Wie queer.de berichtet, plant die Schweiz eine Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe durch die Hintertür:
Man kann darüber spekulieren, ob der deutliche Hinweis auf „Mann und Frau“ tatsächlich mit dem Ziel verfasst wurde, Schwule und Lesben absichtlich von der Ehe auszuschließen, da es der Initiative des Referendums offiziell um Steuerfragen geht:
Persönlich halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass die Verfasser des Textes gleichgeschlechtliche Paare einfach „übersehen“ haben. Umso dringlicher ist es nun aber, die Öffentlichkeit zu mobilisieren, damit Schweizer Schwule und Lesben nicht auf dem Altar heteronormativen Denkens un der Demokratie geopfert werden.
À propos Demokratie: In ein kleines Fettnäpchen politischer Begrifflichkeiten tritt ein Kommentator auf queer.de, der überhaupt nicht verstehen kann, was in der Schweiz eigentlich passiert:
Man ist es ja mittlerweile gewohnt, dass der Begriff „Demokratie“ für alles Gute, Edle und Schöne herhalten muss, und dass mit „demokratisch“ nicht selten vor allem die Meinung ausgezeichnet wird, die einem selbst gefällt, während Ansichten und Vorgänge, die man nicht ganz so toll findet, schnell mal das Label „undemokratisch“ angeheftet bekommen.
Dabei sei daran erinnert, was Demokratie eigentlich ist: Volksherrschaft; die Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit. Sie beinhaltet per se weder Grund- noch Menschenrechte, keine Rechtsstaatlichkeit und schon gar nicht die Gleichheit vor dem Gesetz. Dies alles bekommt man nur, wenn man die Entscheidungsfindung der Bevölkerung einschränkt und Grundsätze definiert, die der Herrschaft des Volkes entzogen sind. Nur dann wird aus einer Demokratie eine liberale Demokratie, und nur dann ist Demokratie erträglich.
>Man ist es ja mittlerweile gewohnt, dass der Begriff “Demokratie” für alles Gute, Edle und Schöne herhalten muss, und dass mit “demokratisch” nicht selten vor allem die Meinung ausgezeichnet wird, die einem selbst gefällt, während Ansichten und Vorgänge, die man nicht ganz so toll findet, schnell mal das Label “undemokratisch” angeheftet bekommen.
Unter Demokratie versteht der Linke seinen eigenen Gesinnungskanon.
Na ja, man muss hier nicht gleich den Teufel an die Wand malen. Erst einmal geht es nur um eine Volksinitiative, die einen durchaus vorhandenen Missstand beseitigen will (nämlich eine steuerliche Benachteiligung von Ehe- gegenüber unverheirateten Paaren). Dass sie obendrein eine heteronormative Ehedefinition in die Verfassung schreiben will (nebenbei: jede Schweizer Volksinitiative ist ein Vorschlag auf eine Verfassungsänderung), ist allerdings ein Schönheitsfehler, den man freilich noch abwenden kann. Dass der Bundesrat das Anliegen der Initative im Grundsatz befürwortet, bedeutet nämlich noch nicht, dass er auch ihren konkreten Vorschlag für das Mittel der Wahl hält. Die Initiative wird nun als nächstes im Parlament zu beraten sein, und es ist durchaus möglich, dass sie sich noch vor einer Volksabstimmung schlicht dadurch erledigt, dass er betreffende Sachverhalt durch ein einfaches Gesetz geregelt wird. Und ansonsten ist natürlich auch nicht gesagt, dass die Volksinitiative bei einer dann irgendwann anstehenden Abstimmung angenommen würde. Im Gegenteil, die meisten Initiativen scheitern an der Urne. – Zur Ehrenrettung der Schweizer Demokratie sei übrigens gesagt, dass auch das geltende Lebenspartnerschaftsgesetz anno 2005 durch eine Volksabstimmung angenommen hat (allerdings auf dem Wege des fakultativen Referendums, nicht durch eine Volksinitative).
Wie man sich bei aller Demokratieherrlichkeit darüber wundern kann, dass es aus Sicht der jeweiligen Minderheiten damit gelegentlich auch mal in die Hose geht, ist mir schleierhaft. Bei aller Verdrossenheit über unfähige Parlamentarier käme es doch weniger darauf an, politische Entscheidungskompetenzen vom Parlament aufs Volk zu verlagern, als dafür zu sorgen, dass über gewisse Dinge am besten überhaupt nicht politisch entschieden würde. Aber zweifellos wäre es den meisten Linken (und Rechten) allzu unheimlich, wenn sie über so allerlei Angelegenheiten anderer Leute nichts mehr zu sagen hätten.
Übrigens gibt es in Deutschland, wenn es um die Schweiz geht, so eine Perspektive, die, wenn es, sagen wir, um den Kongo ginge, durchaus als kolonialistisch durchginge. Man berichtet mit wohlgepflegter Ahnungslosigkeit über ein unmittelbares Nachbarland und weiß dabei natürlich alles besser. Das gilt in politischen Dingen, wo die Imaginationskraft hierzulande schlicht nicht ausreicht, um sich konkordanzdemokratische Zustände auszumalen. Es gilt aber auch sprachlich. Das „Konkubinat“ ist in der Schweiz ein durchaus nicht negativ konnotierter Begriff, sondern bezeichnet schlicht unverheiratete Paare. So etwas nennt man auch Helvetismus. Und mehr Helvetismen würden ja auch in Deutschland nicht schaden 🙂
Demokratie bedeutet Volksherrschaft und damit, dass jeder einzelne Bürger an den politischen Prozessen beteiligt wird. Die Ableitung, dass es die Herrschaft einer Mehrheit über eine Minderheit bedeutet, ist bereits eine „Unterform“ der Demokratie…
Die Verfasser der Initiative haben die gleichgeschlechtlichen Paar ganz sicher nicht „übersehen“.;)
In der Schweiz gibt es die Möglichkeit auf Basis des Partnerschaftsgesetzes zu heiraten, Man heiratet dann nicht, sondern verpartnert sich. Dies steht allen offen, also auch heterosexuellen Paaren. (Solche Paare dürfen keine Kinder adoptieren.)
Insofern geht es der Initiative ganz sicher darum, dass auch künftig keine Schwulen und Lesben eine Ehe im gesetzlichen Sinne eingehen können und solche Ehen dürfen dann niemals benachteiligt werden gegenüber allen anderen Partnerschaftsmöglichkeiten, wie beispielsweise Konkubinat und Verpartnerung – umgekehrt allerdings schon. Die Initiative kommt von der schweizerischen Schwesterpartei der CDU. Wahrscheinlich haben die auch so ein Bauchgefühl. 😉 Tut mir leid, aber den muss ich jetzt halt dauernd bringen….