Heteropartnerschaften und Homopartnerschaften keine gleichen Rechte haben?
    Wollen sich Schwule und Lesben gegen ein geringes Steuerversprechen wirklich von Ämtern und Behörden vorschreiben lassen, wie sie zusammen zu leben und wie sich zu trennen haben, mit dem ganzen sauteuren „Rosenkrieg“, dem aggressiven Waschen dreckigster Wäsche über Jahre, der Ausbeutung des unterlegenen Steitpartners, u.s.w.?

    Warum?

    Thema Adoptionsrecht:
    jeder Schwule und jede Lesbe kann ein Kind adoptieren, wenn es denn notwendig sein sollte und andere Adoptionsgründe kenne ich nicht. Kinderwunsch und romantische Träume, eine nichtfortpflanzungsfähige Partnerschaft, sind kein Grund, einem Kind in’s Leben zu pfuschen.
    Auch da herrscht also Gleichberechtigung.
    So what?

    Bobby Brederlow wurde von seinem schwulen Bruder problemlos adoptiert.
    Er lebt jetzt mit ihm und seinem schwulen Partner in einem Haushalt, vermutlich sogar recht familiär.
    Kein Problem.

    Ehrlich Leute, man will Euch für zwangskommunistische Einheitsmenschenträume instrumentalisieren, nix weiter.
    Auch in einer schwulen Partnerschaft sollen beide vollzeit malochen und das Kind teuer von fremden Leuten defizitär erzogen werden. Darum geht es, um nix anderes.

    Lasst Euch nicht von SPD, Grünbraun, oder sonst einer der Lobbyblockparteien verarschen!

    Gruß……….Fiete

  7. Adrian 21. Oktober 2013 um 08:48 #

    @ Fiete
    „Ich verstehe den ganzen Humbug nicht.“

    Komisch. Der gleiche Gedanke ging mir beim Lesen Deines Kommentares durch den Kopf.

  8. elmardiederichs 21. Oktober 2013 um 09:51 #

    Ich hab das mal auf FB und g+ gepostet. 🙂

  9. morus 21. Oktober 2013 um 11:42 #

    Die SPD fand das Bauchgefühl der Frau Kanzlerin sympathisch und wollte ihr nicht zumuten, dass ihr etwas auf dem Magen liegt.
    https://gaywest.wordpress.com/2013/09/15/merkels-bauchgefuhl/
    Es ist auch nur ein allfälliger „Verrat“ an all denjenigen, die aus diesem Grund SPD gewählt haben, ganz sicher ist es aber kein Verrat an denen, die entweder eine andere Partei oder gar nicht gewählt haben.
    https://gaywest.wordpress.com/2013/09/22/nicht-gewahlt/
    🙂

    • Adrian 21. Oktober 2013 um 20:22 #

      @ morus
      Jetzt hast Du mich aber entlarvt 🙂

  10. Andreas 21. Oktober 2013 um 19:23 #

    @ Hermann Zeller:
    Besagter Spruch, die Sozialdemokraten seien Verräter, stammt vom Roten Frontkämpferbund, eine paramilitärischen Organisation der Kommunisten. Das sollte man ruhig erwähnen.

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